Der Russland-Ukraine-Krieg erinnert die Welt an die anhaltenden Spannungen zwischen früheren Sowjetrepubliken, die selbst 30 Jahre nach Auflösung der Sowjetunion fortbestehen.

Der Tod von Michail Gorbatschow, des letzten Präsidenten der Sowjetunion, im August 2022, hat den Diskurs fortgesetzt. Im Westen wird Gorbatschow für seine Reformen Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umbau, Umstrukturierung) sowie für seine Rolle in der Friedensbewegung gefeiert. Aber im ehemals sowjetischen Zentralasien sieht es anders aus.

Obwohl Gorbatschows Reformen den positiven Effekt hatten, eine (relative) Rede- und Meinungsfreiheit zu bringen, gab es auch negative Folgen. Ihm wird das Versagen der Wirtschaft und der Zusammenbruch der UdSSR zugeschrieben, und in der Folge schauen die Bewohner der früheren Sowjetrepubliken mit Verachtung auf ihn.

Gorbatschow war jedoch nicht allein verantwortlich für die schlechten Lebensbedingungen, die zerstörte Umwelt und die Grenzkonflikte in Zentralasien. Diese Probleme haben eine lange Vorgeschichte.

Erstens waren die Grenzen kompliziert gezogen und bildeten nicht immer die ethnischen Gruppen ab, die dort lebten. Das war zu bewältigen, solange es Bewegungsfreiheit und freier Handel zwischen den Republiken gab.

Aber bei der plötzlichen, ungeplanten Unabhängigkeit? Da waren Grenzkonflikte und Streits um Ressourcen unvermeidlich.

Ein aktuelles Beispiel ist der Konflikt an der kirgisisch-tadschikischen Grenze, der mit einem Streit um Wasser begann und am 14. September dieses Jahres eskalierte. Zwar gab es einen Waffenstillstand, dieser hielt jedoch nicht lange an und am 16. September wurden die Kämpfe wieder aufgenommen.

Zurzeit wird die Zahl der Todesopfer auf etwa 100 und die der Vertriebenen auf ungefähr 137.000 Menschen geschätzt.

Am 20. September wurde unter Druck von Russland ein Friedensabkommen unterzeichnet. Obwohl es hoffentlich ein Schritt zu besseren Beziehungen in der Region ist, war es aufgrund einiger Bestimmungen in der kirgisischen Bevölkerung äußerst umstritten. Daher besteht die Gefahr, dass dieser Konflikt in Zukunft wieder aufbrechen kann.

Zum Zeitpunkt der ersten Eskalation habe man am frühen Morgen schwere Artillerie hören können, berichtet eine Quelle in Khujand, Tadschikistan. Bei der Entfernung von 125 Kilometern zwischen Khujand und Batken ist das ein beunruhigendes Zeichen dafür, wie der Konflikt sich entlang der Grenze fortgesetzt hat und auch für die dabei eingesetzte hochentwickelte Militärtechnik.

Als man Einheimische zu ihrer Ansicht über den Konflikt befragte, ergab sich eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu der allgemeinen Meinung unter Ukrainern und Russen nach der russischen Invasion in der Ukraine.

Zwar wollten einige noch Öl ins Feuer gießen, aber die Mehrheit der Befragten betrachtet ihre Nachbarn jenseits der Grenze als genau das – nämlich Nachbarn. Insbesondere, da ja der tadschikische Präsident Rahmon und der kirgisische Präsident Japarow zum Zeitpunkt des Konfliktes auf dem Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organisation in Usbekistan „Brot auf zentralasiatische Weise gebrochen“ hatten, scheint dieser Konflikt nicht das zu sein, was die meisten Kirgisen und Tadschiken wollen.

Aber gibt es eine Lösung für den Konflikt, der ein Erbe von Kolonialismus ist? Auf kurze Sicht ist das schwer zu sagen. Die Befriedung von Grenzstreitigkeiten und die faire Aufteilung von Ressourcen kann jahrelang dauern, das heißt aber nicht, dass sie unmöglich wären.

Es sei daran erinnert, dass die Länder Zentralasiens zwar in ihrer gegenwärtigen Form jung, ihre reichen Kulturen und Traditionen aber alt sind. Wie die meisten Teile der Welt war diese Region jahrhundertelang von verschiedenen Herrschaftsformen regiert worden: von Imperien, Unionen und nun Republiken. So wie der usbekische Wappenvogel Huma sich wie ein Phönix durch Feuer erneuert, ist Zentralasien in ständiger Entwicklung begriffen.

Die Herausforderung besteht darin, durch diesen Prozess hindurch den Frieden zu erhalten.

Martin Kimathi, der kenianische Botschafter beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der über Kolonialismus in Afrika anlässlich der russischen Invasion in der Ukraine nachdachte, drückte es mit folgenden Worten aus:

„Wir müssen unseren Aufschwung aus der Asche toter Imperien so gestalten, dass wir nicht wieder in neue Formen von Herrschaft und Unterdrückung zurückfallen.“

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Annette Hauschild vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!