In Kürze werden wir eine Artikelserie über Kathedralen und was damit zusammenhängt, veröffentlichen. Weit über das Thema hinaus, bietet sich die Gelegenheit, auch die Vorgeschichte dieser Kultstätten, die Besonderheit ihres Standortes, die Symbolik, die Architektur und die Geometrie dieser sakralen Räume, sowie die verschiedenen Berufsgruppen u.a.m. zu betrachten, bis hin zu den Anfängen der „Gotik“, wobei wir allerdings von der romanischen Kunst absehen.

Eine Kathedrale (das altgriechische Wort ‚kathedra’ bedeutet ‚Sitz‘) ist eine Bischofskirche, die Hauptkirche einer Diözese, die von einem Bischof geleitet wird und Sitz eines Bischofs ist. Die ‚Kathedrale‘ behält ihre Bezeichnung, auch wenn das Gebäude in nicht mehr existierenden Bistümern steht. Als wahrhaftiges ‚Buch aus Stein‘, muss eine Kathedrale als Ganzes mit ihren Einzelheiten aus ihrer Zeit heraus verstanden werden, in der nur wenige Menschen lesen konnten. Im Mittelalter war sie außen wie innen mehrfarbig, die Farbe ist Licht. Dank der Fortschritte der digitalen Lichtkunst, werden heutzutage zahlreiche Kathedralen beleuchtet, vor allem im Sommer bei Einbruch der Dunkelheit.

Die gotische Kunst wurde ursprünglich mit der Zivilisation der Goten, d. h. der Fremden, der Barbaren, in Verbindung gebracht. Im Laufe der Zeit wurde diese Bedeutung zur „Kunst des Got, der Kunst des Lichts oder des Geistes“, wie uns J. P. Bayard[1] lehrt.

In seinem Werk „Das Geheimnis der Kathedralen“[2] gibt Fulcanelli eine hermetische Definition: “Die Kathedrale ist ein Kunstwerk des ‚got‘ oder des ‚argot‘; in den Wörterbüchern wird ‚argo‘ definiert als eine besondere Sprache aller Individuen, die ein Interesse daran haben, sich gegenseitig ihre Gedanken mitzuteilen, ohne von den Menschen in ihrer Umgebung verstanden zu werden. Die Argotiers, also diejenigen, die diese Sprache verwenden, sind die hermetischen Nachfahren der Argonauten, die das Schiff ‚Argo‘ bestiegen haben und die Sprache ‚argo’, das ‚Argotische’, sprachen.“

Eine Kathedrale kann auf fünf Weisen ‚gelesen’ werden:

  • Visuell: zugänglich für den profanen Bereich (Laien)
  • Intellektuell: zugänglich für die Reflexion
  • Spirituell und emotional: für die Initiierten (Eingeweihten)
  • Die beiden letzteren sind esoterischer Natur (verborgener Sinn):
    Alchemie und Kabbala

Unsere Überlegungen wären unvollständig ohne detailliertes Eingehen auf einige gotische Kathedralen, wahre Wunderwerke des Einfallsreichtums, der Technik und des künstlerischen Vermögens sind. Dazu gehören:

  • Chartres – mit den alchemistischen Glasfenstern
  • Amiens – ein Monument das alle Rekorde bricht
  • Bourges – das Palais Jacques Coeur
  • Reims – Kathedrale, in der die französischen Könige gekrönt wurden
  • Vézelay – die Basilika der Sommersonnenwende

Auf unserem Rundgang entdecken wir in den Kathedralen die sichtlich wahrnehmbaren raumzeitlichen Dimensionen, die Himmel und Erde zu festen Zeitpunkten vereinen: Fulcanelli beendet sein Werk ‚Das Geheimnis der Kathedralen‘ mit den folgenden Leitworten alchemistischer Weisheit, die mit dem Betreten des sakralen Gebäudes[3] verknüpft sind:

Man muss es wagen ein Heiligtum zu betreten,
um sich mit dem Göttlichen in Einklang bringen zu können
und so die angemessene Rolle zu erkennen, um im Gebet zu kommunizieren.
Es gilt zu schweigen, um in der Stille seiner Seele den Klang der Energien zu vernehmen.
WAGEN – KÖNNEN – ERKENNEN (WISSEN) – SCHWEIGEN.

Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Walter L. Buder vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


[1] Jean Pierre Bayard: La Tradition cachée des cathédrales (Die verborgene Tradition der Kathedralen). Ed. Dangles.
[2] Fulcanelli: Le Mystère des Cathédrales (et l’interprétation ésotérique des symboles hermétiques du grand oeuvre. Paris (chez Jean-Jacques Pauvert) o.J.
[3] Ibid, S. 56.