„Human Connection“ heißt ein neues soziales Netzwerk, dass Facebook Konkurrenz machen und nebenbei die Welt retten will. Die gemeinnützige Plattform soll ausschließlich von Menschen für Menschen da sein und schließt Parteien genauso aus wie Werbung. Die Gesprächskultur sei dadurch eine andere, meint Dennis Hack, der Gründer des Netzwerks.

Von Armin Siebert, Sputniknews Deutschland

Herr Hack, beginnen wir mit der Gretchen-Frage: was machen sie anders oder besser als beispielsweise Facebook? Warum sollte ich zu „Human Connection“ wechseln?

Der größte Unterschied zu beispielsweise Facebook ist, dass wir ein gemeinnütziges Unternehmen sind. Wir setzen auf die Völkerverständigung und bauen unsere Werkzeuge auch dementsprechend so, dass sie dem Menschen dienen. Ein kommerzielles Unternehmen denkt da natürlich ganz anders. Sie versuchen, die Menschen so lange wie möglich in dem Netzwerk zu halten. Wir wollen, dass die Menschen wieder ins Leben zurückkommen.

Was gibt es beispielsweise für Feature oder Tools, die „Human Connection“ einzigartig machen?

Aktuell in Planung haben wir einen Action-Button, wo man zu jeder Information Aktionen angeboten bekommt. Nehmen wir aktuell Julian Assange, der im Gefängnis sitzt. Da geht es um Demokratie und Pressefreiheit. Über den Action-Button kann man dann beispielsweise eine Petition unterschreiben oder einen Brief an das Gericht schreiben. So etwas wird es auf Facebook kaum geben. Bei uns ist alles an der Gemeinnützigkeit ausgerichtet und werbefrei. Darüber hinaus geht es uns auch darum, ein unabhängiges System von Menschen für Menschen zu schaffen.

Wie finanzieren sie sich?

Wir finanzieren uns durch Spenden. Zurzeit haben wir etwa 2.100 Spender, die uns regelmäßig unterstützen. Das ergibt so 25.000 bis 27.000 Euro im Monat. Damit finanzieren wir die gesamte Organisation, also das IT-Team mit den Programmierern, die Administration, die Spendenverwaltung. Ich kann nur sagen, es funktioniert sehr gut.

Würde ich bei Ihnen als Nutzer bei null anfangen oder gibt es eine Möglichkeit mit meinen digitalen Erinnerungen von einem anderen Anbieter umzuziehen?

Nein, das geht leider nicht. Man müsste sich schon neu anmelden. Es ist ja auch ein anderes Konzept. Wir lassen ja bei „Human Connection“ keine kommerziellen Unternehmen zu. Sie könnten auch als Sputnik bei uns keinen Account eröffnen. Es soll bei uns keine Einflussnahme geben – weder von Politik, noch von kommerziellen Unternehmen oder von Medien. Bei uns sind nur die Nutzer der Spiegel der Gesellschaft.

Und das überprüfen sie auch regelmäßig?

Genau. Wir haben auch immer wieder Accounts oder Posts mit Werbung oder Kaufangeboten sperren müssen. Da weisen uns auch Nutzer drauf hin, die das nicht in unserem Netzwerk haben wollen.

Das ist natürlich ein Aufwand, der immer mehr wächst, das zu überprüfen.

Das kann ich bisher so nicht sagen. Wir haben jetzt knapp 11.000 Nutzer und es ist immer noch relativ ruhig, was das betrifft. Klar gibt es auch bei uns destruktive Menschen und im schlimmsten Fall müssen wir sie rausschmeißen. Aber das haben wir bisher sehr selten. Neunzig Prozent der Meldungen sind wegen kommerzieller Verstöße. Ich glaube, wir haben tatsächlich bisher erst fünf Nutzer sperren müssen.

Woher nehmen sie ihre Standards für eine Sperrung?

Wie auch in anderen Netzwerken, lassen wir keine extremen Beleidigungen zu und alles, was gesetzlich verboten ist. Das ist sicherlich bei jeder Entscheidung ein Spagat, gerade, wenn man frei sein und viele Meinungen zulassen will. Unser Ziel ist tatsächlich, dass unsere Tools eines Tages die Standards setzen. Darüber hinaus ist unsere Community sehr wach und vermittelt und setzt sich dafür ein, dass unsere Standards gewahrt werden. Wir haben auch regelmäßig als Betreiber Meetings mit der Community, in denen wir sehr offen über alles sprechen und uns so weiterentwickeln. Das ist sehr transparent.

