Ein bahnbrechendes Rechtsverfahren von Mitte Dezember (2023) fordert die US-Umweltschutzbehörde (EPA) auf, die Zulassung des gefährlichen Herbizids Glyphosat, den Hauptbestandteil von Bayer/Monsantos Roundup, sofort auszusetzen und zu streichen.

Die Zulassung von Glyphosat sei illegal, heißt es in der Petition, die die beiden gemeinnützigen Organisationen Center for Food Safety und Beyond Pesticides zusammen mit vier Interessengruppen von Landarbeiter:innen eingereicht haben. Letztes Jahr hat ein Bundesberufungsgericht infolge einer von denselben gemeinnützigen Organisationen eingereichten Klage die Bewertung der EPA zur menschlichen Gesundheit aufgehoben, weil die Behörde das Krebsrisiko von Glyphosat zu Unrecht zurückgewiesen hatte. Die heutige Petition, in der die Aufhebung und Aussetzung der Zulassung von Glyphosat gefordert wird, umfasst über 70 Seiten und stützt sich auf mehr als 200 wissenschaftliche Zitate.

„Diese Petition ist ein Präzedenzfall, damit die Regierung Biden die gesetzlichen und wissenschaftlichen Vorgaben einhält und die Zulassung von Glyphosat endlich aufhebt“, so Pegga Mosavi, Juristin am Centre for Food Safety und Beraterin der Petenten. „Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Beweise dafür, dass Glyphosat die öffentliche Gesundheit gefährdet und Krebsrisiken für Landwirt:innen und andere Roundup-Anwender:innen birgt. Glyphosatformulierungen sind auch eine Gefahr für die Umwelt und haben zu einer Epidemie resistenter Unkräuter geführt, die die Landwirt:innen plagen. Nach dem Gerichtsurteil vom letzten Jahr hat die EPA keine legale Grundlage mehr, auf der sie stehen kann. Die EPA muss jetzt handeln.“

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pestizid, von dem in den USA jährlich etwa 136 Millionen Tonnen ausgebracht werden. Doch die EPA hat sich geweigert zu handeln, obwohl der weit verbreitete Einsatz von Glyphosat großen Schaden anrichtet. Zahlreiche Studien – darunter viele, die von Bayer/Monsanto gesponsert wurden – zeigen, dass Glyphosat schädliche Auswirkungen auf die Leber, die Nieren und das Fortpflanzungssystem hat und wahrscheinlich karzinogen (krebserregend) ist, was speziell mit dem Krebs des Immunsystems, dem Non-Hodgkin-Lymphom, in Verbindung gebracht wird.

Bill Freese, wissenschaftlicher Direktor des Center for Food Safety, stellte fest: „Die EPA hat einst anerkannt, dass Glyphosat schädliche Auswirkungen auf die Leber, die Nieren und das Fortpflanzungssystem von Säugetieren hat und sogar Krebs verursachen kann – Auswirkungen, die erstmals in jahrzehntealten Studien an registrierten Personen festgestellt wurden. Doch als Monsanto sein äußerst erfolgreiches Herbizid immer breiter einsetzen wollte, verbannte die EPA diese belastenden Studien ins Vergessen der Zulassungsbehörde und ermöglichte so einen breiteren Einsatz, obwohl unabhängige Wissenschaftler:innen die Schäden bestätigten, die die EPA jetzt abstreitet.“

Glyphosatformulierungen haben auch die Umwelt verwüstet und durch Abdrift erhebliche Schäden an Nutz- und Wildpflanzen verursacht. Durch die Dezimierung des Milchkrauts hat Glyphosat wesentlich zum Rückgang des Monarchfalters beigetragen, und viele Glyphosatformulierungen sind extrem toxisch für Amphibien. Die EPA selbst hat festgestellt, dass Glyphosat wahrscheinlich unglaubliche 93 Prozent der bedrohten und gefährdeten Arten und 96 Prozent der kritischen Habitate (Lebensräume) negativ beeinflusst, von denen sie abhängig sind und leben.

In der Petition von Mitte Dezember wird die EPA aufgefordert, die Verwendung von Glyphosat mit sofortiger Wirkung auszusetzen, bis die Behörde das Aufhebungsverfahren abschließen oder nachweisen kann, dass Glyphosat die Sicherheitsstandards erfüllt, die im Nationalen Gesetz über Insektizide, Fungizide und Rodentizide vorgeschrieben sind. Die Aufhebung würde den Verkauf und die Verwendung aller Produkte illegal machen, die diese Chemikalie enthalten.

