In Honduras, Guatemala und El Salvador flüchten Hunderttausende von Menschen vor einer Welle der Gewalt, die ein kriegsähnliches Ausmass angenommen hat. Weder die Regierungen der Herkunftsländer noch jene in den Zielländern Mexiko und USA bieten den Menschen auf der Flucht ausreichenden Schutz vor Menschenrechtsverletzungen.

Der Bericht «Home Sweet Home. Honduras, Guatemala and El Salvador’s role in a deepening refugee crisis» von Amnesty International zeigt auf, wie die drei Länder daran scheitern, ihre Bevölkerung zu schützen. Ein marodes Justiz- und Strafverfolgungssystem, korrupte Sicherheitskräfte und rivalisierende Jugendbanden mit hoher Gewaltbereitschaft – sogenannte maras – sorgen in El Salvador, Guatemala und Honduras für rekordhohe Mordraten. Gemäss der Uno gehört El Salvador mit 108 Tötungen pro 100‘000 EinwohnerInnen zu den tödlichsten Ländern ausserhalb eines Kriegsgebietes. Für Menschen, die dieser Gewalt ausgesetzt sind, ist die Flucht oftmals die einzige Möglichkeit, ihr Leben zu schützen.

«El Salvador, Gutemala und Honduras sind faktisch Kriegsgebiete geworden, wo Menschenleben nichts mehr Wert scheint und Millionen in ständiger Angst vor der Gewalt krimineller Banden und der Sicherheitskräfte leben. Diese Menschen sind die Betroffenen der Flüchtlingskrise, die weltweit am wenigsten beachtet wird», sagt Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty.

Die Quellen der Gewalt

Am stärksten von der Gewalt betroffen sind junge Menschen unter dreissig Jahren. Sie machten 2015 über die Hälfte der Gewaltopfer aus. Während junge Männer unter grossem Druck stehen, den maras beizutreten, werden die Mädchen oft gezwungen, den Bandenmitgliedern als «Freundin» zur Verfügung zu stehen und werden sexuell missbraucht.

Gewalt geht häufig auch von den Sicherheitskräften aus. Diese stehen unter Druck, Erfolge im Kampf gegen die maras aufzuweisen und beschuldigen willkürlich junge Menschen krimineller Handlungen. Dabei kommt es auch zu tätlichen Übergriffen und Misshandlungen.

Zunahme der Asylgesuche und Abschiebungen

Die weitverbreitete Gewalt und das Ausbleiben wirksamer Gegenmassnahmen seitens der Regierungen, führten in den letzten Jahren zu einem starken Anstieg der Asylgesuche aus zentralamerikanischen Ländern. Zielländer sind in erster Linie Mexiko und die USA. Die Gesuche aus El Salvador, Guatemala und Honduras sind in den letzten fünf Jahren um das Sechsfache angestiegen und befanden sich zeitweise gar auf demselben Stand wie zu Zeiten, als in diesen Ländern Bürgerkriege herrschten.

Obwohl Menschen, die vor weitverbreiteter Gewalt fliehen, gemäss der Uno-Flüchtlingskonvention und nationalen sowie regionalen Gesetzgebungen als Flüchtlinge gelten, werden deren Gesuche um Asyl sehr häufig abgewiesen. Zwischen 2010 und 2015 stieg die Zahl der Abschiebungen aus Mexiko nach Guatemala, Honduras und El Salvador um 180 Prozent. Derweil spitzt sich die Situation an der Grenze zwischen Mexiko und USA  zu, wo derzeit Hunderte von Menschen festsitzen.

Viele Abgeschobene erwartet der Tod

Viele der abgeschobenen Flüchtlinge sind in ihrem Herkunftsland weiterhin stark bedroht. So erging es auch Saúl. Der 35-jährige Familienvater aus Honduras, dessen Asylgesuch im Juli 2016 von Mexiko abgelehnt worden war, wurde drei Wochen nach seiner Abschiebung ermordet. Als Busfahrer übte Saúl in Honduras einen der gefährlichsten Berufe aus. Ständig bedroht von den maras, floh er im November 2015, nachdem er nur knapp einen Schusswechsel zwischen rivalisierenden Banden überlebt hatte. Zwei seiner Söhne wurden bei der Schiesserei schwer verletzt. Trotz seiner Klage ging die Polizei dem Fall nicht nach und bot Saúl und seiner Familie auch keinerlei Schutz. Als Amnesty Saúl kurz vor seinem Tod traf, war er in grosser Sorge: «Ich habe Angst, dass mir was zustossen wird», sagte er. Saúls Witwe und die fünf Kinder leben unter ständiger Todesangst weiterhin in Honduras.

Amnesty International fordert von den Regierungen El Salvadors, Honduras‘ und Guatemalas, dass sie gegen die grassierende Gewalt vorgehen und ihrer Schutzpflicht nachkommen. Konkret müssen mehr Ressourcen in die Verbesserung des Justizsystems fliessen, die Sicherheitskräfte müssen modernisiert werden und es braucht Pläne, um den Jugendlichen lebenswerte Zukunftsperspektiven zu geben. Im Rahmen eines Programmes, welches die Ursachen der Migration bekämpfen sollte, stellen die USA den Ländern Zentralamerikas mit 750 Millionen US-Dollar beträchtliche Mittel zur Verfügung, um oben genannte Massnahmen umzusetzen.

Der Originalartikel kann hier besucht werden