Die New York Erklärung (29.7.2025) ist das Ergebnis der „hochrangigen internationalen UN Konferenz zur friedlichen Lösung der Palästinafrage und zur Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung“. Sie zeigt einen tauglichen Weg für dauerhaften Frieden für alle in Nahost auf und sieht vor, die Zivilgesellschaft daran zu beteiligen. Fast ein ganzes Jahr gingen hierfür Zusammenkünfte und Gespräche voraus, unter Einbeziehung von Vorschlägen aus der israelisch-palästinensischen und der internationalen Zivilgesellschaft. Die Medien veröffentlichen allerdings davon nur, was für ihre jeweiligen Nationen interessant sein könnte, z.B. dass die Arabische Liga ein Ende der Hamas-Herrschaft fordere. Manche fragen, ob die Anerkennung von Palästina als Staat hilfreich sei. Andere melden lediglich, dass die USA die Konferenz als Publicity-Gag ablehnt und ihr zusammen mit Israel fernblieb. Deutschland war ebenfalls nicht vertreten.
Wie kam es zur Konferenz?
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen entschied auf einer Sondersitzung am 18.9. 2024, eine internationale Konferenz einzuberufen, um die UN-Resolutionen bezüglich der Palästinafrage und der Zwei-Staaten-Lösung zur Umsetzung zu bringen (Resolution ES-10/24). Die Resolution 79/81 vom 3.12.2024 regelte dann die Modalitäten, ernannte Frankreich und Saudi-Arabien zu den Ko-Vorsitzenden der Konferenz und ersuchte den Generalsekretär um inhaltliche und logistische Unterstützung. Möglichst hochrangige Beteiligung von möglichst vielen Staaten war erwünscht. Statt wie zuvor schon so oft lediglich erneut internationalen Konsens zu bestätigen, sollten koordinierte und zeitlich gestaffelte Aktionen zur Implementierung der Zwei-Staaten-Lösung beschlossen werden. Im Fokus stand die Notwendigkeit palästinensischer Staatlichkeit, regionale und internationale Zusammenarbeit sowie die Einhaltung des Völkerrechts.
Dem Ruf folgten Ägypten, Brasilien, Ägypten, Großbritannien und Nordirland, Indonesien, Irland, Italien, Japan, Jordanien, Kanada, Katar, Mexiko, Norwegen, Senegal, Spanien, Türkei, die Europäische Union und die Arabische Liga. Israel und die USA lehnten ihre Teilnahme explizit ab. Deutschland, gemäß deutscher Staatsräson, folgte dem Beispiel Israels. Die USA sprachen von einer „unproduktiven und unpassenden Konferenz„, die reale Friedensbemühungen untergrabe, den Krieg verlängere, die Hamas ermutige und ihre Obstruktion belohne. Der Sprecher des israelischen Parlaments Amir Ohana kommentierte am 30.7.2025, man könne einen palästinensischen Staat ja in Paris oder London gründen.
Parallel zu einer gleichzeitig stattfindenden UN Generalversammlung folgte auf die in der UN-Sondersitzung vom 18.9.2024 gestarteten Initiative direkt und unmittelbar die Gründung der „ globalen Allianz zur Implementierung der Zwei-Staaten Lösung“ am 26.9.2024. 100 Teilnehmende aus 90 Staaten, (darunter 60 Minister:innen und auch Vertreter:innen internationaler Organisationen,) kamen auf Initiative des norwegischen Außenministers Espen Barth Eide (Norwegen spielte die diskrete Vermittlerrolle im Osloer Friedensprozess Anfang der 1990er Jahre.), des Vizepräsidenten der EU-Komission Joseph Borrell Fontelles und des Außenministers von Saudi-Arabien Faisal bin Farhan Al Saud zusammen. Diese Allianz bietet eine Art Schirm für all die Treffen, die auf eine Staatsgründung Palästinas abzielen.