Es wird oft gesagt, dass das Internet und vor allem die sozialen Medien eine Jauchegrube sind, wo die Menschen alle Hemmungen fallen lassen. Wie wollen sie Hate Speech und dergleichen verhindern? Oder kommen zu „Human Connection“ nur gute Menschen?

Auf „Human Connection“ finden sich Menschen aus einem komplett linken Spektrum bis hin zu Menschen aus einem eher rechten Spektrum. Und trotzdem hauen sich die Menschen bei uns nicht ständig auf die Mütze. Es gibt bei uns einen deutlich besseren Umgang miteinander und ein breitgefächertes Bild von Meinungen. Wenn wir bereit sind, die Meinung des anderen zu akzeptieren und trotzdem gemeinsam an unsere Kinder zu denken, dann können wir auf einer Ebene zusammenkommen, wo wir sonst ganz viel Spaltung erleben.

Bei „Human Connection“ haben wir eine feste Gruppe von Menschen, die das unterstützt und auch dabeibleibt. Sie glauben an dieses Netzwerk. Es gibt ja auch Millionen Gründe für so ein neues Netzwerk. Und meine Erfahrung ist, dass der Mensch besser ist als sein Ruf.

Meine Erfahrung ist eher, dass es mehr Streit und verfeindete Gruppen im Netz gibt, gerade bei Reizthemen wie, sagen wir, der Ukraine-Krise, Syrien, Trump oder AfD. Ist das bei ihnen tatsächlich anders?

Bei uns schafft die Gemeinnützigkeit den Rahmen, der Einflüsse, sei es durch Kommerzialität oder beispielsweise auch durch politische Parteien verhindert. Dadurch geht es bei uns viel ruhiger zu und funktioniert besser, als ich angenommen hatte. Die Menschen bei uns versuchen, nicht aufeinander rumzuhacken, sondern es besser zu machen.

Die zweite Ebene bei uns ist ja diese Open-Source-Struktur, an der wir arbeiten, und die hat es echt in sich. Ende des Jahres soll es einfach möglich sein, diesen Code zu installieren und sein eigenes Netzwerk aufzubauen. Es geht also nicht nur um „Human Connection“, sondern als Ziel um einen Open-Source-Code, der weltweit von jedem eingesetzt werden kann. Das kann man dann beispielsweise auch einsetzen, um ein Schulnetzwerk einzurichten. So lassen sich die Kinder viel besser schützen, als in kommerziellen Netzwerken. Wenn wir da schnell genug sind, können wir das vielleicht etablieren bevor neue geplante Gesetze greifen, die ja einiges unterbinden sollen und Netzwerkbetreiber quasi zu Handlangern des Staates macht. Soweit sind wir noch nicht, aber man kann bereits erahnen, wo das hingeht.

Ich bin durch ein Interview bei Telepolis auf sie gestoßen, also nicht über klassische Mainstreammedien. Warum Telepolis und nicht Bildzeitung? Zufall?

(Lacht) Ich glaube nicht, dass ihr Publikum so unwissend ist, den Unterschied zwischen diesen beiden Medien nicht zu kennen. Ich weiß nicht, ob ich jetzt zu sehr in den geopolitischen Bereich aushole – Stichwort Atlantik-Brücke, Stichwort Nato. Solche Institutionen haben einen riesigen Einfluss auf Facebook und andere. Diese Netzwerke sind eng verwoben mit der Politik. Wenn sie sich mal einen Tag damit beschäftigen und analysieren, wie die verwoben sind, wird ihnen nur noch schlecht.

Deshalb brauchen wir unbedingt unabhängige Medien, die nicht unter einer bestimmten Direktive laufen, bestimmte Meinungen pushen und die Menschen ständig mit Angst und Panikmache antreiben.

Für mich ist das zum Glück nur noch ein großes Theaterspiel, das mich nicht mehr beeindruckt. Deswegen fokussieren wir uns auf das Produkt und lassen diese Dinge beiseite. Ich weiß, dass ich damit über ein Minenfeld laufe und das wird auch immer so bleiben. Wir machen aber hier einen guten Job in einem gemeinnützigen Rahmen. Wir tun das, was wir für richtig halten – ein ordentliches Netzwerk für die Menschen auf die Beine zu stellen.

Das Interview mit Dennis Hack zum Nachhören auf soundcloud

 

Der Original-Artikel von Armin Siebert erschient erstmals am 18.01.2020 auf Sputniknews Deutschland.