Die aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika bestehende Staatengruppe BRICS zählt zu den bedeutendsten multilateralen Strukturen der Welt und versucht als Gegenmacht der westlichen dominierten Weltordnung vor allem eine neue, gerechtere und multipolare Welt zu schaffen. Diesbezüglich strebt diese Gemeinschaft der Schwellenländer an, mit einer eigenen Leitwährung vor allem das US-dominierte Weltfinanzsystem zu verändern.

Von Alex Männer

Die als „BRICS“ bekannte Vereinigung der aufstrebende Volkswirtschaften Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika hat es im Verlauf ihres inzwischen mehr als Dreizehnjährigen Bestehens geschafft, sich trotz aller Schwierigkeiten als eines der einflussreichsten internationalen Verbände zu etablieren. Als Gegenpol zur westlich dominierten Weltordnung versuchen BRICS im Rahmen ihre Kooperation alles dafür zu unternehmen, um der Weltgemeinschaft eine neue, gerechtere, multipolare Zukunft zu ermöglichen. Dies ist allerdings mit enormen Herausforderungen in vielen Bereichen verbunden, deren Bewältigung insbesondere den politischen Willen des Schwellenländerblocks erfordern wird.

Um die heutige Ordnung also grundlegend verändern zu können, haben BRICS beschlossen, auf der globalen Ebene zahlreiche fundamentale Reformen umzusetzen. Ein Kernanliegen der Staatengruppe ist der Wandel des weltweiten Wirtschafts- und Finanzbereichs, in dem die Vorrangstellung der Vereinigten Staaten und des „kollektiven Westens“ derzeit unbestreitbar ist.

Eine zentrale Rolle dabei spielt das Bestreben, Alternativen zum Dollar-basierten Währungssystem zu schaffen und eine neue Reservewährung einzuführen. Dafür sei die Transformation des gesamten Weltfinanzsystems unabdingbar, so, wie es von den BRICS bisher auch immer als eines der wichtigsten Ziele ihrer Kooperation erläutert wurde.

Globale Dollar-Dominanz als Hindernis für Multipolarität

In diesem Zusammenhang verweisen die fünf Partner längst auf US-Dominanz als eines der Haupthindernisse für Multipolarität. Die Globale Dominanz des US-Dollars würde nur dem kollektiven Westen nutzen und der allgemeinen Interessen der Weltgemeinschaft eher schaden, heißt es oft.

Wie BRICS deshalb immer wieder betonen, müsse man die weltweite Vorherrschaft des Dollar-Systems zuerst überwinden, bevor eine neue Reservewährung eingeführt werden kann. Die Schwächung oder gar die Abkehr vom Dollar könnte dadurch gefördert werden, indem beispielsweise immer mehr Staaten den Handel in ihren nationalen Währungen abwickeln, statt in Dollar.

Denn einer der Eckpfeiler der US-Dominanz in der internationalen Wirtschafts- und Finanzarchitektur, mit dem bekanntlich die geopolitische Macht für Amerika einhergeht, ist der hauptsächlich in Dollar abgewickelte Rohstoffhandel. Experten zufolge werden etwa 80 Prozent aller Banktransaktionen beim Kauf und Verkauf von Erdgas in Dollar durchgeführt. Und selbst wenn die Geschäfte, wie im Fall der Europäischen Union, in Euro abgewickelt werden, so wird das Gas an der Börse trotzdem in Dollar gehandelt.

Um den Dollar also als Reservewährung ablösen zu können, sollten die Rohstoffexporteure damit anfangen, ihre eigenen Währungen beim Handel nutzen. Dieser Ansatz steht seit Jahren unter der Bezeichnung „De-Dollarisierung“ im Fokus der Weltgemeinschaft und wird von immer mehr Ländern bereits angewandt.

Zum Beispiel von der Wirtschaftsmacht China, die langfristig auf die Abkehr vom Dollar als Leitwährung setzt und zugleich die Internationalisierung ihrer Landeswährung, des Yuans, fördert. Diesbezüglich hat Peking bereits eine Vielzahl von entsprechenden Maßnahmen erfolgreich umgesetzt, wie etwa bilaterale Geschäftsabwicklungen bei dem Handel mit zahlreichen Wirtschaftspartnern.

Abgesehen von den Chinesen haben auch die Russen schon längst damit begonnen, die De-Dollarisierung voranzutreiben. In den vergangenen Jahren hat Moskau den Dollar aus ihrem „Fonds des Nationalen Wohlstands Russlands“ bzw. „Stabilisierungsfonds“ gestrichen und wird künftig keine Rücklagen mehr in dieser Währung führen.

