Der Meeresboden ist weniger erforscht als die Oberfläche des Mondes – selbst wenn diese seit vielen Jahren kolportierte Behauptung inzwischen punktuell nicht mehr gilt, wird damit etwas Treffendes gesagt: Verglichen mit der Oberfläche des Erdtrabanten ist sehr wenig über den Meeresboden bekannt, insbesondere den der Tiefsee. Mit diesem mangelnden Wissen begründet der Umwelt- und Naturschutz, dass die Tiefseeregionen mit ihren außergewöhnlichen Lebensformen unbedingt geschützt werden müssen. Die Industrie dagegen fordert, die dort anzutreffenden Rohstoffe zu heben und der Verwertung zuzuführen.

Auf den ersten Blick schließen diese beiden Positionen einander gegenseitig aus. Doch das punktuelle Erkunden und Erforschen, wenngleich im Zeichen der Nachhaltigkeit und vielleicht sogar langsamer, als es den auf unmittelbaren Nutzen ausgerichteten Wirtschaftsinteressen der Industrie genehm ist, könnte der zukünftigen Wertstoffausbeutung des Tiefseebodens vorausgehen. Ein Widerspruch, der seitens des Umwelt- und Naturschutzes nur durch eine fundamentalkritische Position zu lösen wäre: Uneingeschränktes Verbot, auf Hoher See (auch „Gebiet“ bzw. engl. The Area genannt), also in den Gewässern außerhalb der nationalen Jurisdiktion, Tiefseebergbau zu betreiben.

Jetzt reicht’s! Genug des Zögerns!, lässt sich der Standpunkt Gerard Barrons, CEO des kanadischen Bergbauunternehmens The Metals Company, auf den Punkt bringen. Er will baggern, bohren, schaben – so schnell wie möglich. Die Elektromobilität und grüne Energietechnologien brauchen Rohstoffe, so sein grün ummänteltes Verkaufsargument. Und die Investoren seines Unternehmens scharren schon mit den Füßen und wollen endlich Rendite sehen.

In einer öffentlichen Stellungnahme vom März 2025 nimmt Barron vor allem die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority – ISA) aufs Korn. Sie, die dem UN-Seerechtsübereinkommen zugeordnet und seit ihrer Gründung 1994 für den Ozeanboden auf Hoher See zuständig ist, habe seit vielen Jahren gemeinsam mit einer Reihe von Mitgliedsstaaten und in Kooperation mit Umweltorganisationen verhindert, dass ein Regelwerk zum Meeresbodenbergbau verabschiedet wird, klagt Barron. Obwohl doch nach den Statuten des UN-Seerechtsübereinkommens ein solcher Mining Code längst hätte erstellt werden müssen. Die ISA verletze ihre rechtlichen Verpflichtungen. Man habe es hier mit der „letzten grünen Trophäe“ zu tun, schwadroniert Barron, der der ISA vorwirft, industriefeindlich eingestellt zu sein.

Was das jahrelange Ringen der ISA-Vertragsstaaten um ein Regelwerk, das vor den absehbar weitreichenden ökologischen Folgen des Tiefseebergbaus schützen soll, mit dem Erringen einer „Trophäe“ zu tun hat, erschließt sich wohl nur dem, der sich selbst als Trophäenjäger sieht und es vorzieht, die Sorgen seiner Mitmenschen über die Zukunft eines weitgehend unberührten Ökosystems auf eben solch eine Kategorie zu vereinfachen.

Das UN-Seerechtsübereinkommen besitze kein exklusives Mandat, die Aktivitäten am Meeresboden in der Area zu regulieren, schreibt der TMC-Chef in seiner öffentlichen Stellungnahme. Mehr als zwei Dutzend Staaten hätten das Abkommen nicht unterzeichnet und erkennten das Recht der ISA nicht an. Geradezu pathetisch erklärt Barron: „Die Freiheit, Bergbau am Tiefseeboden zu betreiben, ist wie die Freiheit der Navigation, die Freiheit der Hohen See zum Wohle aller Nationen.“

Ironischerweise werden jene Freiheiten und noch einige mehr in Artikel 87 des von ihm kritisierten UN-Seerechtsübereinkommens festgeschrieben. Doch von der angeblichen Freiheit, Tiefseebergbau zu betreiben, steht dort nichts. Dafür ist die eigens zu diesem Zweck eingerichtete Internationale Meeresbodenbehörde zuständig.

