Das Erdbeben gestern Nacht in Amatrice, Mittelitalien, hat schlimme Erinnerungen wachgerüttelt. Die Narben von l’Aquila, wo es 2009 zu einem ähnlich verheerenden Erdbeben kam und bei dem 308 Menschen ums Leben kamen sowie 67.000 obdachlos wurden, sind noch nicht verheilt. Die vom Staat damals im Stich gelassene Bevölkerung lebt dort teilweise immer noch in Ruinen, das Zentrum gleicht einer Geisterstadt. Letzte Nacht in Amatrice kamen laut Medienberichten mindestens 120 Menschen ums Leben, bis jetzt ist von mehreren tausend obdachlos Gewordenen die Rede.

Manche sagen, das ist halt so, ein Erdbeben, höhere Gewalt, da kann man nichts machen. Andere sagen, es ist Mutter Erde, die sich wehrt. In jedem Fall aber wird es ein Gradmesser sein, wie sich die aktuelle Regierung verhalten wird. Ob es wieder nur leere Versprechungen gibt, Gelder die in oberen Schichten versickern und nie bei den Leuten ankommen, die Schwächsten der Gesellschaft, die am härtesten betroffen sind, alleine gelassen werden. Der neoliberale Kurs von Renzi und seiner Regierung gibt da nicht viel Anlass zur Hoffnung. Aber leider ist das inzwischen mit fast allen Regierungen so und unsere bildet da auch keine Ausnahme.

Doch wir müssen es als Chance sehen, dass wir gerade eines unmenschlichen Systems zum Trotz, das sich schon lange nicht mehr um Menschenleben schert, Häuser wieder aufbauen können, Wunden heilen können, Hoffnung geben können. Wenn wir zusammenhalten, gerade in Zeiten von Not und Leid, werden ungeheure Energien frei. Ein weiser Meister sagte einmal: „Der Mensch muss komprimiert werden, um Großes zu leisten“. Dieser Zeitpunkt ist mit Sicherheit gekommen. Die Menschheit steht unter Druck. Übernahme der Politik durch multinationale Unternehmen, nicht mehr zu leugnender Klimawandel, Abschaffung der Demokratie, Flüchtlingskrise, Kriege und Not… Und in Italien nun die Angst, dass die Menschen wieder mit dieser Katastrophe allein gelassen werden. Es ist auch ein psychologisches Problem: wie kann man Hoffnung haben, wenn die alles bestimmende Politik immer wieder beweist, dass sie nicht vertrauenswürdig ist?

Und doch: gerade das Versagen der Politik, der Medien, die nur noch berichten was opportun ist, des Systems, das Leben in jeglicher Form missachtet, all das führt dazu, dass sich in uns eine gesunde Wut aufbaut. Ein Überlebenswille, eine Bündelung nicht mehr da geglaubter Energien, die nun frei werden. Amatrice ist nur ein Beispiel. Es geschehen schreckliche Dinge jeden Tag überall auf der Welt. Und sie sind alle auch Chancen, die wir nutzen können, um uns jenseits dieses Systems neu zu organisieren, zusammenzuhalten, sich gegenseitig zu helfen, gemeinsam Neues zu erdenken und in die Tat umzusetzen. Alternative Lösungen, neue Strukturen, nachhaltige Lösungen, umweltfreundliche Methoden, Vernetzungen… das sind die Bausteine für die neue Welt. Und der Mörtel wird aus Solidarität, Empathie und menschlicher Wärme gemacht.

Neues kann nur entstehen, wenn Altes sterben darf. Das ist der heilige Zyklus des Lebens. Die Aufgabe lautet nun, sich nicht mehr um Hilfe nach oben umzusehen, sondern uns selber zu organisieren. Unsere kreativen Kräfte zu mobilisieren und zu nutzen. Und weil sie aus unserem Innersten kommen, kann sie uns niemand wegnehmen. Sie hängen nicht von politischen Entscheidungen, Kommissionen oder Board Meetings ab. Sie sind unsere ureigensten Kräfte. Sie kommen aus unseren Herzen, wenn wir sie zulassen. Wir können die Erschaffer und Erbauer unserer Welt sein. Einer neuen Welt jenseits von Geld, Gier und Macht, jenseits von nationalen oder kulturellen Grenzen. Wer schon drin lebt, weiß, wovon ich spreche… Sie existiert bereits in vielen von uns und wer auch nur einmal für einen kurzen Moment diese Welt mit seinem Herzen gesehen hat, wird sich in sie verlieben, sich ihr verschreiben und mithelfen, sie aufzubauen. Und wir werden immer mehr. Überall auf der Welt. Tag für Tag.

 

„We have two choices. We can be pessimistic, give up and help ensure that the worst will happen. Or we can be optimistic, grasp the opportunities that surely exist and maybe help make the world a better place“.                                                                                                                                                       Noam Chomsky