Spanien kommt nicht zur Ruhe. Das Land wir ein ums andere Mal von Korruptionsskandalen durchgeschüttelt, in denen auch immer wieder Mitglieder der Regierungspartei PP (Partido Popular) von Ministerpräsident Mariano Rajoy verstrickt sind.

In den jüngsten Korruptionsfall ist der Justizminister Rafael Catalá Polo verwickelt, doch nicht nur er, sondern auch andere hochkarätige Parteiangehörige, die vorher wichtige Ämter bekleidet haben.

Dazu zählt der ehemalige Präsident der autonomen Region Madrid, Ignacio Gonzalez Gonzalez, der frühere Arbeitsminister Eduardo Zaplana und der Präsident des  Fußballklubs Atlético de Madrid, Enrique Cerezo.

Zum Fall selbst: Gonzalez war während seiner Zeit als Präsident der autonomen Region Madrid dafür verantwortlich, dass das öffentliche und für die Wasserversorgung zuständige Unternehmen Canal de Isabel II mehrere zum Teil marode Wasserversorgungsunternehmen aufkaufte. Allerdings kaufte man zu völlig überhöhten Preisen. Die Differenz wanderte dann in private Geldbeutel.

Nach ersten Ermittlungen soll der Stadt Madrid dadurch ein Schaden von über 23 Millionen Euro entstanden sein.

All diese Machenschaften gerieten ins Visier der Staatsanwaltschaft und schließlich erlaubte ein Richter, das Büro von Gonzalez und die Telefonate aller Beteiligten abzuhören und auch ihre Handys anzuzapfen.

Dabei kam unter anderem heraus, dass man Staatsanwälte und Ermittler mithilfe des Justizministers Rafael Catalá Polo unter Druck setzte, um die Ermittlungen gegen die in den Fall verwickelten Spitzenpolitiker und Funktionäre zumindest zu behindern. Erfolglos: Gonzalez wurde mittlerweile verhaftet. Die Ermittlungen laufen.

Sozialisten halten sich zurück

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Podemos gab zusammen mit anderen Parteien am 28. April eine Pressekonferenz, in der man ankündigte, einen Misstrauensantrag gegen das Kabinett Rajoy zu stellen.

Podemos geht aber noch weiter: Man will außerparlamentarisch durch Massenproteste gegen die Korruption, und damit auch gegen die PP vorgehen. Dazu will Podemos Gewerkschaften, Bürgerbewegungen und NGO’s in den Protest einbindet.

Podemos vertritt die Auffassung, dass sich Spanien in einem sozialen und politischen Ausnahmezustand befindet, der es erfordert, das sich die gesamte Gesellschaft mit diesem Thema auseinandersetzt.

Unklar ist noch die Rolle der spanischen Sozialisten (PSOE). Zwar sind viele wichtige Mitglieder in der Führungsriege der Meinung, dass die PP mit so vielen Skandalen nicht mehr weiter regieren kann, man wagt es jedoch nicht, sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, weil in der Vergangenheit auch PSOE-Mitglieder aufgrund von Korruptionsskandalen ihre Ämter niederlegen mussten.

Hinzu kommt, dass ein innerparteilicher Machtkampf im Gange ist. Susana Díaz, die andalusische Ministerpräsidentin, will zwar auch einen Regierungswechsel, weigert sich aber kategorisch mit Podemos zusammenzuarbeiten. Pedro Sánchez, der Spitzenkandidat bei den letzten Wahlen, hat sich bisher nicht öffentlich geäußert.

In jedem Fall steht die Glaubwürdigkeit der Sozialisten auf dem Spiel, weil sie schon ein Mal versprachen, die PP von Mariano Rajoy nicht zu unterstützen, sich aber dann bei der Regierungsbildung nach den letzten Wahlen der Stimme enthielten und somit die Minderheitsregierung ermöglichten.

Damit zog die PSOE den Missmut vieler Spanier auf sich. Sollte sich die PSOE nicht am Misstrauensvotum beteiligen, dürfte die Glaubwürdigkeit der Partei endgültig dahin sein.

Der Korruption Einhalt gebieten

Julio Anguita, ein Urgestein der spanischen Kommunisten, hat mit einigen Vertretern anderer Parteien den „Frente Civico“ (Zivile Front) ins Leben gerufen.