Die Vereinigten Staaten hätten richtig gehandelt, indem sie das UN-Seerechtsübereinkommen nicht unterzeichneten. Und sie besäßen seit 1989 ein komplett ausgearbeitetes Regelwerk, das es US-Bürgern erlaube, die Area zu erforschen und dort kommerzielle Schürfaktivitäten durchzuführen. Mit solchen Aussagen trifft Barron in der US-Administration auf offene Ohren. Die hat längst begonnen, die Chancen für Tiefseebergbau auszuloten. Beispielsweise besuchte Ende März 2025 US-Außenminister Marco Rubio den Karibikstaat Jamaika und sprach dort mit Premierminister Andrew Holness unter anderem über mögliche gemeinsame Projekte zum Meeresbodenbergbau, wie Reuters berichtete. Der Besuch hatte auch deswegen „Geschmäckle“, weil Jamaikas Hauptstadt Kingston Sitz der Internationalen Meeresbodenbehörde ist, die von den USA abgelehnt wird.

Trump torpediert UN-Seerechtsübereinkommen

Am 24. April 2025 dann der Trump-Hammer: Verabschiedung der Executive Order UNLEASHING AMERICAS OFFSHORE CRITICAL MINERALS AND RESOURCES, z. Dt.: Freisetzung Amerikas kritischer Offshore-Mineralien und -Ressourcen.

In seinem präsidialen Erlass stellt Donald Trump fest, dass die Rohstoffe vom Meeresboden für die USA von großer strategischer Bedeutung sind, dass eine Konkurrenz insbesondere zu China besteht und dass der Deep Seabed Hard Mineral Resources Act aus dem Jahr 1980 hinreichend rechtliche Handhabe zur Genehmigung des kommerziellen Abbaus bietet. Über die Empfehlungen für Meeresbodenbergbau in der eigenen nationalen Wirtschaftszone und den Aufruf zur Kooperation mit Partnerländern hinausgehend wird in Abschnitt 3 der Executive Order der Handelsminister aufgefordert, innerhalb von 60 Tagen die Voraussetzungen zu schaffen, um Tiefseebergbau auch in Gebieten „außerhalb der nationalen Jurisdiktion“ genehmigen zu können. Dazu solle er die NOAA einsetzen, die Nationale Ozean- und Atmosphärenadministration.

Mit keinem Wort wird das UN-Seerechtsübereinkommen erwähnt, und doch wird es mit diesem präsidialen Erlass geradezu mittschiffs torpediert. Nach dem Motto: Was kümmert uns der Debattierclub der ISA (an deren Sitzungen übrigens die USA stets als Beobachter teilgenommen haben), wir machen unsere eigenen Regeln. The Area gehört denen, die sie sich aneignen.

Da die Vereinigten Staaten im Zweifelsfall über enorme Gewaltmittel verfügen, um ihre Interessen in der Area zu verfolgen und gegebenenfalls zu verteidigen, könnte das der Todesstoß für das UN-Seerechtsübereinkommen gewesen sein. Andere Staaten könnten folgen und sich von dem Vertragswerk lossagen, sobald sie sich Vorteile davon versprechen, und sei es auch nur, weil sie gegenüber den USA nicht ins Hintertreffen geraten wollen.

Russland wird als möglicher Kandidat gehandelt, sich nicht mehr an das UN-Seerechtsübereinkommen gebunden zu fühlen, zumindest nicht hinsichtlich dessen Bestimmungen zur Arktis. Das sagte Nikolai Charitonow, Vorsitzender des Staatsduma-Komitees für die Entwicklung des Fernen Ostens und der Arktis, gegenüber der Zeitung „Iswestija“ (18.03.2024). Dieser Erklärung war allerdings eine einseitig erklärte Expansion der Vereinigten Staaten in Richtung Arktis und damit über den ihnen zugestandenen Festlandsockel hinaus vorausgegangen.

