Angesichts der Skepsis und des mangelnden öffentlichen Interesses sowie der innenpolitischen Krisen und von COVID-19 hielten die BRICS-Länder (am 9. September 2021 – Anm. d. Red.) daran fest, einen jährlichen Gipfel durchzuführen, ohne die Anzeichen von Uneinigkeit zu offenbaren, die die Gruppe in den vergangenen Jahren ereilten.

Was also hält den Block der sogenannten Schwellenländer noch zusammen?

Bei dem virtuellen Gipfel erneuerten die Staats- und Regierungschefs von Indien, Brasilien, Russland, China und Südafrika zum dreizehnten Mal das Kooperationsversprechen der Gruppe, bei einer Veranstaltung, die im Gegensatz zu dem vergangenen Jahr ohne Zwischenfälle verlief. Der Summit rief jedoch auch kein großes öffentliches Interesse hervor.

Die Internetabfragen in Bezug auf Meldungen zu BRICS fielen während des Gipfels laut Google Trends auf einen der niedrigsten Stände in der Geschichte der Staatengruppe. Online-Suchanfragen erfreuen sich in der Regel großer Beliebtheit während der Gipfeltreffen, haben jedoch selten so viel Interesse geweckt wie die Konferenz 2014, bei der die BRICS-Vereinigung ihre New Development Bank (NDB) ins Leben gerufen hatte.

Die Skepsis gegenüber dem Fortschritt der BRICS bleibt bestehen. Das Wirken des Staatenblocks begann 2009, in einer Zeit, als die Industriestaaten sich im Griff der Finanzkrise befanden, und es war mit großen – vielleicht zu großen – Erwartungen an das Potenzial der Vereinigung verbunden, die Global Governance neu zu definieren. Heute scheint nicht einmal einer der enthusiastischsten Befürworter von BRICS, der Ökonom Jim O’Neill, der vor zwei Jahrzehnten das Akronym der Gruppe prägte, von den neuesten Entwicklungen beeindruckt zu sein.

„Das anhaltende Versagen des Blocks, durch seinen jährlichen Gipfel eine substanzielle Politik zu entwickeln, wurde immer eklatanter“, schrieb O’Neill nach der Veranstaltung.

Erstes Jahrzehnt des Erfolges von BRICS

O’Neills Enttäuschung rührt von dem her, was er als den „Riesenerfolg“ des ersten Jahrzehnts der vier BRICS-Gründungsstaaten in Erinnerung ruft. 2010 war Südafrika der Gruppe beigetreten.

Im Jahr 2009 war Russland der Gastgeber des ersten BRICS-Gipfels und es wollte als eine aktivere Stimme der Weltwirtschaft in Bezug auf die verheerende Finanzkrise auftreten.

In den ersten Jahren „drängten die Länder auf Reformen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank und boten durch die Schaffung der NDB eine Alternative zur internationalen Finanzordnung“, sagt Karin Costa Vazquez, Mitarbeiterin des Zentrums für BRICS-Studien an der Fudan-Universität (in Shanghai – Anm. d. Red.).

In dieser Zeit bildeten die BRICS-Länder – mit der Ausnahme Russlands – eine entsprechende Basisgruppe, die, nach dem „Scheitern der Industrieländer, eine Klimaagenda zu definieren“ und dem „Zusammenbruch [der COP15] in Kopenhagen“, als eine alternative Stimme bei den  internationalen Klimaverhandlungen galt, meint die ehemalige brasilianische Umweltministerin Izabella Teixeira, die das Amt 2010 bis 2016  innehatte.

„BRICS war ein Umfeld für einen wichtigen politischen Dialog“, sagte Teixeira in einem Interview mit Diálogo Chino. „Es war ein hervorragender Zeitpunkt zur Schaffung von Selbstvertrauen. Es gab eine Informalität im Gespräch zwischen den Ministern.“ Die diplomatische Rolle der Gruppe, so Teixeira, „war absolut wichtig“ in den Verhandlungen, die später im Pariser Abkommen von 2015 gipfeln sollten.

Von da an zeichneten Experten jedoch einen zunehmenden Inhaltsverlust der BRICS als Gruppe, weil wirtschaftliche und politische Krisen die Mitgliedsländer belasteten. Es kam zu einer Rezession in Russland, Südafrika und Brasilien, zu Spannungen zwischen China und Indien und zur kriegerischen Anti-China-Rhetorik von Jair Bolsonaro, der 2018 Präsident geworden war und begonnen hatte, die Umweltpolitik zu demontieren und sich auf der diplomatischen Ebene zu isolieren.

