Wut ist eine große Kraft. Und wie es scheint, erhält sie in 2025 weltweit noch viel mehr Bühne als bisher. Und so kam mir heute der Impuls, der Wut für dieses Jahr ein wenig Geleit zu geben. Voilà!

Wut ist vielleicht die in unserer Kultur am meisten missverstandene Emotion. Zu Unrecht, wie ich meine. Denn, sobald wir ein wenig genauer schauen, ist jede Emotion wertvoll. Und Wut ist ein besonderes Kraftpaket. Doch wie alle Emotionen ist sie uns zunächst einmal nur Indikator für den Zustand unserer Verbindung mit uns selbst in einem Moment. Ja, Du hast richtig gelesen. Unsere Emotionen zeigen uns den Zustand unserer Verbindung mit unserem Inneren Wesen, unserer Seele in jedem Moment an. Alles, was sich nach Enge und Schwere anfühlt ist in der Sprache unseres Körpersystems ein „Achtung, ich bewege mich gerade aus meiner Verbindung mit mir!“ Alles, was sich nach Weite, Leichtigkeit und Freiheit anfühlt ist in der Sprache unseres Körpers ein „Ja, hier gehe ich gerade in Richtung Verbindung mit mir selbst!“ Dies ist ein neutraler und präziser Mechanismus ähnlich unserer Tankanzeigen im Auto. Dabei kann Wut sich sehr befreiend und nach enorm viel Weite anfühlen. Und das ist sie. Auf der Skala der Energien bietet sie den Aufstieg aus Trauer/Depression/Machtlosigkeit hinauf zu mehr Lebendigkeit auf höheren Frequenzen. Dieser Effekt geht jedoch verloren, wenn wir uns der energetischen Zusammenhänge nicht bewusst sind, und Wut als Waffe nach Außen und gegen andere Menschen einschließlich uns selbst einsetzen.

Aus derselben Waffenkammer kommt ein Verhalten, dass stets beschwichtigt, lächelt oder stur rationalisiert, egal, wie wild, taub, heiß, kalt oder erstarrt es sich gerade im eigenen Körper anfühlt. Oft treffen beide Verhaltensweisen in unserer westlichen Kultur auf einander. Sie sind energetische Zwillinge. In Wahrheit haben alle, die diese Energien standardmäßig ausleben, Angst vor der echten Begegnung, vor dem Sich-Wahrhaftig-Zeigen, und dem Risiko, in der eigenen Wahrheit vom anderen nicht mehr geliebt oder akzeptiert zu werden. Je abhängiger wir uns in einer Beziehung fühlen, umso größer ist diese (unbewusste) Angst. Als wir Kinder waren, hatten wir oft keine Wahl. Wahrhaftig sein, wurde meist nicht akzeptiert und sogar geahndet. Und umgekehrt. In der Regel wusste überhaupt niemand in unserer Nähe mehr, was Wahrhaftigkeit bedeutet.

Wahrhaftigkeit, wie ich sie in den letzten 30 Jahren verstehen durfte, ist keine Haltung, die einem anderen Menschen die Schuld oder Verantwortung für das eigene Gefühl, die eigenen Gedanken oder das eigene Verhalten gibt, oder die ihn verändern will – egal wie sehr der andere mich triggert. Wahrhaftigkeit bedeutet, für alle Emotionen und Gedanken im eigenen System Verantwortung zu übernehmen und damit zunächst einmal ehrlich mir selbst gegenüber zu werden. Dann gut für mich zu sorgen, bis mein System sich beruhigt hat. Und schließlich neugierig zu werden auf das, was sich da in mir abspielt! Ich nenne das Alle-Energie-Zu-Mir-Zurückholen. Sobald ich das tue, komme ich in immer mehr Kraft und kann gerade Wut als Treibstoff für das Erreichen höherer Ebenen der Lebendigkeit, Freude und Verbindung mit mir selbst nutzen. Alle anderen bleiben damit aus der Schusslinie. Und wenn ich zurückkomme, bin ich mir meiner selbst ein Stück mehr bewusst (das ist übrigens Selbstbewusstsein) und kann mich klarer und friedlicher mitteilen, gesundere Grenzen setzen und mich wahrhaftiger mit meiner Umgebung teilen.

Ja, es braucht Übung und Geduld, wenn wir uns Wutanfälle oder ihre Unterdrückung schon seit Jahrzehnten – vielleicht seit Generationen – zur Gewohnheit und unbewussten Strategie gemacht haben. Doch allein die Erkenntnis dessen, was sich in mir abspielt und die Entscheidung, neugierig zu werden und sich auf innere Forschungsreise zu begeben, produziert einen unwiderruflichen Shift in unserem System. Die Wut darf plötzlich sein. Sie erfährt Respekt und Offenheit. Von mir selbst. Das bedeutet Waffenstillstand im eigenen Körper und Verstand. Und damit kann der Friedensprozess beginnen. Wir spüren es sofort, wenn der Körper anfängt, sich zu entspannen und die Gedanken plötzlich ruhiger und friedlicher werden.