Mit Sicherheit wird durch die Trump-Regierung jetzt enormer Druck auf die Internationale Meeresbodenbehörde ausgeübt, den Mining Code zu verabschieden, auch wenn noch viele umweltrelevante Fragen ungeklärt sind.

Das UN-Seerechtsübereinkommen war bereits in der Vergangenheit nicht nur von den USA bemängelt worden. Selbst erklärte Befürworter des 1982 beschlossenen Vertragswerks haben zeitgemäße Reformen abgelehnt oder nur behutsam zur Diskussion gebracht. Deswegen hatten die Mitgliedsstaaten 2018 begonnen, nicht über das gesamte Vertragswerk, sondern über einen weiteren Zusatz zu verhandeln. Dadurch sollten die bestehenden Vereinbarungen unangetastet bleiben. Bei Neuverhandlungen des Gesamtvertrags wären vermutlich niemals mehr auch die Interessen wirtschaftlich schwächerer Staaten so weitreichend berücksichtigt worden wie bei der gegenwärtigen Regelung. Am 4. März 2023 wurde schließlich als Zusatz zum UN-Seerechtsübereinkommen das Hochseeabkommen (auch Konvention zur Biodiversität jenseits nationaler Jurisdiktionen – BBNJ – genannt) verabschiedet. Es ist allerdings noch nicht in Kraft getreten und droht, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, sollten sich die USA mit ihrem Vorgehen durchsetzen.

Das „Erbe der Menschheit“ zur Beute

Beim Tiefseebergbau sind drei typische Lagerstätten ins Visier der potentiellen Rohstoffverwerter geraten:

Polymetallische Knollen, auch Manganknollen genannt, die in rund 4000 Meter Meerestiefe auf dem Ozeanboden liegen, zur Hälfte eingebettet in Sedimente. Diese kartoffelartigen Knollen enthalten Mangan, Kobalt, Kupfer, Nickel sowie Seltene Erden. Manganknollen brauchen Millionen von Jahren, bis sie sich gebildet haben. Sogar in dieser lichtlosen und kalten Umgebung, in der ein enorm hoher Wasserdruck herrscht, existiert Leben. Das ist dort nicht besonders üppig verbreitet – Wachstum und Reproduktionsrate der Arten sind sehr gering -, aber das Leben hat sich dort ausgesprochen artenreich entfaltet. Vor zwei Jahren waren im sogenannten Manganknollengürtel, der sich im Pazifik über 5000 Kilometer zwischen Hawaii und Mexiko erstreckt, mehr als 5.500 neue Arten entdeckt worden.

Manganknollen: Dreckiger Schatz auf dem Tiefseeboden (www.bachhausen.de)

In den Zonen mit Manganknollen werden bis zu viermal mehr Lebewesen angetroffen als in Zonen ohne Manganknollen. Diese werden von unterschiedlichen Lebensformen, von Mikroorganismen bis zu Schwämmen, besiedelt. Die Ökosysteme, die sich dort entwickelt haben, sind noch weitgehend unverstanden und damit bleiben auch die möglichen Schadensfolgen eines Tiefseebergbaus unklar.

Experimente zum Einsammeln und Heben von Manganknollen haben jedoch gezeigt, dass die Spuren der Bergbauaktivität noch Jahrzehnte später gut zu erkennen sind und dass die lokalen marinen Ökosysteme weiterhin massiv beeinträchtigt waren. Der großflächige Abbau von Manganknollen würde nicht nur den örtlichen Lebensraum zerstören, es würden sich auch Sedimentfahnen bilden, die weit über die Grenzen des Abbaugebiets hinausgetragen werden. Viele Arten, die ständig das Meerwasser filtrieren, um sich Nährstoffe zuzuführen, kämen mit der plötzlichen Überlast an Sedimenten nicht zurecht.

