Die Bankenregulierung erwies sich im Fall CS als untauglich. Weitere Zeitbomben ticken im gigantischen Schattenbanken-Geschäft.

Urs P. Gasche für die Online-Zeitung INFOsperber

Die Banken sorgten nicht nur dafür, dass die Regulierungen schwach und voller Löcher sind, sondern sie haben die riskantesten Spekulations-Aktivitäten einfach in Schattenbanken ausgelagert. Die gesamte Summe der nicht regulierten Spekulationsgeschäfte beträgt weltweit 150 Billionen Franken oder Dollar. Das jedenfalls erklärte Finanzjournalistin und Buchautorin Myret Zaki in der Sendung «Infrarouge» des Westschweizer Fernsehens und warnte: «Wenn die Zinsen weiter steigen, kracht dies alles zusammen, doch niemand interessiert sich dafür.»

Das Vierzigfache des Schweizer Bruttoinlandprodukts

Medien informierten zum Teil besorgt, dass die Bilanzsumme der UBS zusammen mit der CS auf das Doppelte des Schweizer Bruttoinlandprodukts steigt. Finanzprofessor Marc Chesney machte in der Sendung darauf aufmerksam, dass das Systemrisiko noch viel grösser sei, als es bereits die Bilanzsumme zeigt. Denn in den Bilanzen stehe nicht, wie gross die Nominalwerte der eingegangenen hochriskanten Wettgeschäfte seien. Diese Nominalwerte der sogenannten Derivate, darunter unzählige sogenannte strukturierte Produkte, würden jetzt bei der UBS und CS zusammen nicht das Doppelte, sondern etwa das Vierzigfache des Schweizer Bruttoinlandprodukts erreichen.

Viele dieser Derivate handeln Grossbanken, Hedgefunds und Beteiligungsgesellschaften ausserhalb der Börse ab. An diesem ausserbörslichen Casino seien Grossbanken als Kreditgebende und als Aktionäre von Hedgefunds wesentlich beteiligt. Sie könnten sich nur deshalb so enorm beteiligen, weil «ihre Chefs davon ausgehen, dass die Bank für die Risiken nicht geradestehen muss».

Finanzprofessor Chesney hatte bereits Anfang 2021 gegenüber Infosperberdarauf hingewiesen, dass bei Credit Suisse im Geschäftsjahr 2020 weniger als 1 Prozent der Nominalwerte dieser Derivatgeschäfte das Kursrisiko eines Wertpapiers, eines Rohstoffes oder eines Wechselkurses absicherten. Die restlichen 99 Prozent förderten eine Casino-Finanzwirtschaft, die der Realwirtschaft keinen Nutzen, sondern nur Gefahren bringen würden. «Wer kann da noch glauben, die Situation sei unter Kontrolle?», fragte Chesney.

Laut Lehrbüchern sollten die Finanzmärkte dafür sorgen, dass es zu einer optimalen Verteilung des Kapitals und der Risiken kommt. Wird aber das Kapital vor allem für Wetten anstatt für Investitionen eingesetzt, verliert es seinen produktiven Charakter. Die Finanzsphäre habe sich vom Geist des Unternehmertums entfremdet, meint Chesney: «Statt der unsichtbaren Hand [des Marktes] agiert die Hand des Croupiers der Casino-Finanzwirtschaft, die den Einsatz für die Grossbanken und die Hedgefunds zusammenrafft.»

«UBS ist zu gross, um gerettet zu werden»

Im Jahr 2008 hätten Banken und Behörden den Steuerzahlenden versprochen und vorgegaukelt, dass eine neue Bankenpleite dank Regulierungen kaum mehr möglich sei. Für Chesney handelte es sich um eine «Augenwischerei». Die jetzt neuen Versprechen könne man deshalb ebenfalls nicht zum Nennwert nehmen.

Der zugeschaltete Gaspard Kühn, US-Korrespondent des Westschweizer Fernsehens, meinte, die jetzt entstandene Monsterbank UBS sei nicht nur «much too big to fail», sondern auch «too big to save» (zu gross, um sie zu retten).

Behörden und Parlamente hatten seit der letzten grossen Finanzkrise fünfzehn Jahre lang Zeit, um die aufgeblasene Finanzwelt so zu regulieren, so dass ein Fall UBS oder Credit Suisse nicht mehr vorkommen kann. Jetzt blieben der Regierung, der Notenbank und der Aufsichtsbehörde nur fünf Tage, um die bedrohte Credit Suisse mit Notrecht und Milliarden-Garantien der UBS für ein Schnäppchen anzudienen.

Die UBS habe für die CS einen «symbolischen Preis» bezahlt und zudem eine staatliche Risikogarantie von über 200 Milliarden Franken ausgehandelt. Wenn es gut geht, würden die Aktionäre profitieren und die Manager hohe Boni kassieren. Falls es aber schiefläuft, müssten die Steuerzahlenden geradestehen, kritisierte Chesney. Er forderte unter anderem, dass der Grossbank ein Eigenkapital von 20 bis 25 Prozent der Bilanzsumme vorgeschrieben wird und nicht nur 5 Prozent wie heute. Zudem müsse die Bank ganze Sparten abtreten, damit sie kleiner werde. Die Vergütung der Führungskräfte würde Chesney auf eine Million Franken deckeln: «Dann kämen nicht geldgierige und spekulationsfreudige Manager, sondern verantwortungsvolle.»

Dass die UBS verkleinert werden sollte, fanden auch US-Korrespondent Gaspard Kühn, SP-Vizepräsident Samuel Bendahan, Finanzjournalistin Myret Zaki und Charles Wyplosz, emeritierter Professor für Geldwirtschaft in Genf. Von einer strengeren Regulierung halten Letztere allerdings nicht viel. «Keine Massnahmen können eine Krise vermeiden», meinte Wyplosz. Finanzgeschäfte seien eben immer mit Risiken behaftet. Der Professor meinte etwas hilflos: «Nur in der Sowjetunion gab es keine solchen Risiken.»

Im Jahr 2008 konnte der Staat die UBS noch retten. Doch jetzt darf die neue Monsterbank auf keinen Fall mehr in Schwierigkeiten geraten. «Die UBS kann die Steuerzahlenden noch mehr als früher in Geiselhaft nehmen», folgerte Chesney.

Finanzjournalistin Zaki warnte noch einmal vor den 150 Billionen unkontrollierten Spekulatonsgeldern: «Wenn die Zinsen weiter steigen, kracht die ganze Spekulationsblase zusammen.» Die riskanten Geschäfte der unkontrollierten Schattenbanken seien eine Zeitbombe.