Auf der zur gleichen Zeit stattfindenden UN-Generalversammlung sprach am 27.9.2024 der israelische Premierminister Netanyahu. Er rechtfertigte das israelische Vorgehen in Gaza und hielt dazu zwei Nahost-Karten hoch. Die eine ist mit dem Wort „Fluch“ überschrieben – auf ihr werden Jemen, Libanon, Syrien, Irak und Iran schwarz als die Länder markiert, in denen der Terror dominieren könnte. Die andere zeigt auf, wofür Israel kämpft: die Handelsroute von Indien über die Arabische Halbinsel und Israel als Drehscheibe nach Europa, der India Middle East Europe Economic Corridor (IMEC). IMEC wurde am 9.9.2023 auf dem G 20 Gipfel in New Delhi von den politischen Anführern Indiens, der USA, Saudi-Arabiens, den Emiraten, Frankreichs, Deutschlands, Italiens und der EU ins Leben gerufen.
Der Konferenz in New York im Juli 2025 ging eine Vorbereitungssitzung im Hauptquartier der UN am 23.5.2025 voraus, gefolgt von informellen Konsultationen der acht Arbeitsgruppen, in die Organisationen und Mitgliedstaaten Vorschläge einbringen konnten. Die Titel dieser Arbeitsgruppen sprechen für sich:
Arbeitsgruppe 1: Ein souveräner und geeinter palästinensischer Staat, der in Frieden und Sicherheit neben Israel existiert, Ko-Vorsitzende: Jordanien und Spanien.
Arbeitsgruppe 2: Sicherheit für Israelis und Palästinenser:innen, Ko-Vorsitzende: Indonesien und Italien.
Arbeitsgruppe 3: Narrative für den Frieden, Ko-Vorsitz: Kanada, Mexiko und Katar.
Arbeitsgruppe 4: Wirtschaftliche Lebensfähigkeit des palästinensischen Staates, Ko-Vorsitz: Japan und Norwegen.
Arbeitsgruppe 5: Maßnahmen und Wiederaufbau; Ko-Vorsitz: Ägypten und Vereinigtes Königreich.
Arbeitsgruppe 6: Bewahrung der Zwei-Staaten-Lösung, Ko-Vorsitz: Irland und Türkei.
Arbeitsgruppe 7: Förderung der Achtung des Völkerrechts zur Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung. Ko-Vorsitz: Brasilien und Senegal
Arbeitsgruppe 8: „Friedensbemühungen am Tag des Friedens“, Ko-Vorsitz: Arabische Liga und Europäische Union.
Die letztgenannte Gruppe geht zurück auf einen Beschluss, der von der Arabische Liga, der EU, sowie von Ägypten und Jordanien am 18.9.2023 gefasst wurde, um ein „Peace Day Package“ zu schnüren. Explizit sollen so vorab, also vor Abschluss eines künftigen Friedensabkommens, unterstützende Maßnahmen überlegt und zugesagt werden, die die Friedensdividende für Palästinenser:innen und Israelis in der Zukunft maximieren. Das Paket wird am Friedenstag geöffnet und umfasst Kooperationen zu Politik, Sicherheit, Wirtschaft, Klimawandel und Umwelt, sowie Kooperationen bei humanitären, inter-kulturellen und die Sicherheit der Menschen betreffenden Angelegenheiten.
Zivilgesellschaftliche Beteiligung an der New York Erklärung
Und tatsächlich ist Zivilgesellschaft in diese UN-Friedensinitiative eingebunden worden.
Das Paris Peace Forum veranstaltete dann am 13. Juni 2025 im französischen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltrat (CESE) in Paris ein Treffen von israelischer, palästinensischer, israelisch-palästinensischer und internationaler Zivilgesellschaft zur Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung, für regionalen Frieden und Sicherheit. Man mag vom Paris Peace Forum halten, was man will, wenn man seine Partner:innen betrachtet (z.B. Amazon, Microsoft, die französische Regierung, die EU Komission), aber der „Paris Call for the Two State Solution“ spricht die deutliche GEMEINSAME Sprache zivilgesellschaftlicher Gruppen, deren politische /staatliche Vertreter:innen sich dagegen fortgesetzt bekämpfen. Die Konferenz stand unter der Schirmherrschaft des französischen Präsidenten Macron, zumal Frankreich und Saudi Arabien die bevorstehende UN-Konferenz ja auch anführen werden.
An Macron, an den saudischen Kronprinz Mohammed Bin Salman und alle globalen Führer:innen wendet sich der Aufruf „Paris Call for the Two State Solution“ mit den Forderungen: Beendigung des Kriegs, Schaffung eines umfassenden politischen und sicherheitspolitischen Rahmens für die Region Naher Osten, Unterstützung der Zwei-Staaten Lösung, Einrichtung eines internationalen Fonds für Frieden und für den Schutz der Zivilgesellschaft, Investitionen in ein neues Narrativ und in die kommenden Generationen.