Zudem sehen die Konzepte zum Meeresbodenbergbau vor, dass die mit den Manganknollen hinaufgepumpten Sedimente wieder ins Meer geleitet werden, beispielsweise über Schläuche in 2000 Meter Meerestiefe. Dann wären diese Sedimente ebenfalls Meeresströmungen ausgesetzt und würden zudem weitere zwei oder mehr Kilometer absinken. Dadurch würde das Leben in der Wassersäule verändert, und auch diese Sedimente würden sich am Meeresboden beispielsweise auf ortsfeste Lebensformen legen, die bisher von solchen verheerenden Einflüssen verschont geblieben waren. Manche Lebewesen werden in der trüben Brühe womöglich unter Orientierungslosigkeit leiden und es nicht schaffen, rechtzeitig zu fliehen. Anderen könnte dies zwar gelingen, doch hätten sie ihren angestammten Lebensraum verloren und wären den stets drohenden Fressfeinden in diesen lichtlosen Regionen ausgeliefert.

Erst vor wenigen Jahren hat man entdeckt, dass an Manganknollen Sauerstoff freigesetzt wird. Möglicherweise ist das eine der Voraussetzungen dafür, dass sich überhaupt Leben unter diesen extremen Bedingungen halten konnte. Was aber würde geschehen, entzöge man endgültig auch nur einen Teil dieser potentiellen Überlebensvoraussetzungen?

Die Fläche des Manganknollengürtels, der auch Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) genannt wird, ist größer als die der Europäischen Union und wird punktuell erforscht, weil es sich um die weltweit größten Vorkommen von Manganknollen handelt. Ausgerechnet hier will Gerard Barron seine Ernte einfahren. Er verheißt der US-Administration, sie könne sich von Importen an Mangan, Eisen und Nickel und teilweise auch Kupfer unabhängig machen und den Konkurrenten China übertrumpfen.

Eine weitere Kategorie von marinen Rohstofflagerstätten, die die Begehrlichkeiten der Industrie geweckt haben, sind Kobaltkrusten. Sie haben sich im Laufe von Jahrmillionen durch Ablagerungen von Metallverbindungen an den Hängen vulkanischer Seeberge gebildet. Neben Kobalt enthalten die Krusten auch Eisen, Mangan, Nickel und andere Metalle. Kobaltkrusten entstehen häufig in sogenannten Auftriebsgebieten, was in der Regel bedeutet, dass sie einen Lebensraum für besonders viele Meeresbewohner bieten. Der Bergbau in diesen strömungsstarken Gebieten würde Sedimentfahnen erzeugen, die dann näher an die Meeresoberfläche verfrachtet werden. Damit gerieten sie womöglich in Regionen, in denen bereits Fischfang betrieben wird.

Als dritte Hauptkategorie für marine Rohstoffe gelten Massivsulfide. Das sind Ablagerungen mineralienreicher Fluide aus sogenannten Schwarzen Rauchern. Aus diesen noch aktiven hydrothermalen Schloten strömt stetig heißes, mineralienreiches Wasser aus dem Meeresboden. Es enthält neben Schwefel auch Kupfer, Zink, Eisen, Gold und Silber. Selbst wenn sich der Bergbau mit den nicht mehr aktiven Schloten begnügen würde, wie es in manchen Konzepten beschrieben wird, wären davon die marinen Ökosysteme im Umfeld ebenfalls schwerwiegend betroffen.

Tiefseebergbau im Dunkeln

Ironischerweise behaupten Industrievertreter wie Barron, dass es für die Umwelt schonender sei, Bergbau am Tiefseeboden zu betreiben, als an Land. Das kann aber nur jemand sagen, für den die Untersuchungen potentieller Umweltfolgen abgeschlossen sind und der die Augen sowohl vor den vielen offenen Fragen als auch den Ergebnissen bereits geleisteter Studien verschließt. Eines aber ist sicher: Unternehmen, die in mehreren Kilometern Meerestiefe Schürfaktivitäten entfalten, können weniger gut überwacht werden als an Land. Ein Argument, das Wohlklang in den Ohren der Investoren erzeugen dürfte.

