Sehr geehrter Herr Generalsekretär Mark Rutte,

in Kopie an Mark Carney, Premierminister von Kanada

Büro des Premierministers

80 Wellington Street

Ottawa, ON K1A 0A2

Als NATO-Generalsekretär führen Sie eine regelrechte Militärkampagne, allerdings nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in der Politik. Ihr erklärtes Ziel ist es, die Mitgliedsstaaten unter Druck zu setzen, damit diese in den kommenden zehn Jahren jeweils 5 % ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Militär ausgeben.

Laut der franko-kanadischen Zeitung La Presse würde das für Kanada bedeuten, dass das Land weitere 3,5 % seines Bruttoinlandsprodukts zusätzlich für Verteidigung aufwenden müsste. In Zahlen ausgedrückt, bedeutet das einen Anstieg von aktuell 62,7 Milliarden Dollar auf schwindelerregende 156,75 Milliarden Dollar innerhalb weniger Jahre. Diese Summe entspricht 32 % des aktuellen Bundeshaushalts von 490 Milliarden Dollar (1).

Es ist offensichtlich, dass die Regierung diese 100 Milliarden Dollar nicht einfach aus dem Hut zaubern kann, um den Appetit der Rüstungsindustrie und Ihres Militärbündnisses zu stillen. Und selbst wenn, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler könnten diese Summe in den kommenden Jahren unmöglich aufbringen. Schon jetzt fühlen sich viele Kanadierinnen und Kanadier durch die Steuerlast auf Einkommen und Konsum überfordert. Um das Ziel zu erreichen, müsste die Regierung also an anderer Stelle massiv sparen.

Letzte Woche wurden Sie auf der Chatham House Konferenz in London von einem britischen Journalisten gefragt, welche sozialen Auswirkungen die berühmten 5 % Militärausgaben hätten. Ihre Antwort war mehr als zynisch:

„Wenn Sie die 5 % nicht erreichen, können Sie Ihre Rentenprogramme und Ihr Gesundheitssystem behalten, aber dann sollten Sie besser lernen, Russisch zu sprechen!“, scherzten Sie, nachdem Sie zuvor erklärt hatten, dass Russland allein in drei Monaten mehr Munition produzieren könne als alle 32 NATO-Verbündeten zusammen in einem Jahr.

Als alleinerziehende Mutter eines jungen Mannes bin ich zutiefst empört über Ihre Arroganz gegenüber der Demokratie und den Menschen. Ihre Haltung ist schlichtweg unerträglich. Herr Rutte, Sie sind kein gewählter Amtsträger und haben kein Recht, westlichen Regierungen oder Kanada vorzuschreiben, wie sie öffentliche Gelder ausgeben sollen. Es ist das Geld der Bürgerinnen und Bürger, und die wollen ihre Lebensqualität erhalten, in die Bildung ihrer Kinder investieren, das Gesundheitssystem stärken und die Renten sichern.

Ihre Arroganz gegenüber der Demokratie zeigt nur, dass Sie die Menschen Ihrem Willen und dem Diktat der Rüstungsindustriellen unterwerfen wollen. Das ist beschämend.

Ich habe die Nase voll von all Ihren Kriegen. Es ist doch offensichtlich, dass, wenn Sie die Militärausgaben weiter hochschrauben, überall auf der Welt neue Kriege ausbrechen werden. Es gibt andere Wege, Konflikte zu lösen, als Millionen Menschenleben zu zerstören. Und es gibt andere Möglichkeiten, als die Gier einiger Rüstungsindustrieller zu bedienen.

Ich bin überzeugt, dass es Millionen Frauen und Mütter wie mich gibt, die sich um die Zukunft ihrer Kinder sorgen. Inmitten von Konflikten und Krisen ist es höchste Zeit, uns ernsthaft mit dem Schicksal der Menschheit und dem Sinn unseres Handelns auseinanderzusetzen.

Deshalb hier meine Empfehlungen für einen geopolitischen Wandel, der eine bessere Zukunft ermöglicht.

Herr Rutte, gehen Sie heute auf diejenigen zu, die Sie als Ihre Feinde betrachten, und beginnen Sie einen echten Dialog.

 Herr Rutte, nutzen Sie das Eisen der Kanonen, um andere Dinge als Waffen herzustellen.

 Herr Rutte, setzen Sie Ihren Einfluss dafür ein, dass Kulturen und Völker zusammenfinden.

 Herr Rutte, fragen Sie sich, wie das Bündnis der Welt helfen kann, Gewalt und Kriege zu beenden.

Abschließend hoffe ich, dass Sie beim G7-Treffen mit den gewählten Regierungschefs etwas mehr Verständnis für die kanadische Bevölkerung zeigen werden. Ich lade Sie ein, diese Gelegenheit zu nutzen, um einige unserer Schulen, Krankenhäuser und Seniorenzentren zu besuchen, und die Kanadierinnen und Kanadier zu fragen, ob sie bereit sind, auf ihr Bildungssystem, ihr Gesundheitssystem und ihre Renten zu verzichten, um die Gier der Rüstungsindustriellen zu stillen.

Herr Rutte, wir können geopolitische Konflikte auch ohne Kriege und Zerstörung lösen.

Mit freundlichen Grüßen

Anne Farrell


(1) Quelle: Journal La Presse, L’OTAN doit se clamer le pompon, Samstag, 14. Juni 2025

 

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Sabine Prizigoda vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Der Originalartikel kann hier besucht werden