Diese Bürgerbewegung bietet allen Menschen in Spanien eine Protestplattform, auf der sie ihren Unmut gegenüber der Austeritätspolitik der Regierung und der ausufernden Korruption, die die drei Säulen des Rechtsstaates mittlerweile durchdringt, Ausdruck verleihen können.

Der Frente Civico existiert schon seit 2012 und ist mittlerweile in den meisten Provinzhauptstädten Spaniens angesiedelt. Die Basis der Bewegung beruht auf der Menschenrechtscharta der UNO von 1948, sodass sich die unterschiedlichsten politischen Strömungen auf einen gemeinsamen Nenner zusammenfinden können.

Pablo Iglesias, Generalsekretär von Podemos, sagte in einem Interview mit dem Fernsehsender La Sexta, dass es bei dem Vorschlag eines Misstrauensantrags nicht darum geht, eine bestimmte Partei von der Regierung abzusetzen und durch eine andere zu ersetzen, sondern darum, der Korruption, die Spanien und seine Bevölkerung nun seit Jahren schadet, Einhalt zu gebieten.

Dr. Pablo Iglesia ist Chef der linken Oppositionspartei Unidos Podemos (Bild: Ministerio de Cultura de la Nación Argentina; Flickr.com; CC BY-SA 4.0)

Iglesias spricht für viele Spanier, die den Rechtsstaat und die Demokratie in größter Gefahr sehen, weil selbst Richter noch Staatsanwälte oder andere Ermittler nicht mehr ungehindert arbeiten können. Das und die Einschränkung der Bürgerrechte durch das 2015 erlassene Gesetz zum Schutz der Bürger, welches unter der Bezeichnung „Knebelgesetz“ bekannt ist, zerfressen jede Rechtsstaatlichkeit.

Geduld der Spanier am Ende

Bisher hat sich die Regierungspartei damit herausgeredet, dass es sich um Einzelfälle gehandelt habe. Die Häufigkeit, in der aber immer wieder Korruptionsfälle aufgedeckt wurden, in die Angehörige der PP verstrickt gewesen sind, lässt einen Vergleich mit mafiösen Strukturen durchaus zu.

In der autonomen Region Valencia beispielsweise musste 2016 fast die komplette Regierungsmannschaft zurücktreten, weil zahlreiche Parlamentarier wegen Korruption angeklagt und auch zum größten Teil verurteilt wurden.

Es sind zu oft öffentliche Gelder in dunklen Kanälen verschwunden und die Allgemeinheit ist zu oft durch enorme Kürzungen in sozialen Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Renten gebeutelt worden. Zu viele junge Spanier haben ihre Heimat verlassen müssen, weil sie ohne Jobs und Ausbildungsplätze keine Zukunftsperspektiven mehr sahen.

Nun scheint es mit der Geduld der Spanier zu Ende zu gehen. Der Vorschlag zu einem Misstrauensantrag von Podemos ist nur einer von mehreren Zeichen. Für den 15. Mai sind in den meisten spanischen Städten Protestkundgebungen geplant und es könnte durchaus zu einer Neuauflage des 15M (Bewegung 15. Mai) von 2011 kommen, als Millionen Spanier auf die Straße gingen und die etablierte Politik demonstrierten.

An der Politik änderte es damals unmittelbar zwar nichts, aber Podemos ging aus dieser Bewegung hervor. Mit ihrem Einzug in mehrere Regionalparlamente, das Stellen der Bürgermeister in den wichtigsten Städten Spaniens und mit dem Einzug in das Parlament in der Hauptstadt Madrid, zog auch die Stimme des Volkes in die Parlamente ein.

Den Bürgerbewegungen im Land dürfte dieser Umstand Rückenwind verschaffen und die Solidarität innerhalb der Bevölkerung stärken. Die Vorzeichen stehen jedenfalls auf Massenprotest.

Wie sich diese Entwicklung innerhalb Europas auswirkt, bleibt abzuwarten. Es könnte aber ein Signal sein, sollte sich in Spanien der Block aus Zivilgesellschaft und Parteien, die für einen gesellschaftlichen Wandel und eine soziale Politik stehen, die den Menschen dient, durchsetzen.

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