Die Internationale Meeresbodenbehörde beispielsweise hätte gar nicht das Personal, um in dem von ihr verwalteten Gebiet, das rund 42 Prozent der Erdoberfläche umfasst, Tiefseebergbau zu kontrollieren. Wenn jetzt die Vereinigten Staaten selbstmandatiert loslegen, bestimmen sie auch die Regeln, nach denen Umweltschäden noch akzeptabel sind. Was von einer Regierung zu erwarten ist, die umfangreiche Gelder für Klima- und Umweltschutz gestrichen, zahlreiche Stellen abgebaut und weitere Forschungen auf diesen Gebieten verboten hat, muss hier nicht näher ausgeführt werden.

TMC-Chef Barron behauptet, dass sein Unternehmen die Umweltauswirkungen des Tiefseebergbaus selber überwachen würde. Sicherlich hat diese Erklärung die gleiche Glaubwürdigkeit wie die des Ziegenbocks, dem die Aufsicht über die Salatbeete im Gemüsegarten zugesprochen wird …

Es zeugt von gewisser Brüderlichkeit im Geiste, wenn sich TMC-Chef Barron an die Trump-Regierung wendet und sie bittet, ihn am geplanten Raubzug in den Weltmeeren teilhaben zu lassen. Die ausgesuchte Beute ist nichts Geringeres als „das Erbe der Menschheit“ – als das anerkannt zumindest von den Unterzeichnerstaaten des UN-Seerechtsübereinkommens.

Auf Schmeichelkurs

Anscheinend hat Barron mit seiner Strategie Erfolg. Am 29. April 2025 durfte er seinen Standpunkt vor einem Unterausschuss des US-Kongresses, dem House Natural Resources Subcommittee on Oversight and Investigations, darlegen. Das Thema des Tages lautete: „Exploring the Potential of Deep-Sea Mining to Expand American Mineral Production“, z. Dt.: Erkundung des Potentials von Tiefseebergbau zur Erweiterung der amerikanischen Mineralienproduktion. Dabei umschmeichelt Barron seine Gastgeber mit Worten wie:

„Mit Mineralien vom Meeresboden kann Amerika die kritische Abhängigkeit von Mineralien beenden, die Führungsrolle bei Offshore-Innovationen zurückgewinnen, Generationen von amerikanischen Ingenieuren, Wissenschaftlern und Seeleuten inspirieren, über 100.000 amerikanische Arbeitsplätze schaffen und ein BIP von über 300 Milliarden Dollar erwirtschaften.“ (The Metals Company, 05.05.2025)

In seinem Redemanuskript zum Treffen mit dem Unterausschuss schreibt Barron, man habe im Laufe der Jahre gelernt, dass eine konsensgetriebene, multilaterale Organisation wie die Internationale Meeresbodenbehörde keine Konstruktion ist, die einen tragfähigen Mining Code verabschieden oder als Aufsichtsorgan agieren kann.

Ebenfalls am 29. April dieses Jahres hat die US-Tochter des Unternehmens TMC in den USA eine Lizenz für Tiefseebergbau in Gewässern außerhalb der nationalen Jurisdiktion beantragt.

Die Entscheidung der US-Regierung für Meeresbodenbergbau innerhalb und außerhalb der eigenen ausschließlichen Wirtschaftszone kommt zu einer Zeit, in der die Weltmeere bereits deutliche Veränderungen erfahren, die zu einer künftigen Verknappung der Fischfangmengen beitragen könnten.

Die Ozeane versauern in Folge der nicht nachlassenden anthropogenen Kohlenstoffdioxidemissionen, sie verlieren an Sauerstoff und erwärmen sich. Die Hälfte der von Weltmeeren eingenommenen Fläche erfährt zunehmend länger anhaltende Hitzewellen. Fische versuchen in kühlere Gewässer abzuwandern. Wichtige Meeresströmungen wie der Nordatlantikstrom drohen zu versiegen.

