EU-Kommission kann von den USA geforderte Kontrollen von Investitionen europäischer Unternehmen in China nicht gegen den Widerstand insbesondere der deutschen Wirtschaft durchsetzen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sind mit dem Versuch gescheitert, von den USA geforderte Investitionskontrollen in der EU einzuführen. Beide hatten im vergangenen Jahr dafür geworben, Investitionen von Unternehmen aus der EU in speziellen Drittstaaten, insbesondere in China, scharfen Prüfungen auszusetzen und sie bei Bedarf zu verbieten. Eine entsprechende Regelung hatte Washington im vergangenen Jahr eingeführt und seine Verbündeten gedrängt, die Maßnahme zu übernehmen. In den gestern vorgelegten Vorschlägen der EU-Kommission zur EU-„Strategie für wirtschaftliche Sicherheit“ aus dem Jahr 2023 heißt es nun, Brüssel werde „Daten“ über Investitionen etwa in China sammeln; Kontrollen jedoch sind nicht vorgesehen. Gescheitert ist der transatlantische Plan am Widerstand der – insbesondere deutschen – Wirtschaft, die ihr strategisch überaus wichtiges Chinageschaft bedroht sieht. Verschärft wird aber die Kontrolle auswärtiger Investitionen innerhalb der EU. Zudem wird die Forschungskooperation von Hochschulen in der EU insbesondere mit chinesischen Partnerorganisationen stärker reglementiert.

„Strategie für wirtschaftliche Sicherheit“

Die Vorschläge, die die EU-Kommission am gestrigen Mittwoch vorgelegt hat, um ihre im Juni vergangenen Jahres offiziell präsentierte „Strategie für wirtschaftliche Sicherheit“ näher auszubuchstabieren, beziehen sich zunächst auf ausländische Investitionen in der EU. Diese werden von der Mehrheit der Staaten längst strikt kontrolliert, vor allem, wenn es sich um Investitionen aus China handelt. Diese hat etwa Deutschland in der Vergangenheit mehrmals eingeschränkt oder untersagt, wenn es um Investitionen in als sicherheitsrelevant geltende Branchen oder in sogenannte kritische Infrastruktur ging (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Dazu sollen nun auch die – relativ wenigen – Staaten gedrängt werden, die bisher noch keine Einschränkungen vornehmen oder, wie etwa Griechenland und Bulgarien, schlicht keine Investitionskontrollsysteme besitzen.[2] Die EU-Kommission dringt darauf, die nationalen Vorschriften zu harmonisieren und einen „Mindestanwendungsbereich“ festzulegen, „in dem alle Mitgliedstaaten ausländische Investitionen überprüfen müssen“.[3] Zudem sollen unter bestimmten Umständen auch Investitionen von Unternehmen aus EU-Staaten kontrolliert werden – und zwar dann, wenn die jeweiligen Unternehmen von Personen oder Firmen aus einem Nicht-EU-Staat kontrolliert werden.

Exportkontrollen

Stärker kontrolliert werden sollen auch Exporte aus EU-Staaten nach China. Allerdings hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dabei spürbar Abstriche machen müssen. Ursprünglich hatte von der Leyen geplant, bis September vergangenen Jahres eine Schwarze Liste mit Produkten zu erstellen, die nicht mehr oder allenfalls mit klaren Einschränkungen nach China exportiert werden dürfen, etwa High-Tech-Halbleiter oder Technologien für Quantencomputer und Künstliche Intelligenz.[4] Vorbild waren erkennbar US-Regelungen, mit denen Washington Beijing auf Dauer in technologischem Rückstand halten will; sie wollte von der Leyen offenkundig für die EU übernehmen.[5] Das ist nicht gelungen. Nicht nur liegt die erwähnte Schwarze Liste bis heute nicht vor. Die Kommission gab am gestrigen Mittwoch zudem bekannt, sie habe lediglich ein „Weißbuch über Ausfuhrkontrollen“ erstellt, das mit bereits bestehenden „Vorschriften auf EU- und multilateraler Ebene vollständig im Einklang“ sei, also keinerlei signifikante Ausweitung von Exportbeschränkungen bringe. Für den Sommer sei jedoch eine „Empfehlung der Kommission für eine bessere Koordinierung der nationalen Kontrolllisten“ geplant.[6] Damit könnte der Versuch einer Verschärfung verbunden sein.

Investitionskontrollen

Einen herben Rückschlag musste von der Leyen beim Versuch hinnehmen, neben Exporten auch Investitionen von EU-Unternehmen in China scharfen Kontrollen zu unterwerfen. Dabei diente gleichfalls eine US-Regelung als Vorbild, in diesem Fall die Entscheidung der Biden-Regierung, in Zukunft Investitionen von US-Firmen in China zu prüfen und unter Umständen zu untersagen, wenn sie der Produktion von High-Tech-Halbleitern, von Quantencomputern oder von Technologien für Künstliche Intelligenz dienen. Washington hatte entsprechende Regeln im August vergangenen Jahres eingeführt [7] und mit aller Macht darauf gedrungen, dass seine Verbündeten sie rasch übernehmen. Von der Leyen hatte sich ebenso dafür eingesetzt wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der bereits im Mai vergangenen Jahres öffentlich gefordert hatte, ein „Outbound Investment Screening“ gemäß US-Modell zu implementieren.[8] Der Versuch ist gescheitert. Die EU-Kommission gab gestern bekannt, sie habe ein weiteres „Weißbuch“ erstellt – „über Investitionen in Drittstaaten“ –, in dem nun vorgeschlagen werde, Daten zu einschlägigen Branchen zu sammeln, sie auszuwerten und gegebenenfalls im kommenden Jahr einen neuen Gesetzesvorschlag vorzulegen.[9] Von konkreten Schritten hin zu Investitionskontrollen ist nicht die Rede.