Für den weitaus größeren medialen Wirbel sorgte jedoch der Beschluss der russischen Führung als Reaktion auf die Sanktionspolitik des Westen, beim Erdgasverkauf an „unfreundliche Staaten“ den Rubel zu verwenden. Im Grunde ist das die vollkommene Abkehr von der US-Währung und damit ein wichtiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit der russischen Wirtschaft vom Dollar-System.

Im Übrigen haben die BRICS-Partner in Bezug auf die De-Dollarisierung offenbar schon vor Jahren einen fundamentalen Konsens erreicht und arbeiten seitdem mit Nachdruck daran,  Rahmenbedingungen zu schaffen, um ihren bilateralen Handel künftig in ihren nationalen Währungen abzuwickeln.

Probleme bei der Umsetzung einer BRICS-Währung

In Anbetracht dieser Entwicklung ist die Frage nach einer alternativen Reservewährung heutzutage aktueller denn je. Tatsächlich hatte Russland, kurz vor Beginn des diesjährigen BRICS-Gipfels, angekündigt, dass die fünf Schwellenländer ihre eigene Leitwährung entwickeln müssten, und zwar auf der Grundlage eines Korbs ihrer eigenen Währungen.

Allerdings sind bislang nur wenige Details bekannt, wie die sogenannte BRICS-Währung umgesetzt werden soll. Zudem ist der Ansatz des „Währungskorbs“ in Bezug auf Sicherheit, Rendite und Liquidität – also diejenigen Kriterien, die eine starke Währung ausmachen – Experten zufolge gegenwärtig noch recht problematisch.

Bei der Kreditqualität etwa geht es um den sogenannten Credit Default Swap (CDS) beziehungsweise die Kreditausfallversicherung für Staatsanleihen , die es Investoren ermöglicht, sich gegen die Insolvenz von Staaten abzusichern, indem beispielsweise das mit einem Staat verbundene Kreditrisiko, das ein Anleger trägt, mit einem anderen Anleger getauscht oder ausgeglichen wird. Um das Ausfallrisiko zu minimieren, kauft der Kreditgeber CDS von einem anderen Anleger, der sich bereit erklärt, dem Kreditgeber im Falle eines Zahlungsausfalls des Kreditnehmers die Ausfallsumme zu erstatten.

Wie Chris Turner, Berater des renommierten Finanzinstituts ING-Group und Leiter der Forschungsstelle Großbritannien & Zentral- und Osteuropa, anführt, könnte genau dieses Prinzip für BRICS bei der Realisierung einer neuen Leitwährung zum Problem werden. Denn zum Beispiel würde ein einfacher Durchschnitt eines fünfjährigen Credit Default Swaps der BRICS-Währung mindestens zwanzigmal höher gehandelt, als ein ähnlicher CDS-Durchschnitt für der anderen, schon seit Jahrzehnten etablierten Währungen der Welt.

Die schlechtere Kreditqualität soll zudem der hauptsächliche Grund für die nicht gerade optimalen Aussichten bei der Rendite für die BRICS-Staatsanleihen sein, die als eine der wichtigsten Maßzahlen für den Erfolg einer Geldanlage gilt, meint Turner.

Im Hinblick auf die Liquidität ist der führende Analyst des russischen Investitionsunternehmens Finam, Alexander Potawin, der Auffassung, dass eine „hundertprozentige Liquidität“ die Möglichkeit voraussetzt, die neue Reservewährung in allen seriösen Banken und Wechselstuben auf der Welt in Banknoten und Münzen jeder anderen Währung umtauschen zu können.

Außerdem sollte man in der Lage sein, so Potawin, ein entsprechendes Depositkonto in jeder seriösen Bank der Welt anzulegen und die Währung dazu zu nutzen, um direkt beim Großhandel an den größten Rohstoffbörsen der Welt einzukaufen.

Insofern kann man konstatieren, dass das Vorhaben der BRICS, mit einer eigenen Leitwährung den Wandel im US-dominierten Weltfinanzsystem herbeizuführen, ein sehr schwieriges Unterfangen darstellt. Die finanztechnische Umsetzung des Projekts wird nicht nur enorme personelle und finanzielle Kosten erfordern, sondern auch – wie eingangs erwähnt – den politischen Willen der jeweiligen Führungen der BRICS-Staaten.

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