„Das Land hat sich gegen die Welt gestellt“, meint Teixeira.

BRICS bleibt relevant

Obwohl ihre Hochblüte bereits vorbei sein mag, ist BRICS laut Costa Vazquez auch heute noch relevant. „BRICS ist die einzige Plattform, die die größten Schwellenländer der Welt haben, um ihre Positionen zu koordinieren und den fünf Mitgliedern (der Staatengruppe – Anm. d. Red.) Initiativen von gemeinsamen Interesse zu unterbreiten. Dies ist keine Kleinigkeit, wenn wir von mehr als 30 Prozent des weltweiten BIP sprechen“, so die Expertin.

Vazquez argumentiert damit, dass der Multilateralismus des Staatenblocks den wachsenden bilateralen Abkommen gewichen ist, um weiter zu funktionieren. Dadurch ist er flexibler, begrenzt die Zusammenarbeit, wenn die Interessen auseinandergehen, und nimmt sie wieder auf und erweitert sie, wenn sie zusammenkommen.

Da die BRICS-Gruppe nicht als Wirtschaftsblock fungiert, verfügt sie über kein formelles Regelwerk, das ihr Verhalten bestimmt. Die Kosten für eine Mitgliedschaft sind niedrig und die diplomatischen Vorteile sind laut Oliver Stuenkel von der Getulio Vargas Foundation immer noch erheblich.

Stärkere diplomatische Beziehungen können auch den boomenden bilateralen Handel widerspiegeln. Zum Beispiel geht man davon aus, dass der Handel zwischen Brasilien und China 2021 einen neuen Rekord erzielt. Im vergangenen Jahr übertraf der Handel zwischen den beiden Ländern zum ersten Mal die Marke von 100 Milliarden US-Dollar, und im vergangenen Monat hatte er bereits 93 Milliarden US-Dollar überschritten.

Es überrascht nicht, dass Bolsonaro bei dem jüngsten BRICS-Gipfel einen milderen Ton gegenüber China annahm. Unterdessen erklärte Chinas Präsident Xi Jinping, dass die BRICS ungeachtet der Schwierigkeiten eine solide und konstante Zusammenarbeit aufrechterhalten würden.

NDB bietet Hoffnung

Trotz einiger neuer Artikulationen in Bezug auf die geschichtlich bedeutenden Bereiche der Zusammenarbeit, wie etwa bei der Klimaproblematik, gewinnt das Hauptprodukt der BRICS, die NDB, an Dynamik. Paulo Nogueira Batista Júnior, Ökonom und ehemaliger Vizepräsident der Bank (2015 und 2017), hatte die Langsamkeit der NDB kritisiert, Ergebnisse hervorzubringen und ihr Ziel zu erreichen, eine globale Entwicklungsbank zu werden.

Heute sieht Batista Junior jedoch Fortschritte. „In den vergangenen zwei Jahren scheint sich die Bank etwas mehr entwickelt und einige Ergebnisse erzielt zu haben“, sagt er. „Zum Beispiel hat sie Projekte genehmigt, einschließlich der Unterstützungsprogramme zur Bekämpfung von COVID-19, stellte weiterhin Mitarbeiter ein, gründete ihren Hauptsitz, entwickelt sich technisch weiter und begann mit der Ausweitung der Mitgliedschaft.“

Anfang September kündigte die NDB die Aufnahme von Uruguay, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bangladesch an. In den sechs Jahren ihrer Tätigkeit hatte die Bank rund 80 Projekte mit Investitionen von insgesamt 30 Milliarden US-Dollar genehmigt. Die NDB hat den BRICS-Mitgliedsländern zudem zehn Milliarden US-Dollar im Rahmen der Bekämpfung von COVID-19 zur Verfügung gestellt.

„Die Bank ist bereits Teil der Landschaft“, so Batista Junior. Kann man das gleiche auch über die BRICS-Staatengruppe sagen?

Der folgende Artikel von Flávia Milhorance erschien zuerst im englischen Original auf dem Portal Diálogo Chino unter der Lizenz CC BY-NC-SA 4.0 und wird von der EuroBRICS-Redaktion übersetzt wiedergegeben.

Der Originalartikel kann hier besucht werden