Wenn das UN-Seerechtsübereinkommen nicht mehr gilt, sind auch internationale Fischereiabkommen und andere mit der Nutzung der Weltmeere verbundene Verträge gefährdet. Trumps Ablehnung der Welthandelsorganisation (WTO) ist hinlänglich bekannt. Es ist zwar möglich, dass seine Regierung ein neues WTO-Abkommen zur Begrenzung von Fischereisubventionen benutzt, um dem Rivalen China an den Karren zu fahren, aber die America-First-Regierung wird sich keinen Regeln einer multilateralen Organisation wie der WTO und damit auch keinem Vertrag, der den eigenen Fischfang begrenzt, unterwerfen.

Als Konsequenz aus dem unilateralen Vorstoß der USA in Richtung Tiefseebergbau in der Area könnte auch das oben erwähnte internationale Abkommen zum Schutz der marinen Biodiversität in der Hochsee (BBJN), das von den USA sowieso nicht anerkannt wird, kippen. Zumal Donald Trump am 17. April in einer anderen Executive Order (RESTORING AMERICAN SEAFOOD COMPETITIVENESS, z. Dt.: Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Meeresfrüchte) angekündigt hat, die USA zur führenden Fischfangnation machen zu wollen. Eine der beschlossenen Maßnahmen besteht darin, das Pacific Remote Islands Marine National Monument, ein über eine Million Quadratkilometer großes Meeresschutzgebiet westlich von Hawaii, für den kommerziellen Fischfang zu öffnen.

Das ist ziemlich kurzfristig gedacht, denn Meeresschutzgebiete begrenzen nur vordergründig den Fischfang. Da sich die Bestände in den Schutzgebieten erholen, wandern die Fische auch über die fiktiven Grenzen hinaus in Regionen, in denen dann Fischfang betrieben werden darf.

Nahrungsnot – Grenzen des Wachstums

Die Meere stellen einen wichtigen Nahrungslieferanten dar. Fischerei und Aquakulturen liefern inzwischen rund 15 Prozent der tierischen Proteine, heißt es in dem SOFIA-Report 2024, dem aktuellsten Statusbericht der FAO. In manchen Ländern Asiens und Afrikas machen sie sogar über 50 Prozent der Nahrung aus.

Aus den Weltmeeren ist nicht viel mehr Fisch herauszuholen als gegenwärtig. 50,5 Prozent der angelandeten Fangmenge werden nach dem Kriterium des „maximalen nachhaltigen Dauerertrages“ (maximum sustainable yield, MSY) befischt. Würde man darüber hinausgehen, ließe dies die Bestände schrumpfen. Lediglich 11,5 Prozent haben den MSY-Wert noch nicht erreicht; theoretisch wäre hier eine Steigerung denkbar. Aber 37,7 Prozent der Fischfangbestände sind entweder überfischt, bereits zusammengebrochen oder müssen sich noch regenerieren. Jener rote Bereich hat in den letzten Jahren weiter zugenommen, schreibt die FAO. Der Trend weist also in Richtung Mangel und nicht in Richtung Produktivitätssteigerung.

Trumps Executive Order, in der er den Meeresbodenbergbau innerhalb der eigenen marinen Wirtschaftszone wie auch auf Hoher See forciert, steht in einer Reihe mit weiteren Erlassen und Maßnahmen, durch die die Lebensqualität und Überlebensvoraussetzungen vieler Menschen gefährdet werden. Das betrifft nicht zuletzt die eigene Bevölkerung. Wie in frühindustriellen Zeiten werden sich in den USA die Lebens- und Arbeitsverhältnisse verschlechtern. Schon heute leiden mehr als 47 Millionen Menschen in den USA Hunger, meldet „Feeding America“. Betroffen sei auch jedes fünfte Kind.