Dass diese Zusammenkunft in Paris zustande kommen konnte, ist vor allem dem Engagement von 160 israelischen, palästinensischen und israelisch-palästinensischen NGOs zu verdanken, die im Netzwerk ALLMEP zusammengeschlossen sind. Sie wandten sich bereits am 3.6.2024 zusammen mit 200 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisation in einem Brief an die Staatsoberhäupter, die sich in Italien zum G7 Gipfel trafen. Auch der Papst und EU-Parlamentarier:innen unterzeichneten die Forderung, Zivilgesellschaft in den Friedensprozess einzubeziehen. Hervorzuheben ist auch, dass Initiativen zur UN Sicherheitsratsresolution 1325 (von 2000) dazu gehörten, z.B. Women Wage Peace und Women of the Sun, bestehend aus israelischen und palästinensischen Frauen, die sich (wie die Resolution 1325 fordert) dafür stark machen, dass Frauen mit am Verhandlungstisch für Frieden sitzen.
Tatsächlich fand sich in der G7-Abschlusserklärung daraufhin der Passus: „Wir bekräftigen unsere Verpflichtung, gemeinsam – und mit anderen internationalen Partner:innen – daran zu arbeiten, unsere Unterstützung für die Friedenskonsolidierung der Zivilgesellschaft eng zu koordinieren und zu institutionalisieren, um sicherzustellen, dass solche Bemühungen Teil einer größeren Strategie sind, um die Grundlage für einen verhandelten und dauerhaften israelisch-palästinensischen Frieden zu schaffen.“
Für die deutsche Regierung unterzeichnete Kanzler Scholz die G7 Abschlusserklärung in Italien; wenn sich die deutsche Zivilgesellschaft zu Israel und Palästina äußert, sollte also auch die jetzige Regierung an diese Zusage erinnert werden, dass Zivilgesellschaft ein Wörtchen mitreden darf im Friedensprozess, mindestens angehört, und gewiss nicht an öffentlichem Auftreten gehindert werden sollte.
Das G7-Versprechen setzte Präsident Macron dann mit der Pariser Konferenz im Juni 2025 um und brachte deren Ergebnis in die Verhandlungen in New York Ende Juli ein.
Amnesty International formulierte am 24.7.2025 eigens ein Briefing und Empfehlungen an die Konferenz in New York und verwendete deutlichere Begrifflichkeiten: Ende des israelischen Genozids, der Besatzung und der Apartheid. Ein Ende der Besatzung fordert auch die New York Erklärung.
Was beinhaltet die New York Erklärung vom 29.7.2025?
Liest man in deutschen Medien, dann war das Besondere der New York Erklärung, dass die Arabische Liga nun klar und deutlich ein Ende der Hamas-Herrschaft forderte (Tagesschau, FAZ, SZ, Die Welt, DIE ZEIT, taz).
Folgende Medien setzen die Nachricht „Implementierung der Zwei-Staaten Lösung“ in den Titel ihrer Artikel: UN News, Anadolu Agency (türkisch), The Guardian (englisch), The Hindu (indisch), Washington Post (US-amerikanisch), Reuters (überwiegend kanadische Nachrichtenagentur), CNN mit Fragezeichen (US-amerikanisch).
Die Times of Israel lässt ihre Leser:innen wissen, dass die USA und Israel eine Teilnahme ablehnten, dass die Hamas aufgefordert wurde, die Waffen niederzulegen, die Arabische Liga den Angriff am 7. Oktober verurteilt und dass eine Zwei-Staaten Lösung propagiert wird. Die Jerusalem Post bringt das US-Urteil, die Konferenz sei ein reiner Publicity-Gag. Die Haaretz wiederum fokussiert, dass mehr und mehr westliche Länder Palästina als Staat anerkennen (wollen). Die Debatte um (den Sinn von) Anerkennung dominiert in den folgenden Tagen in westlichen Medien, denn Frankreich und Großbritannien erwägen, das bei der 30. UN-Generalversammlung im September 2025 zu thematisieren. Zum Zeitpunkt der New Yorker Konferenz hatten bereits 147 von 193 UN Mitgliedsstaaten Palästina als Staat anerkannt. Deutschland, Österreich, die Schweiz, USA, Australien u.a. lehnen das ab, Frankreich hat die Anerkennung angekündigt, Kanada und Großbritannien erwägen sie.
