Der Verlust der Kaufkraft trifft wiederum die Schwächsten am stärksten – ohne dass sie dazu etwas zu sagen haben.

Urs P. Gasche für die Online-Zeitung INFOsperber

In der Schweiz erhöhte sich der Konsumentenpreisindex im Juni 2022 gegenüber dem Vorjahr um 3,4 Prozent, in Deutschland um 7,6 Prozent und in den USA um 9,1 Prozent.

Sollte die Inflation auf dieser Höhe bleiben, ist der Franken – sind die Renten – in nur zwanzig Jahren nur noch halb so viel wert wie heute. In Deutschland würde sich der Wert des Euro sogar in nur neun Jahren halbieren und in den USA der Wert des Dollars in acht Jahren.

Bereits mit ihrer Geldschwemme- und Tiefzinspolitik haben die Notenbanken Sparer und Rentner enteignet und Reiche zu Superreichen gemacht (siehe Teil 1: «Notenbanken enteignen Sparer und machten Reiche zu Superreichen »).

Industriestaaten und viele Unternehmen haben sich wegen der Finanzkrise, wegen der Corona-Krise sowie den Folgen von Krieg und Sanktionen massiv überschuldet. Zusätzlich wollten die meisten Staaten mit zusätzlichen Schulden das Wirtschaftswachstum ankurbeln.

Um die gigantischen Schulden abzubauen, ist eine hohe Inflation politisch der bequemste Weg. Denn es braucht dafür weder einen Parlaments- noch einen Regierungsbeschluss, geschweige denn eine Volksabstimmung.

Inflation: Wer Schulden hat, profitiert. Wer vom Lohn oder einer Rente lebt, verliert

Wenn die Preise für Produkte und Dienstleistungen um 5 Prozent gestiegen sind, sichert selbst eine Lohnerhöhung um 5 Prozent durchschnittlich lediglich die frühere Kaufkraft. Hinken die Lohnerhöhungen der Teuerung hinterher, erleiden die Beschäftigten einen Verlust ihrer Kaufkraft.

Besonders benachteiligt von der Inflation sind Rentnerinnen und Rentner. Denn die AHV erhöht die Renten nur mit Verzögerung und bei den Pensionskassen hängt es von den einzelnen Unternehmen ab, ob sie die Teuerung wenigstens teilweise oder – meistens – gar nicht ausgleichen. Mit einer nominal gleich hohen Rente können die Pensionierten in der Schweiz in 20 Jahren nur noch halb so viel konsumieren, falls die Inflation bei jährlich 3,4 Prozent bleibt.

Die Inflation entwertet auch Erspartes auf Bankkonten. Je grösser die Differenz zwischen der Verzinsung (gegenwärtig null oder negativ) und der Teuerung ist, desto schneller schmilzt das Ersparte dahin. Im Klartext: Auf dem ersparten Geld wird de facto eine Steuer erhoben, ohne dass dies demokratisch beschlossen worden wäre. Das Sparen lohnt sich nicht mehr. Wer kann, rettet sich noch mehr als schon bisher in den Kauf von Sachwerten, also Immobilien und Aktien.

Das Nachsehen haben Leute ohne Vermögen, die weder Immobilien noch Aktien besitzen und auch kein Geld haben, um solche zu kaufen.

Sonderfall Schweiz

Weil die Schweiz mit dem Franken eine eigene Währung hat, kann die Schweizerische Nationalbank eine so hohe Inflation wie etwa im EU-Raum verhindern, indem sie den Franken aufwertet. Das verbilligt die Importe von Heizöl, Benzin und allen anderen Produkten aus dem Ausland. Doch wenn es in der EU zum Crash kommen sollte, kann die Schweiz in den Strudel leicht mitgezogen werden.

Die Quadratur des Kreises

Heute wäre es für Notenbanken (und Regierende) am elegantesten, wenn sie eine Inflation herbeiführen und die Zinsen trotzdem so tief wie möglich halten könnten.

Doch wenn die Notenbanken die Zinssätze weiter zu tief halten, droht die Inflation aus dem Ruder zu laufen.

Sobald aber die Notenbanken zur Bekämpfung der Inflation die Zinssätze stärker erhöhen, droht ein beunruhigendes Szenario: Wegen der gewaltigen Schuldenberge können höhere Zinssätze zu einem Crash führen. Dieses Problem haben sich die Notenbanken selber eingebrockt, indem sie mit ihrer Nullzins-Politik der gigantischen Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privaten Vorschub leisteten.

Erhöhen die Notenbanken die Zinsätze auch nur um wenige Prozent, um die Inflation wie früher wirksam zu bekämpfen, wären hoch verschuldete Staaten wie Griechenland, Italien und Portugal rasch zahlungsunfähig und der Euro ernsthaft gefährdet. Hoch verschuldete Unternehmen, Finanzkonzerne und Immobilienbesitzende wären bald nicht mehr in der Lage, die höheren variablen Zinsen oder die höheren Zinsen für Nachfolgekredite zu zahlen.

Höhere Zinsen würden auch den Verkehrswert von bestehenden Nullzins-Obligationen stark senken. Grossbanken, Versicherungen oder Pensionskassen, welche solche Obligationen in ihren Beständen haben, müssten deren Wert nach unten korrigieren und steckten rasch in der Bredouille.

Aus all diesen Gründen versuchen die Notenbanken, ihre Leitzinsen nur in kleinen Schritten zu erhöhen. Ob dies jedoch reicht, um die hohe Inflation zu senken und den riskanten Schuldenberg abzubauen, ist zweifelhaft.

Möglicher Ausweg aus der Sackgasse

Ein möglicher Ausweg aus der Sackgasse wären geordnete und gestaffelte Schuldenschnitte und eine geordnete Abkehr von einer Wirtschaftspolitik, welche die Probleme der reichen Industriestaaten mit Wirtschaftswachstum, also mit noch mehr Energie, Rohstoffen, Erwerbsarbeit, Konsum und Abfall zu lösen sucht – und seien dazu noch mehr Schulden nötig.

Das bisher oberste Ziel der Wirtschaftspolitik, ein möglichst starkes BIP-Wachstum, gehört in die Mottenkiste des vergangenen Jahrhunderts.