Weltweit sind 600 Millionen Menschen chronisch unterernährt, viele Millionen von ihnen sterben jedes Jahr, weil sie nicht genügend zu essen haben. Die Weltmeere als Proteinlieferanten bilden ein wichtiges Standbein der sowieso schon ganz und gar ungenügenden Ernährungslage der Menschheit. Jedes Prozent, das die Ozeane an Potential verlieren, Nahrung bereitzustellen, würde den globalen Nahrungsmangel erhöhen. Den Meeresboden umzupflügen und geologische Strukturen abzubaggern dürfte einer der Einflussfaktoren werden, die dazu beitragen, dass die Nahrungsnot wächst.

Wenn sich nun die US-Regierung über die berechtigten Bedenken hinsichtlich des Tiefseebodenbergbaus hinwegsetzt und sie für nichtig erklärt, setzt sie sich in der Konsequenz über die Überlebensnot vieler Menschen hinweg.

Die absehbaren Umweltfolgen sind schon verheerend genug – von den zu erwartenden noch unbekannten Risiken ganz zu schweigen. Dem generellen Rollback in der Klima-, Natur- und Umweltschutzgesetzgebung der Trump-Administration liegt eine Politik zugrunde, bei der sich die Wohlhabenden und gesellschaftlichen Funktionseliten weitreichender denn je von der übrigen Gesellschaft absetzen, einer Gesellschaft, die ihnen überhaupt erst die Inanspruchnahme solcher Privilegien ermöglicht hat.

Das gemeine Volk dagegen wird mit einer riesigen Portion an Ideologie und Religion abgespeist. Es lässt sich aber auch bereitwillig abspeisen und jubelt zu Phrasen wie „Make America Great Again“, mache Amerika wieder großartig! Worauf bezieht sich das „Wieder“? Etwa auf die Zeit, als weiße Invasoren die ursprüngliche Bevölkerung des nordamerikanischen Kontinents weitgehend ausgerottet und den verbliebenen Rest in Reservate gesteckt haben?

Die Vereinigten Staaten haben einen selbstverliebten Lügenbold zum Präsidenten gewählt, anscheinend nicht trotz seiner charakterlich miesen Art, sondern wegen ihr. Ob seinem Versprechen, mit dem Washingtoner Establishment aufräumen zu wollen, geglaubt wurde oder nicht – ein Blick in die golden-prunkvolle Suite im New Yorker Trump Tower, in deren Glanz sich der Narziss so gerne ablichten lässt, hätte eigentlich genügen müssen, um zu erkennen, dass unter Trump alles so bleiben wird wie immer – nur schlimmer.

Tiefseebergbau erfordert hohe Investitionen. Damit sich der Maschinenpark amortisiert, muss man davon ausgehen, dass mit Trumps Executive Order der Startschuss für langfristig angelegte Projekte gegeben wurde. Die beteiligten Unternehmen werden vermutlich nicht so schnell wieder aufhören, sobald sie ihre stählernen Zähne in den Meeresboden versenkt haben. Und es sind keineswegs nur die USA unter Donald Trump, die sich auf den Bergbau in der Tiefsee vorbereiten. Auch beispielsweise die Europäische Union fördert millionenschwere Forschungsprojekte und die Entwicklung von Schürftechnologien für die Tiefsee. Der Unterschied zu den USA besteht darin, dass sich die EU der Internationalen Meeresbodenbehörde und damit dem Multilateralismus verpflichtet hat.

Der geplante Tiefseebergbau könnte sich zu einem weiteren Feld entwickeln, auf dem die Nationalstaaten um kurzfristiger Vorteile willen zu Lasten der Umwelt miteinander konkurrieren. Ein einzelnes Bergbauprojekt am Tiefseeboden wird noch nicht die Welternährung gefährden. Aber umgekehrt setzt sich der globale Nahrungsmangel aus vielen einzelnen solcher politischen Maßnahmen, mit denen die existentielle Not von Menschen missachtet wird, zusammen. Die Umweltauswirkungen von Meeresbodenbergbau werden unumkehrbar sein. Wer auch immer sich am gemeinsamen Erbe der Menschheit bereichert, ob im Alleingang oder in Gemeinschaft, tut dies auf Kosten zukünftiger Generationen.

28. Mai 2025

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 183 vom 5. Juli 2025

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