„Landarbeiter:innen und ihre Familien leiden schon viel zu lange unter den gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Pestiziden“, sagte Mily Treviño-Sauceda, Gründerin und Geschäftsführerin der Nationalen Landarbeiterinnen-Allianz. „Die EPA muss unsere Landarbeiter:innen und unsere Umwelt schützen, indem sie sofort sämtliche Glyphosat-Zulassungen aussetzt und storniert.“

Hintergrund

Das letzte Mal, dass Glyphosat einer umfassenden Neubewertung unterzogen wurde, war 1993, kurz vor der explosionsartigen Zunahme seiner Verwendung im Zusammenhang mit den Roundup Ready-Pflanzen von Monsanto, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie gegen Glyphosat resistent sind. Laut US-Bundesgesetz muss die EPA die Zulassungen von Pestiziden alle 15 Jahre überprüfen, um festzustellen, ob sie unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und aktueller Verwendungsmuster weiterhin den erforderlichen Sicherheitsstandard – ohne übermäßige negative Auswirkungen auf die Umwelt – erfüllen.

Die EPA begann erst 2009 mit der Überprüfung der Zulassung von Glyphosat und gab 2020 eine vorläufige Entscheidung heraus.

Obwohl die Pestizidabteilung der EPA elf Jahre mit ihrer Prüfung verbracht hat, konnte sie nicht zu einer Schlussfolgerung darüber gelangen, ob Glyphosat Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) verursacht. Die Behörde lehnte jedoch das allgemeine Krebsrisiko von Glyphosat ab und hielt es für „nicht wahrscheinlich“, dass es Krebs verursacht. NHL ist die Krebsart, die in vielen epidemiologischen Studien unter Landwirt:innen und in Bewertungen von Wissenschaftler:innen der wissenschaftlichen Abteilung der EPA mit Glyphosat in Verbindung gebracht wird. Es ist auch die Krebsart, die von der weltweit führenden Behörde für krebserregende Stoffe, der Internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (IARC), mit Glyphosat assoziiert wird. Viele NHL-Patient:innen, die ihre Krebserkrankung auf die Verwendung von Roundup zurückführen, haben Prozesse gegen Monsanto/Bayer gewonnen.

Im Jahr 2022 verwarf das US-Bundesberufungsgericht – infolge der o.g. vom Centre for Food Safety eingereichten Klage – die EPA-Bewertung von Glyphosat hinsichtlich Krebs und der menschlichen Gesundheit. Das Gericht stellte fest, dass die Krebsbewertung von Glyphosat durch die EPA in sich widersprüchlich ist und gegen die eigenen EPA-Leitlinien zur Risikobewertung von Karzinogenen verstößt. Ähnliche Kritik wurde von einem von der EPA ernannten wissenschaftlichen Beratungsgremium und von EPA-Wissenschaftler:innen außerhalb ihrer Pestizidabteilung geäußert.

Infolge der Gerichtsentscheidung fehlt der EPA eine rechtliche Bewertung der Auswirkungen von Glyphosat auf die menschliche Gesundheit, um seine weitere aktuelle Verwendung zu rechtfertigen. Das Gericht gab auch die ökologische Risikobewertung von Glyphosat an die EPA zurück und setzte ihr eine Frist zur Fertigstellung. Die EPA hielt diese Frist nicht ein und zog stattdessen die gesamte Entscheidung zur vorläufigen Registrierungsprüfung zurück. Der Kongress verlängerte daraufhin die Frist der EPA für den Abschluss der Zulassungsprüfung von Glyphosat und allen anderen Pestiziden, die für Oktober 2022 vorgesehen war, auf Oktober 2026.

Heute ist Glyphosat weiterhin ausschließlich auf der Grundlage einer vor drei Jahrzehnten durchgeführten Bewertung aus dem Jahr 1993 zugelassen. Diese veraltete Bewertung berücksichtigt nicht den exponentiellen Anstieg des Glyphosateinsatzes, der mit der Einführung glyphosatresistenter Mais-, Soja-, Baumwoll- und anderer wichtiger Nutzpflanzen Mitte der 1990er Jahre begann; sie prädatiert auch vor den Tausenden belastender wissenschaftlicher Studien über Glyphosat, die sich seit 1993 akkumuliert haben. Diese veraltete Einschätzung trägt auch nicht den enormen Kosten Rechnung, die den Landwirt:innen durch das Auftreten von Glyphosat-resistenten Unkräutern in diesem Jahrhundert entstanden sind. Aus all diesen Gründen kann die EPA den Sicherheitsstandard für die derzeit zugelassenen Glyphosat-Anwendungen nicht einhalten und sollte die Zulassung des Wirkstoffs aufheben.

Text von Sustainable Pulse, die Übersetzung ins Deutsche von Ulrike Bickel.

Der Originalartikel kann hier besucht werden