Ministerium gegen Minister

Gescheitert ist der Versuch, faktisch US-Regelungen in die EU zu übertragen, den von der Leyen und Habeck unternommen haben, nicht zuletzt an der deutschen Wirtschaft. So hieß es etwa im August vergangenen Jahres, „die Wirtschaft“ mache „Druck“, von einem Outbound Investment Screening strikt Abstand zu nehmen; die wirtschaftspolitischen Sprecher von SPD und FDP sprachen sich offen dagegen aus.[10] In der Tat kommen deutsche Konzerne bei ihren Investitionen in der Volksrepublik kaum ohne die Nutzung etwa von High-Tech-Chips oder von Künstlicher Intelligenz aus. Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, hatte bereits unmittelbar nach Habecks Vorstoß im Mai 2023 gewarnt, deutsche Unternehmen verfolgten „die Diskussion über eine neue staatliche Aufsicht von Auslandsinvestitionen mit großer Sorge“.[11] Habeck stieß sogar in seinem eigenen Ministerium auf entschlossenen Widerstand. „Die Arbeitsebene“ dort, so hieß es, „bremst vor allem wegen der unklaren Auswirkungen des Instruments“.[12] „Die Sorge“ sei „groß, dass eine neue Investitionskontrolle … ein bürokratisches Monster erschaffen wird, unter dem die deutschen Unternehmen wegen langwieriger Kontrollen leiden“. Letztlich setzte sich die Wirtschafts- gegen die transatlantische Polit-Fraktion durch.

„Böswilliger Einfluss“

Stärker reglementiert werden soll allerdings die Kooperation von Hochschulen und von Forschungseinrichtungen in der EU mit Partnerorganisationen in Drittländern, de facto vor allem mit Hochschulen in China. So erklärt die EU-Kommission, Forschungsergebnisse aus Europa könnten womöglich „für militärische Zwecke in Drittländern genutzt oder unter Verletzung von Grundwerten eingesetzt“ werden. Hochschulen in EU-Staaten könnten auch „dem böswilligen Einfluss autoritärer Staaten ausgesetzt sein“.[13] Die Kommission lege daher „einen Vorschlag für eine Empfehlung des Rates“ vor, der darauf ziele, der Forschung in der EU für die Kooperation mit Drittstaaten „mehr Klarheit, bessere Orientierungshilfen und stärkere Unterstützung zu bieten“. Zwar könne man auf Forschungskooperation nicht verzichten, heißt es wohl mit Blick auf die hochqualifizierte Forschung in China. Doch solle man „Risiken für die Forschungssicherheit mindern“. Die Maxime laute: „So offen wie möglich, so geschlossen wie nötig“.

[1] S. dazu Die Dialektik des Chinageschäfts.

[2] Brüssel rudert bei Kontrolle von Auslandsinvestitionen zurück. Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.01.2024.

[3] Kommission schlägt neue Initiativen zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit vor. ec.europa.eu 24.01.2024.

[4] Carsten Volkery: EU stellt Anti-China-Pläne vor. handelsblatt.com 20.06.2023.

[5] S. dazu Mit Investitionsverboten gegen China.

[6] Kommission schlägt neue Initiativen zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit vor. ec.europa.eu 24.01.2024.

[7] Sabine Gusbeth, Dana Heide, Felix Holtermann, Carsten Volkery: Biden reguliert US-Investitionen in sensible Technologien in China. handelsblatt.com 10.08.2023.

[8] Martin Greive, Dana Heide, Moritz Koch, Julian Olk, Annett Meiritz: Habeck will China-Geschäfte deutscher Unternehmen kontrollieren. handelsblatt.com 11.05.2023.

[9] Kommission schlägt neue Initiativen zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit vor. ec.europa.eu 24.01.2024.

[10] Sabine Gusbeth, Dana Heide, Felix Holtermann, Carsten Volkery: Biden reguliert US-Investitionen in sensible Technologien in China. handelsblatt.com 10.08.2023.

[11] Julian Olk: Ausländische Investitionskontrolle: Wie Habeck mit seinem Vorstoß alle überraschte. handelsblatt.com 11.05.2023.

[12] Sabine Gusbeth, Dana Heide, Felix Holtermann, Carsten Volkery: Biden reguliert US-Investitionen in sensible Technologien in China. handelsblatt.com 10.08.2023.

[13] Kommission schlägt neue Initiativen zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheit vor. ec.europa.eu 24.01.2024.

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