Der Internationale Tag gegen Nuklearversuche ist der richtige Zeitpunkt, um die Bombe zu stoppen.
Ray Acheson
1945 bauten die Vereinigten Staaten die erste Atomwaffe und zündeten sie in den Wüsten von New Mexico. Der Fallout dieser Explosion breitete sich auf 46 US-Bundesstaaten, Kanada und Mexiko aus. Drei Wochen später warf die US-Regierung zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki in Japan ab, wodurch Hunderttausende Menschen, darunter Zehntausende Kinder, getötet wurden.
Seit diesen schrecklichen Tagen im Jahr 1945 haben neun atomar bewaffnete Staaten – China, die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK), Frankreich, Indien, Israel, Pakistan, Russland, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten – weltweit über 2000 Atomwaffen – „Versuche” durchgeführt. Die meisten dieser Länder führten diese „Versuche” ohne die Zustimmung oder das Wissen der lokalen Bevölkerung in anderen Ländern durch – ein Akt des Nuklearkolonialismus.
Das Wort „Versuch” spiegelt den Schrecken, der durch die Zündung einer Atombombe freigesetzt wird, nicht ausreichend wider. Nukleare „Versuche” sind sehr reale Explosionen, die radioaktiven Schutt weltweit freisetzen, Landschaften vernarben und Pflanzen, Tiere, Ozeane, Flüsse und Menschen vergiften. Das radioaktive Erbe dieser nuklearen Detonationen hält über Generationen an.
Aktueller Stand der Nuklearversuche
Heute haben viele der atomar bewaffneten Staaten ihre Versuchsgelände geschlossen und ihre explosiven Versuche eingestellt. Der Internationale Tag gegen Nuklearversuche wurde anlässlich der Schließung des sowjetischen Nukleartestgeländes Semipalatinsk in Kasachstan auf den 29. August 1991 festgelegt. Im Jahr 1996 verabschiedeten die Staaten einen Vertrag, der Nuklearversuche verbietet.
Dieser ist jedoch noch nicht in Kraft getreten, da sich mehrere der atomar bewaffneten Staaten geweigert haben, ihn zu ratifizieren. Viele dieser Regierungen haben angedeutet, dass sie bereit sind, Nuklearversuche wieder aufzunehmen. China, Russland und die Vereinigten Staaten führen nuklearwaffenbezogene Aktivitäten auf ihren ehemaligen Testgeländen durch. Die Vereinigten Staaten haben zudem „subkritische” Nuklearversuche in ihren Labors fortgesetzt. Obwohl diese Art von Versuchen keine nukleare Kettenreaktion oder Explosion verursacht, verstößt sie gegen den Geist des Teststoppvertrags. Die DVRK, die den Vertrag nicht unterzeichnet hat, führte zwischen 2006 und 2017 sechs explosive Nuklearversuche durch. Alle atomar bewaffneten Staaten modernisieren ihre nuklearen Arsenale und geben mehr als 100 Milliarden Dollar pro Jahr dafür aus.
Jenseits der Explosionen
Bei Nuklearversuchen geht es nicht nur um Kettenreaktionen oder Detonationen. Alle mit Atomwaffen verbundenen Aktivitäten verursachen schwere Schäden für Menschen, Tiere, Land und Wasser: vom Abbau von Uran über die Verarbeitung des Brennstoffs und den Bau der Bomben bis hin zur Detonation der Waffen und der Lagerung von radioaktivem Abfall. All diese Aktivitäten haben eine unverhältnismäßig große Auswirkung auf indigene Völker auf der ganzen Welt, indem sie deren Land und Wasser kontaminieren und zu generationsübergreifenden Gesundheitsproblemen führen.
Das Uran, das in den ersten Atomwaffen verwendet wurde, stammte aus Shinkolobwe im (damals so genannten) Belgisch-Kongo, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, und aus Port Radium im Land der Sahtu Dene First Nations am Ufer des Great Bear Lake in Kanada. An beiden Orten wurden dort ansässige Arbeiter gezwungen, in nicht abgesicherten Arbeitsgruppen Bergbau zu betreiben, wodurch ihre Gesundheit schwer beeinträchtigt wurde. Auch heute noch arbeiten indigene Völker und andere Mitglieder lokaler Gemeinschaften für niedrige Löhne an gefährlichen Orten wie Uranminen und nuklearen Brennstoffverarbeitungszentren, welche sich oft in einkommensschwachen Regionen und/oder auf indigenen Territorien befinden.
Auch Nukleartestgelände wurden absichtlich abseits der politischen und wirtschaftlichen Zentren der atomar bewaffneten Staaten errichtet – und zwar auf kolonialisiertem und besetztem Land indigener und rassifizierter Menschen. So zündete die US-Regierung beispielsweise zwischen 1946 und 1958 67 Atombomben auf den Marshallinseln. Dies verursachte sofortigen und anhaltenden Schaden. Das Leid dauert bis heute an, unter anderem aufgrund der undichten, radioaktiv strahlenden Kuppel, in der die Vereinigten Staaten den Abfall aus den Versuchen lagerten. Ähnlich verfuhr die französische Regierung, die von 1966 bis 1996 im sogenannten Französisch-Polynesien über 200 nukleare „Versuche” durchführte und die Bewohner damit verheerenden Gesundheits- und Umweltschäden aussetzte, was die französische Regierung zu verbergen versuchte.