Al Jazeera (arabisch, Sitz in Katar) veröffentlichte Videos mit den Beiträgen der Beteiligten der New Yorker Konferenz, keinen Artikel.
Es fällt auf, wie die Medien das thematisieren, was für die nationalen Interessen ihrer Herkunftsländer relevant erscheint, aber niemand sich die Mühe macht, ALLE 42 Punkte der New York Declaration zu lesen und bekanntzumachen. Ein paar, dabei „übersehene“ Punkte seien hier benannt; es lohnt sich, das gesamte Dokument zu betrachten, weil es umfassend alle für einen Friedensprozess relevanten Probleme anspricht und dabei als Maßstab internationales Recht und die Möglichkeiten der internationalen Gemeinschaft in den Vordergrund stellt.
Schon Punkt 1 besagt, dass es um Frieden, Sicherheit und Stabilität in der ganzen Region geht. Punkt 2 spricht aus, was (viele in der Vorbereitung der Konferenz mit einbezogene) israelisch-palästinensische NGOs sich auf die Fahnen geschrieben haben: „eine gerechte, friedliche und dauerhafte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf der Grundlage der wirksamen Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen und eine bessere Zukunft für Palästinenser:innen, Israelis und alle Völker der Region aufzubauen“. Es geht um gerechten Frieden für ALLE in diesem Konflikt befangenen Menschen.
In den folgenden Punkten der Erklärung wird JEDWEDE Gewalt (gegenüber Zivilist:innen und zivilen Objekten) von egal welcher Partei verurteilt und eine gewaltfreie politischen Lösung als alleinig erfolgversprechend für Frieden und Sicherheit aller benannt. Ziel ist die „Umsetzung eines gerechten und umfassenden Friedensabkommens zwischen Israel und Palästina im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen“ und anderer schon getroffener internationaler Vereinbarungen. (Punkt 7) Das würde dann auch das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge umfassen (UN Resolution 194 vom 11.12.1948). Mit seiner Aufnahme als Mitgliedsstaat in die Vereinten Nationen am 11.5.1949 sicherte Israel zu, alle bereits gefassten und auch alle kommenden Beschlüsse der UN einzuhalten.
Vertreter:innen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) waren auf der Konferenz in New York im Juli 2025 dabei; das Votum der überwiegend westlichen Staatsvertreter:innen geht dahin, dass Palästinenser:innen ihren Staat selbst aufbauen sollen, die PA dafür allerdings reformiert werden müsse. Palästina soll vereint unabhängig werden (also inklusive Gaza). Die Heiligtümer Ostjerusalems sollen weiter jordanisch verwaltet werden.
Zur Absicherung eines dauerhaften Friedens wird eine UN-Mission empfohlen. – Im Anhang an die wichtigsten Punkte sind weitere relevanten Überlegungen und Vorschläge aufgeführt, die von Regierungen und Organisationen an die Ko-Vorsitzenden eingereicht wurden. M.a.W. es handelt sich um eine umfassende Initiative, die in ihrem GANZEN Wortlaut wahrgenommen und umgesetzt werden sollte. Am Ende werden nicht an der Konferenz beteiligte Staaten aufgefordert, sich der New York Erklärung anzuschließen. Die deutsche Regierung hat also auch die Option, ihrem steten Bekenntnis zur Zwei-Staaten Lösung die Tat folgen zu lassen.
Punkt 18 geht auf eine Kultur des Friedens und die Bedeutung von Zivilgesellschaft ein: „Wir haben uns außerdem verpflichtet, Maßnahmen und Programme zur Bekämpfung von Radikalisierung, Aufstachelung, Entmenschlichung, gewalttätigem Extremismus, der zu Terrorismus führt, Diskriminierung und Hassreden auf allen Plattformen und durch alle Akteure zu unterstützen, eine Kultur des Friedens in Schulen, in Israel und Palästina zu fördern und das Engagement und den Dialog der Zivilgesellschaft zu unterstützen.“
Diesen Satz zu lesen, hat mir persönlich gutgetan: eine Anerkennung für unermüdliches zivilgesellschaftliches Engagement und Ermunterung weiterzumachen.









