Luftwaffe stellt neue Operationszentrale für die Führung militärischer Operationen im All in Dienst.

Die Bundeswehr hat eine neue Operationszentrale für die Führung militärischer Operationen im Weltraum in Dienst gestellt. Das Air and Space Operations Centre (ASOC) in Uedem dockt an das bereits seit dem Jahr 2009 bestehende Weltraumlagezentrum der Bundeswehr an, das bisher vor allem Lagebilder erstellt, um die deutsche militärische wie auch zivile Weltrauminfrastruktur – etwa Spionage- und Kommunikationssatelliten – vor Kollisionen insbesondere mit Weltraumschrott zu schützen. Weil zunehmend damit zu rechnen sei, dass auch gezielte Angriffe auf die Weltrauminfrastruktur erfolgten, nicht zuletzt in Kriegen, müssten die deutschen Streitkräfte jetzt auch das Planen und Führen von Operationen im All in den Blick nehmen, heißt es bei der Bundeswehr. Dazu dient das ASOC. Es wird als nationale Führungseinrichtung betrieben; dabei ist Berlin bemüht, es von Zulieferungen aus den USA, so etwa von US-Weltraumlagedaten, unabhängig zu machen. Dies entspricht Berlins Bestrebungen, auch bei Produktion und Betrieb von Satelliten auf EU-Ebene eigenständig zu werden.

Das Weltraumlagezentrum

Andocken kann die Bundeswehr beim Aufbau ihres neuen Air and Space Operations Centre (ASOC) in Uedem an ihr bereits bestehendes Weltraumlagezentrum (übliches Bundeswehrkürzel: WRLageZ). Dieses ist 2009 in Uedem aufgestellt worden; es wird von der Luftwaffe gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben. Zentrale Aufgabe des WRLageZ ist zunächst, wie es der Name sagt, Lagebilder aus dem Weltraum zu erstellen, um die Voraussetzungen für den Schutz sogenannter kritischer Infrastruktur im All zu schaffen. Bei dieser handelt es sich um zivile wie auch um militärische deutsche Satelliten. Konkret befasst sich das WRLageZ nicht zuletzt mit der Gefährdung dieser Satelliten durch im All unkontrolliert, teilweise mit höchster Geschwindigkeit umherfliegenden Weltraumschrott – etwa Trümmer zerstörter Satelliten – oder durch Sonnenstürme. Darüber hinaus berechnet die Einrichtung die Flugbahn von Objekten, die aus dem All in die Erdatmosphäre eintreten und, sofern sie nicht verglühen, beim Aufprall auf der Erdoberfläche zerstörende Wirkung entfalten können.[1]

Unabhängig von den USA

Bereits seit Jahren ist die Luftwaffe bemüht, für das Weltraumlagezentrum Unabhängigkeit von Staaten außerhalb der EU zu erreichen. Dies zielt vor allem auf die USA. Noch ist das WRLageZ unter anderem auf Weltraumlagedaten angewiesen, die es aus den Vereinigten Staaten erhält; dabei hat es allerdings lediglich Zugriff auf eine Auswahl: Daten etwa über den Aufenthaltsort von US-Militär- und Geheimdienstsatelliten oder deren Bruchstücke behält Washington für sich.[2] Aktuell wird die Inbetriebnahme eines neuen, hochmodernen Weltraumüberwachungsradars durch das WRLageZ vorbereitet. Das System firmiert unter dem Kürzel GESTRA (German Experimental Space Surveillance and Tracking) und ist im Auftrag des DLR vom Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik (FHR) in Wachtberg bei Bonn entwickelt worden – dies mit Mitteln aus dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums. GESTRA ermöglicht es, auch sehr kleine Objekte im All zu identifizieren, sie zu verfolgen und ihre Flugbahn zu berechnen. Damit stellt es, so heißt es bei der Bundeswehr, „einen wichtigen Schritt dar, um die bisherige Abhängigkeit von Weltraumlagedaten der USA zu mindern“.[3]

Europäische Spionagesatelliten

Um größere Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten ist die Bundesregierung, was die deutschen Militäraktivitäten im Weltraum angeht, tatsächlich schon seit Jahren bemüht. Dies gilt etwa für die Spionagesatelliten SAR-Lupe, die wetter- und zeitunabhängig hochauflösende Bilder von jedem Ort auf der Erde liefern können; sie wurden in den Jahren von 2006 bis 2008 ins All transportiert und sind bis heute in Betrieb. Produziert wurden sie von einem Konsortium, das sich aus Unternehmen aus der EU zusammensetzte und von der Bremer OHB geführt wurde. Die Nachfolgesatelliten mit der Bezeichnung SARah, deren zuerst für 2019 geplante Inbetriebnahme durch die Bundeswehr verspätet erfolgt, werden ebenfalls von OHB als Generalauftragnehmer hergestellt. Für Unmut sorgte im vergangenen Jahr, dass die Satelliten von der US-Firma SpaceX ins All gebracht werden sollen, da sie diese Dienstleistung viel kostengünstiger anbietet als die deutsch-französische Ariane Group.[4] Künftig könnten dafür allerdings auch Privatunternehmen aus Deutschland zur Verfügung stehen. Die einschlägige Start-up-Szene in der Bundesrepublik wecke Hoffnungen, urteilen Beobachter; allerdings müsse man sie fördern – etwa mit dem Bau eines Weltraumbahnhofs -, um ihre Abwanderung in die USA zu verhindern, zumal sich US-Geheimdienste bereits für sie interessierten (german-foreign-policy.com berichtete [5]).

