Katar unternimmt weiterhin nicht genug, um Missstände zu beseitigen und Arbeitsmigrant*innen angemessen vor Ausbeutung zu schützen. Ein Jahr nach der Fussball-WM bleiben die Zusagen zur Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte vage.

Ein neuer Amnesty-Kurzbericht mit dem Titel A Legacy in Jeopardy zeigt, dass bei der Verbesserung der Rechte der Arbeitnehmer*innen seit dem Ende der Fussballweltmeisterschaft der Männer in Katar kaum Fortschritte gemacht wurden. Entschädigungen und Gerechtigkeit für Hunderttausende von Arbeiter*innen, die im Zusammenhang mit der WM Opfer von Menschenrechtsverstössen wurden, bleiben nach wie vor aus. Begrenzte Fortschritte in einigen wenigen Bereichen werden durch das Fehlen von Massnahmen zur Bekämpfung einer Vielzahl von anhaltenden Missständen und Verstössen überschattet.

«Das anhaltende Versäumnis Katars, seine im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft eingeleiteten Arbeitsreformen ordnungsgemäss durchzusetzen, gefährdet ernsthaft jede potenzielle Verbesserung der Situation von Arbeitnehmer*innen. Die Regierung muss dringend ihre Zusage für den Schutz der Arbeitnehmer*innen erneuern, und sowohl die FIFA als auch Katar sollten sich auf Pläne zur Wiedergutmachung für alle Betroffenen einigen», sagte Steve Cockburn, Experte für Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit bei Amnesty International.

«Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen haben ihr Geld, ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben verloren, während die FIFA und Katar versuchten, die Verantwortung für illegale Anwerbegebühren oder nicht gezahlte Löhne von sich zu weisen. Bis heute, ein Jahr nach der Weltmeisterschaft, ist zu wenig getan worden, um all dieses Unrecht wiedergutzumachen. Die Arbeiter*innen, die die Weltmeisterschaft 2022 möglich gemacht haben, dürfen nicht vergessen werden.»

Steve Cockburn sagte weiter: « Auch wenn die WM vorbei ist, steht Katar weiterhin auf dem Prüfstand. Die katarische Regierung muss die Bemühungen zur Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte fortsetzen. Die FIFA muss aus ihren Fehlern lernen und bereit sein, ihre Verantwortung für die Menschenrechte ernst zu nehmen und Missstände, die durch ihr Versagen verursacht oder mitverursacht wurden, direkt zu beheben. Eine Wiederholung der Menschenrechtsverstösse, wie wir sie in Verbindung mit der Weltmeisterschaft in Katar erlebt haben, muss verhindert werden.»

Unzureichende Reformen und mangelnde Umsetzung

Katar hatte 2017 ein Abkommen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unterzeichnet, das in den darauffolgenden Jahren zu erheblichen Änderungen der Arbeitsgesetze führte, u. a. zu Reformen des Kafala-Sponsorensystems, zu einem neuen Mindestlohn und zur Einführung von Arbeitsschutzvorschriften. Die Reformen wurden aber nur ungenügend durchgesetzt.

Nach dem Ende der WM gerieten die Fortschritte weiter ins Stocken. In Interviews mit Amnesty International erklärten die Befragten, dass die meisten Arbeitsmigrant*innen das Land nun ohne Einschränkungen verlassen könnten. Sie stellten Fortschritte bei der Durchsetzung von Gesetzen im Zusammenhang mit Arbeiten bei hohen Temperaturen fest, insbesondere ein Verbot von Bauarbeiten im Freien während der heissesten Tageszeit. Darüber hinaus zeichneten sie jedoch ein düsteres Bild von anhaltender Ausbeutung und mangelndem politischen Willen zur Beseitigung der Mängel.

Eigentlich sollten die Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz frei zu wechseln. Doch obwohl sie dazu rechtlich gesehen keine Unbedenklichkeitsbescheinigung (NOC) mehr von ihren Arbeitgeber*innen benötigen, müssen viele in der Praxis immer noch irgendeine Form von Genehmigung einholen. Aus den Daten der Regierung geht hervor, dass in den ersten acht Monaten des Jahres 2023 zwar mehr als 150‘000 Menschen den Arbeitsplatz gewechselt haben, dass aber im gleichen Zeitraum ein Drittel der Anträge auf einen Arbeitsplatzwechsel abgelehnt wurden.

Lohndiebstahl ist nach wie vor die häufigste Form der Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen in Katar. Besonders betroffen sind hier Fahrer*innen in der Essenslieferbranche, die stark gewachsen ist. Das System zur Aufdeckung und Reaktion auf verspätete und nicht gezahlte Löhne und Leistungen funktioniert jedoch noch nicht.

Hausangestellte sind nach wie vor besonders anfällig für schwerwiegende Verstösse. Die Regierung hat im vergangenen Jahr wenig unternommen, um diese Arbeitsmigrant*innen besser zu schützen und die Verantwortlichen für Missbräuche vor Gericht zu stellen.

Die Missstände, denen Arbeitsmigrant*innen ausgesetzt waren, seit die FIFA Katar den Zuschlag für die Ausrichtung der Fussballweltmeisterschaft erteilt hat, können zwar nicht ungeschehen gemacht werden, doch es kann und muss Wiedergutmachung erfolgen.

Der Originalartikel kann hier besucht werden