Wenn wir hingegen Wut gewohnheitsmäßig ausagieren oder darauf bestehen, dass sie „um des lieben Friedens willen“ oder „des Anstands/der Ehre wegen“ unterdrückt werden muss, nähren wir einen Zyklus von Schuld und Scham und damit einen endlosen Kreislauf von Angriff und Verteidigung, Demütigung und Trennung. Manchmal ist es für Menschen in solchen Situationen geboten, für räumlichen Abstand zu sorgen. Manchmal für immer. Insbesondere Liebesbeziehungen und Partnerschaften jeder Art sind, nach allem, was ich heute weiß, gedacht als ein lebendiger, gemeinsamer Fluss, in dem die Beteiligten sich mit Leichtigkeit verbunden und frei fühlen können und ganz selbstverständlich zur gegenseitigen Ausdehnung beitragen. Und es macht aus meiner Sicht keinen Sinn mehr, sich mit weniger zufriedenzugeben. Wozu? Ein Wachwerden für das, was uns bewegt und ein Hinwenden nach Innen zu uns selbst, wo wir alle Macht der Welt haben, die Dinge in uns zu klären und zu verändern, ist in jedem Fall immer möglich. Und sehr empfehlenswert. Denn egal wo wir hingehen, nehmen wir uns selbst mit.

Es rechnet sich nicht, Wut als Waffe einzusetzen. Weder betriebswirtschaftlich, volkswirtschaftlich, geopolitisch, familienintern oder in irgendeinem anderen Zusammenhang oder Berechnungskontext. Ebenso wenig, wie es sich lohnt, sie zu unterdrücken. Wut ist uns Indikator und Treibstoff. Sie als Waffe zu verwenden ist ebenso sinnlos und unproduktiv, wie wenn wir Weltraumraketen nutzten, um damit unsere Fußböden zu wischen. Es ist sehr befreiend, diese Zusammenhänge zu verstehen. Unsere Emotionen sind keine Indikatoren für irgendeine scheinbare Realität außerhalb von uns. Die einzige Realität, die sie anzeigen, ist die Distanz oder Verbundenheit zwischen mir und mir in einem Moment. Daher ist unsere Bereitschaft zu fühlen so lebenswichtig. Unser Emotionalsystem ist für die Navigation durch unser Leben und unsere Beziehungen ebenso unerlässlich wie das Flugnavigationssystem für eine Boeing auf 10.000 m Flughöhe. Ohne verzichten wir auf große Stabilität und Orientierung mit Leichtigkeit. Und Fühlen findet ausschließlich im Körper statt. „Ich habe das Gefühl, dass Du mir nicht zuhörst, ist kein Gefühl, sondern ein Gedanke. Und das wahrhaftige Gefühl hinter einer Äußerung wie z.B. „Ich fühle mich nicht respektiert.“ ist Wertlosigkeit. Andauernde negative Gedankenspiralen und das entsprechend fortlaufende Feedback unseres Emotionalsystems, das diese bedingen, können zum Erleben großer innerer und äußere Dramen führen. Irgendwann lässt sich dann auf keiner Sachebene mehr einvernehmlich nachvollziehen, wie alles begann, worum es eigentlich ging. Denn Drama bedeutet immer einen Zustand geistiger Umnachtung.

Wut ausagieren oder unterdrücken ist unsagbare Ressourcenverschwendung, wenn es um unsere Lebendigkeit, Vitalität, Liebesfähigkeit, Produktivität und Genialität geht. Und die sogenannten Kollateralschäden sind grenzenlos. Ich werbe für Respekt für und bewussten Einsatz von Wut als Treibstoff in Richtung höherer Bewusstseinsebenen und mehr Wahrhaftigkeit. Ich werbe auch für Wohlwollen und Mitgefühl für uns selbst und andere in diesen Zuständen – insbesondere gegenüber unseren Kindern und Jugendlichen. Und last but not least werbe ich für klare Grenzen, die die Integrität ALLER Beteiligten wahren, während wir uns aus unseren alten, unbewussten Wut-, Rationalisierungs- und PiepPiepPiepWirhabenunsallelieb-Automatismen herausentwickeln.

What a ride!!!

Für Cleo

Über die Autorin:
Claudia Shkatov verbrachte 20 Jahre im internationalen Management, bevor sie sich nach einer Erwachenserfahrung im Jahr 2010 den inneren Wissenschaften widmete. Seitdem begleitet sie als Mentorin, Spirituelle & Energetische Strategin und Autorin wache Menschen in Familien, Wirtschaft und Politik durch wesentliche Klärungs- und Veränderungsprozesse. Ihre Kernthemen sind Soul Integrity sowie Leadership, Partnership und Power Led By Soul. Claudia ist Mutter dreier Söhne und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Berlin. www.claudiashkatov.com

Der Artikel erschien erstmals bei newslichter – Gute Nachrichten online.