Die indigenen Völker der Vereinigten Staaten sind nach wie vor von enormen Umweltschäden durch radioaktiven Abfall betroffen, beispielsweise durch den Uranabfall, der auf den Gebieten der Diné (Navajo) Nation abgelagert wurde. In Australien hat die Regierung wiederholt versucht, eine Atommülldeponie auf dem Land der Ureinwohner zu errichten, was diese konsequent (und erfolgreich) abgelehnt haben. In Australien wird und wurde Uran auf dem Land der First Nations im Northern Territory und in Südaustralien abgebaut – trotz des Widerstands der dortigen Gemeinschaft.
Das Ende von Nuklearversuchen bedeutet auch das Ende von Atomwaffen.
Nichts von all dem gehört der Vergangenheit an. Seit 1945 hat die Aufrechterhaltung von Theorien, wie die von der nuklearen Abschreckung, die entwickelt wurden, um das andauernde nukleare Wettrüsten zu rechtfertigen, zu bis heute andauernden toxischen Gesundheits- und Umweltauswirkungen – sowie zu toxischen Sicherheitsarchitekturen – geführt.
Achtzig Jahre nach dem ersten Atomwaffenversuch ist die Abschaffung von Atomwaffen der einzige Weg, zukünftige Versuche zu verhindern und Schädigungen durch weitere Aspekte der Atomindustrie zu vermeiden. Es gibt Maßnahmen, die jeder ergreifen kann, als da sind:
Die Forderung nach Wiedergutmachung durch alle atomar bewaffneten Staaten an allen Menschen, die von Atomwaffenversuchen, Bombenentwicklung, Uranabbau und radioaktivem Abfall betroffen sind.
Die Forderung an die Regierungen, niemals wieder oberirdische Atomwaffenversuche durchzuführen, andere Formen von Atomwaffenversuchen, den Uranabbau und die Produktion von Atomwaffen zu beenden, sowie keine Atommüllhalden auf dem Land indigener Völker zu errichten.
Die Aufforderung an die atomar bewaffneten Staaten, ihre Atomwaffenmodernisierungsprogramme unverzüglich einzustellen und die dafür vorgesehenen Gelder für nukleare Abrüstung, für die Stilllegung und die Säuberung nuklearer Standorte sowie für einen gerechten Übergang der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sozial und ökologisch sicheren Industrien umzulenken.
Fordern Sie Ihre Regierung auf, dem Vertrag über das Verbot von Atomwaffen (TPNW) beizutreten. Dieser verbietet alle Nuklearversuche sowie die Entwicklung, den Besitz und die Verwendung von Atomwaffen und alle anderen damit verbundenen Aktivitäten.
Drängen Sie Ihren lokalen Stadt- oder Gemeinderat, sich dem Städteappel der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) zur Unterstützung des TPNW anzuschließen.
Bitten Sie Ihre Abgeordneten und Parlamentarier, die ICAN-Parlamentarier-Verpflichtung zu unterzeichnen und sich für nukleare Abrüstung einzusetzen.
Engagieren Sie sich in der Initiative „Investiere nicht in die Bombe” von ICAN, um Ihr Geld nicht Atomwaffen dienen zu lassen und Ihre Bank, Pensionskasse oder Ihr Finanzinstitut dazu zu bringen, die Finanzierung der Atomwaffenproduktion einzustellen.
Finden Sie heraus, ob die Universitäten in Ihrer Nähe beim Bau von Atomwaffen helfen, und setzen Sie sich dafür ein, die entsprechenden Verträge zu beenden.
Quellen für weitergehende Informationen:
ICANs interaktives Tool zu den Auswirkungen von Atomwaffentests
Moruroa Files: Untersuchung der französischen Atomtests im Pazifik
Radioaktivität unter dem Sand: Der Abfall aus französischen Atomtests in Algerien
Anointed: Videogedicht über US-Nukleartests auf den Marshallinseln
Atomic Steppe: Wie Kasachstan die Bombe aufgab
Über die Autorin:
Ray Acheson ist Organisatorin, Aktivistin und Schriftstellerin. Sie ist Direktorin von Reaching Critical Will, dem Abrüstungsprogramm der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF).
Ray ist Autorin von „Banning the Bomb, Smashing the Patriarchy” (Rowman & Littlefield, 2021). In ihrem neuesten Werk Abolishing State Violence: A World Beyond Bombs, Borders, and Cages (Haymarket Books, 2022) untersucht sie die Verbindungen zwischen Polizei, Gefängnissen, Überwachung, Grenzen, Krieg, Atomwaffen und Kapitalismus und verweist auf laufende Bemühungen von Organisationen für deren Abschaffung.
Quelle: Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF)
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Kornelia Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!









