Gruppe Autonomie und Solidarität für die Onlinezeitung Infosperber

Wusstet ihr, dass es im September 2022 in Uruguay einen Generalstreik gab, an dem fast ein Drittel der Bevölkerung teilnahm?

Dieser Text versucht einen kleinen Überblick über die politischen Entwicklungen in dem südamerikanischen Land zu liefern.
„O Bailan Todos O No Baila Nadie“ heisst so viel wie „Entweder alle tanzen oder niemand“ und war einer der einprägsamen Slogans der Tupamaro Stadt-Guerilla aus Uruguay. Sie gründeten sich in den 1960er Jahren und führten später auch einen bewaffneten Widerstand gegen den immer autoritärer werdenden Staat. Nach dem Ende der Militärdiktatur beschlossen führende Kräfte der Tupamaros sich als Partei an den staatlichen Wahlen zu beteiligen. 2010 wurde schliesslich José Mujica, „El Pepe“, ein ehemaliges führendes Mitglied der Tupamaros, welcher selbst jahrelang im Gefängnis sass, Präsident von Uruguay.Die Geschichte der „Movimiento de Liberación Naccional – Tupamaros“ zeigt eindrucksvoll, wie aus einer anfänglich gewerkschaftlich geprägten sozialen Alternative, eine zunächst erfolgreiche Guerilla werden konnte, welche nach ihren Bedeutungsverlust als ausserparlamentarische Kraft Teil des Systems wurde.Wie geht es heute den libertären und sozialen Bewegungen in Lateinamerika? Ein Ausblick nach Uruguay.Uruguay, manchmal als „Schweiz Südamerikas“ bezeichnet, nimmt seit jeher eine Sonderstellung in Lateinamerika ein, da es politisch stabil ist. Zwischen seinen riesigen Nachbarn Brasilien und Argentinien und mit seinen nur 3,5 Millionen Einwohner*innen wird es schnell übersehen.Seit 2020 ist Luis Lacalle Pou Präsident von Uruguay, ein Politiker neoliberaler Färbung, welcher jüngst in einen Korruptions-Skandal rund um die Tabakindustrie verwickelt ist1.Seit 2019 und in Folge der Pandemie und Massnahmen steigt in dem sonst relativ wohlhabendem Land die Armut merklicher an.2

Berichte kommen zu dem Schluss, dass die Pressefreiheit in Uruguay durchaus Rückschläge erlitten hat und nicht mehr als so selbstverständlich gilt, wie noch vor einigen Jahren. Eine Selbstzensur und Eigentumskonzentrationen stellen grosse Probleme dar.7

Was tut die Opposition? Die grösste parlamentarische Oppositions-Bewegung ist die Frente Amplio, jenes „linksgerichtetes“ Parteibündnis, in der auch die Tupamaros aufgegangen sind. Momentan besetzen sie 42 von 99 Sitzen der Abgeordnetenkammer und sind damit die grösste Partei in der Abgeordnetenkammer. Trotzdem können sie dies nicht ganz als Vorteil ausspielen. Noch am 27. März 2022 erhielten sie bei einem Referendum gegen die Politik Lacalle Pous eine Klatsche und verloren mit 48,83%3.

Das Land, ansonsten immer noch äusserst stabil, scheint einen Weg einzuschlagen, der typisch für die Politik in anderen lateinamerikanischen Ländern ist, wo sich zwei grosse politische Lager herausbilden, die sich starr gegenüberstehen.

Doch gleichzeitig passiert auch so etwas: Um gegen die zunehmenden Lebenserhaltungskosten und sinkende Löhne (Inflation) etwas zu unternehmen sowie für höhere Pensionen zu sorgen, fand am 15.09.2022 ein Generalstreik statt. Organisiert wurde der Streik hauptsächlich von der PIT-CNT, der grössten Gewerkschaft des Landes, und wurde von 20 weiteren Organisationen getragen. Es wird geschätzt das ca. 1 Millionen Uruguayer*innen die Arbeit freiwillig niedergelegt haben. Das sind 28,57% der gesamten Bevölkerung! Von der arbeitenden Bevölkerung prozentual deutlich mehr! Dazu wurden 50 Nachbarschaftsveranstaltungen im gesamten Land veranstaltet4.

Die uruguayische Bevölkerung beweist also (freiwillige!) Solidarität untereinander und kämpft. Derweil plante die Föderation der Universitätsstudenten Uruguays (FEUU), ab dem 19. September 2022 Universitäts-Fakultäten zu besetzen. Damit wollen sie Aktionen gegen die geplante

Bildungsreform setzen, welche das Bildungsbudget begrenzen soll und Bildungsrechte untergräbt5. Die Student٭innen gingen sogar soweit, dass sie das Bildungsministerium kurze Zeit besetzt hielten. Zuvor fand zwischen dem 4. Oktober und 8. Oktober ein Generealstreik der Lehrkräfte, Studenten und Beamten der Universität der Republik statt, der wichtigsten Bildungseinrichtung Uruguays. Dies war der erste Generalstreik seit 2002!6

Protest, Widerstand und eine erfolgreiche Organisierung von grossangelegten Aktionen ist möglich. Organisiert euch und lasst uns alle gemeinsam tanzen!

Der Originalartikel kann hier besucht werden