Unter dem Hashtag #wirallesinddieletztegeneration haben über die Feiertage mindestens 1.332 Menschen die Staatsanwaltschaft Neuruppin darüber informiert, dass sie sich als Teil der Letzten Generation betrachten. Die dem Innenministerium weisungsgebundene Behörde hatte erst kürzlich elf Wohnungen von Unterstützer:innen der Letzten Generation durchsuchen lassen, weil sie ihnen die “Bildung einer kriminellen Vereinigung” zur Last legt. Da die Unterstützer:innen klar davon ausgehen, dass Grundgesetz, Menschenrechte und auch der Paragraph §129 des StGB “Bildung einer kriminellen Vereinigung” selbst auf ihrer Seite sind, haben sie nun die Staatsanwaltschaft über ihre Beteiligung an der Gruppe informiert, um eine vollständige Prüfung zu beschleunigen.

Unter den ersten Selbstanzeigen war der Rechtsanwalt Mathis Bönte aus Münster.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin verfolgt die #LetzteGeneration als kriminelle Vereinigung. Da möchte ich nicht fehlen und habe mich daher selbst angezeigt. Wer angesichts der Klimakrise Alarm schlägt, gefährdet damit nicht die öffentliche Sicherheit”, schreibt er in einem Tweet [1]. In der angehängten E-Mail an die Staatsanwaltschaft legt er seine juristische Argumentation dar: Im Angesicht der „existentielle[n] Gefahr für die menschliche Zivilisation”, die von der Klimakatastrophe ausgeht, ist ziviler Widerstand nicht nur legitim, sondern auch vom deutschen Rechtsstaat gedeckt, so Bönte [2].

Diese Auffassung trifft auf einige Zustimmung in der Fachwelt: In einer Gemeinsamen Erklärung haben Anwaltsvereine und -bewegungen, wie der Verein „Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte e. V.”, zu dessen Mitgliedern auch Bundeskanzler Olaf Scholz zählt, festgehalten, dass sie den Vorwurf einer kriminellen Vereinigung für ungerechtfertigt und unverhältnismäßig halten [3].

Insgesamt nutzten innerhalb von fünf Tagen 382 Menschen ein Formular auf der Website der Letzten Generation, um offiziell ihre Unterstützung zu erklären [4].  Eine Petition, bei der sich die Unterzeichner:innen ihr Mitwirken bei der Letzten Generation beglaubigen, sammelte zeitgleich 950 Unterschriften [5] (Stand 26.12.2022). Hinzukommen Bürger:innen, die sich auf anderem Wege an die Staatsanwaltschaft Neuruppin gewendet haben. Etwa per E-Mail, per Telefonanruf, wie in diesem Video zu sehen [6] oder wie Jesuitenpater Dr. Jörg Alt der sich gemeinsam mit Prof. Dr. Stefan Bauberger bei der Polizeiinspektion Nürnberg Mitte selbstanzeigte [7].

Es bleibt abzuwarten, ob nun bei all diesen Bürger:innen auch Hausdurchsuchungen folgen werden.

Gleichzeitig sitzen weiterhin acht Unterstützer:innen der Letzten Generation in München im Gefängnis und verbringen die Weihnachtsfeiertage in einer Zelle.

Sprecherin der Letzten Generation Carla Rochel hält fest:

Unser demokratischer Protest ist absolut notwendig, wenn man sieht, dass wir völlig ungeschützt in eine Klimakatastrophe hinein rasen. Statt gegen friedliche Bürger:innen zu ermitteln, sollte die Regierung sich lieber um erste Sicherheitsmaßnahmen wie das 9-Euro Ticket oder ein Tempolimit 100 kümmern. Wer ist hier kriminell? Wir haben nichts zu verstecken, weil wir das Richtige tun!”


[1] twitter.com/MathisBoente/status/1605542061888921600?s=20&t=8fJm5DH4KfneusVJxRFdzg
[2] www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/21-04/index.php?sz=6
[3] www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/klimaschutz-statt-repression-verhaeltnismaessigkeitsgrundsatz-gilt-auch-im-umgang-mit-der-letzten-generation-915
[4] Stand 26.12.2022 382
[5] Stand 26.12.2022: 950
[6] twitter.com/Kims_Speech/status/1605659606323286016?s=20&t=2bQ9Ga48DVUUnmFPXHq3lA
[7] twitter.com/JoergAltSJ/status/1605541423268257793?s=20&t=8fJm5DH4KfneusVJxRFdzg