Enthaltung, Wiederholung und Mélenchon: Diese drei Begriffe allein fassen das Resultat der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich zusammen. Im Ergebnis erreichen der amtierende Präsident und Kandidat der Ultraliberalen, Emmanuel Macron mit 27,84% der Stimmen und die Kandidatin der extremen Rechten vom RN (Rassemblement National), Marine Le Pen mit 23,15% der Stimmen die zweite Wahlrunde. Jean-Luc Mélenchon, Kandidat von FI-France Insoumise („Unbeugsames Frankreich“) für die Union Populaire erhält 21,95% der Stimmen.

Die Wahlbeteiligung lag für eine Präsidentschaftswahl auf einem Rekordtief: 26,3% der WählerInnen sind nicht an die Wahlurnen gegangen, das heißt jede(r) Vierte, besonders unter den jungen WählerInnen im Alter von 18 bis 25 Jahren. Eine Umfrage hat außerdem ergeben, dass 31% der WählerInnen zwischen 18 und 24 Jahren und 34% der 25 bis 34-Jährigen für den Kandidaten der Union Populaire gestimmt haben, mit großem Abstand vor Macron und Le Pen. Ihnen gehört die Zukunft. Die Jugend dürstet nach Leben, nach Gerechtigkeit und Brüderlichkeit – diese Gemeinsamkeit, die sich abzeichnet, wird sich auf die eine oder andere Weise herausbilden.

Die traditionellen Rechts-Links-Parteien brechen ein und verschwinden mit nur 1,74% für die Kandidatin der Parti Socialiste und 4,79% für die Kandidatin der Republikaner von der politischen Landschaft. Ihre Wahlkampagne hat keine Früchte getragen, denn sie verfehlen die 5%. Das gleiche gilt für den Kandidaten der Grünen, Europe Ecologie les Verts, der 4,58% der Stimmen erhält. Die extreme Rechte wird gestärkt mit einem Wahlergebnis von 7,05% für Eric Zemmour und seine rechtsextreme Partei Reconquête („Rückeroberung“), die Ende 2021 gegründet wurde. Die Wähler der traditionellen Rechten sind entweder zum Ultraliberalismus Macrons oder zum Rechtsextremismus abgewandert.

Der Kandidat der Parti Communiste, Fabien Roussel, der während seiner gesamten Kampagne damit geprahlt hatte, alles für die Nuklearwirtschaft zu tun, in dem Wissen, dass er nicht gewählt werden würde, erhielt 2,31% der Stimmen. 2012 hatte sich die Parti Communiste nicht an der Wahl beteiligt und durch eine interne Abstimmung hatten sich ihre Anhänger dafür entschieden, Jean-Luc Mélenchon als Kandidaten der Linksfront aufzustellen. 2017 immer noch keine Kandidatur der PC (Parti Communiste), diesmal jedoch eine halbherzige Unterstützung der Kandidatur für France Insoumise. In diesem Jahr nun, nach fünf Jahren des Ultraliberalismus und in dem der Kandidat für France Insoumise für die Union Populaire einen Unterschied hätte machen können, stellte die Parti Communiste einen Kandidaten auf und ließ damit die Kandidatur der Union Populaire scheitern.

Am Abend des 10. April rief Fabien Roussel dann dazu auf, im zweiten Wahlgang den amtierenden Präsidenten und Vertreter des Ultraliberalismus, Emmanuel Macron zu wählen, um die extreme Rechte zu verhindern. Um jedoch die extreme Rechte und den Ultraliberalismus zu verhindern, hätte man keinen eigenen Kandidaten aufstellen, sondern sich der Union Populaire anschließen sollen. Dafür ist vor allem Fabien Roussel verantwortlich. Der Abstand zwischen Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon ist nur sehr klein. Wenn das kein Betrug am Volk ist, so sieht es doch ganz danach aus!

Das Gleiche gilt für die Parti Socialiste, die schon seit Langem nicht mehr links steht, aber auch für die Grünen, die nicht in der Lage sind, eine reelle Sozialpolitik zu vertreten – sie alle haben dazu aufgerufen, im zweiten Wahlgang Macron zu wählen, um die extreme Rechte zu verhindern.

Sie alle tragen die Verantwortung für diesen zweiten Wahlgang, der nur mehr eine Wiederholung von 2017 und eine Wiederholung der Wahlmüdigkeit ist. Wie soll man an all die politisch Verantwortlichen glauben, die nur an ihrem Ego interessiert sind und ihre Zeit damit verbringen, zu tricksen und zu lügen. Ein dreigeteiltes Frankreich geht aus diesem ersten Wahlgang hervor: der Ultraliberalismus, die extreme Rechte und die Union Populaire.

Aus all dem ist eine gemeinsame Tendenz hervorgegangen. Die traditionellen Parteien wurden abgewählt und befinden sich im Niedergang. Die Menschen streben nach Hoffnung, einem Bauplan für die Zukunft und nach sozialer Gerechtigkeit. WählerInnen der Kommunistischen Partei, der Grünen, der Sozialistischen Partei und anderer Parteien haben ihre Stimme dem Kandidaten der Union Populaire, Jean-Luc Mélenchon gegeben. Diejenigen, die Widerstand leisten, diejenigen, die leiden, all jene, die einen gesellschaftlichen Wandel wollen, haben ihre Wahl getroffen, indem sie sich von den Wahlanweisungen der Parteiführer befreit haben und so für die Union Populaire ein besseres Wahlergebnis erzielen konnten als 2012 und 2017.

Wir lassen uns nicht austricksen. Der zweite Wahlgang findet am 24. April statt und es ist überhaupt nicht gesagt, dass die WählerInnen erneut der Angst vor der extremen Rechten erliegen, das funktioniert nämlich immer weniger. Alle politischen Vertreter haben diese Situation herbeigeführt, sie haben mit dem Feuer gespielt und mit einem Szenario, dass seit 30 Jahren besteht. Vielleicht werden sie sich ja verbrennen? Was auch immer der zweite Wahlgang bringen wird – die Nichtwähler werden weder verantwortlich noch schuldig sein. Weder Macron, noch Le Pen – so mehren sich die Stimmen.

Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!