Feindliche Angriffe

Aus Sicht der Bundeswehr reichen die Fähigkeiten des Weltraumlagezentrums freilich nicht mehr aus, um den Schutz der Spionagesatelliten oder auch des EU-Satellitennavigationssystems Galileo zu gewährleisten, das seit 2016 in Betrieb ist; die Bundeswehr nutzt Berichten zufolge zwar noch vor allem das US-System GPS, greift aber ergänzend schon auf Galileo zurück [6] und dürfte sich perspektivisch auch bei der Satellitennavigation unabhängig von den USA machen. Man müsse in zunehmendem Maß damit rechnen, dass feindliche Kräfte die deutsche Weltrauminfrastruktur gezielt attackierten – so „zum Beispiel durch den Einsatz von Lasern zum Blenden bzw. Zerstören von Optiken sowie gegen Solarpaneele, aber auch durch Anti-Satelliten-Raketen“, heißt es bei der Bundeswehr.[7] Dies wiege umso schwerer, als hochmoderne Waffensysteme immer stärker auf Satellitendaten angewiesen seien. Erfolgten Angriffe auf die Satelliten gleich „zum Auftakt“ eines militärischen Konflikts, dann würden die eigenen Führungsfähigkeiten empfindlich reduziert. Daraus hat die Bundeswehr jetzt die Konsequenzen gezogen – mit dem Aufbau des Air and Space Operations Centre (ASOC). In ihm werden mehrere Einrichtungen der Luftwaffe, darunter das WRLageZ, zusammengezogen; es wird in Zukunft als zentraler nationaler Führungsgefechtsstand dienen. Geplant sind auch aktive Operationen der Bundeswehr im All, für die ein „umfassender Fähigkeitsaufbau“ personeller wie technologischer Art vorgesehen ist.[8]

Ein neues Einsatzgebiet

Details zu den Planungen sind kaum bekannt. Das Bundesverteidigungsministerium hat im März 2017 eine „Strategische Leitlinie Weltraum“ verabschiedet, die den Rahmen für die Aktivitäten der Bundeswehr im All absteckt, allerdings als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und der Öffentlichkeit daher nicht zugänglich ist.[9] Berichten zufolge heißt es in dem Dokument, man plane die militärische Weltrauminfrastruktur unter anderem zur „Flugkörperabwehr“ zu nutzen.[10] Die Aktivitäten der Bundeswehr im All korrespondieren dabei mit Maßnahmen der NATO, die auf ihrem Gipfel am 3./4. Dezember 2019 in London den Weltraum offiziell als neues Operationsgebiet eingestuft hat. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte zuvor erklärt: „Der Weltraum ist für die Abschreckung und Verteidigung des Bündnisses von wesentlicher Bedeutung.“[11]

[1] Sascha Müller: Fähigkeitsaufbau Weltraumoperationen durch die Luftwaffe. bundeswehr.de 21.09.2020.

[2] Karl Urban: Schraubenschlüssel im Orbit aufspüren, Crashs vermeiden. spektrum.de 21.09.2020.

[3] Sascha Müller: Fähigkeitsaufbau Weltraumoperationen durch die Luftwaffe. bundeswehr.de 21.09.2020.

[4] Dieter Sürig: Space-X soll Bundeswehr-Satelliten ins All bringen. sueddeutsche.de 24.01.2019.

[5] S. dazu Kampf um deutsche High-Tech-Firmen.

[6] Thomas Wiegold: EU-Satellitenavigation seit Tagen außer Betrieb. Fällt erst mal nicht so auf. augengeradeaus.net 15.07.2019.

[7], [8] Sascha Müller: Fähigkeitsaufbau Weltraumoperationen durch die Luftwaffe. bundeswehr.de 21.09.2020.

[9] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. h.c. Thomas Sattelberger, Mario Brandenburg (Südpfalz), Katja Suding, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP. Deutscher Bundestag, Drucksache 19/15308, 19.11.2019.

[10] Operationsraum Weltraum. Neues Deutschland 20.03.2017. S. dazu Krieg im Weltraum.

[11] Alexandra Brzozowski: NATO bereitet sich auf neues Weltraumzeitalter vor. euractiv.de 22.11.2019.

Der Originalartikel kann hier besucht werden