Ein winziges Wort genügt, um die Vorstellung über Frauen zum Positiven zu verändern. Und es wirkt auf die Wertung von Menschen außerhalb des heteronormativen Geschlechtermodells, etwa Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender-Personen. Das belegt nun eine aktuelle Studie.
Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein bedeutendes gesellschaftliches Ziel, und die Sprache kann zu seiner Verwirklichung beitragen. Viele sehen die Gefahr, dass ganze Menschengruppen „übersehen“ werden, wenn sie in der Sprache „verschwinden“. Frauen kennen den schalen Trost, sie seien bei verallgemeinernden männlichen Formulierungen trotzdem mit gemeint. Aber werden sie auch mitgedacht? Aktuelle Forschungen werfen berechtigte Zweifel auf. Und was ist mit all denen, die nicht dem Mann-Frau-Hetero-Modell entsprechen?
Doch an der Frage, wie eine geschlechtergerechte Sprache aussehen soll, entzünden sich heftige Debatten.
Wie einfach und wirkungsvoll selbst kleine Änderungen sein können, zeigt eine Studie mit einen relativ neuen Wort der schwedischen Sprache. Das geschlechtsneutrale Pronomen hen lässt im Gegensatz zu han („er“) und hon („sie“) die Geschlechtsidentität offen. Benutzt wird es, wenn sie unbekannt ist, bei Transgender-Personen oder wenn die Information über das Geschlecht als irrelevant betrachtet wird.
Für ihre Versuchsreihe rekrutierten Margit Tavits von der Washington University und Efrén Pérez von der University of California 3.393 Versuchspersonen mit Schwedisch als Muttersprache.
Zunächst wurden die Freiwilligen nach dem Zufallsprinzip jeweils einer von drei Gruppen zugeordnet, anschließend zeigte das Forscherteam ihnen die schematische Zeichnung einer geschlechtsneutralen Figur mit einem Hund an der Leine. Ihre Aufgabe bestand darin, das Bild zu beschreiben. Die erste Gruppe sollte ausschließlich neutrale Pronomen verwenden, die zweite nur weibliche und die dritte nur männliche. Als Nächstes sollten sie eine kurze Geschichte über eine Person verfassen, die zur Wahl für eine politisches Amt antritt. Im dritten und abschließenden Teil der Studie wurden die Versuchspersonen über ihre Einstellungen gegenüber Frauen und LGTB-(lesbian, gay, bisexual, and transgender)-Personen befragt.
Tatsächlich hinterließ die Bildbeschreibung deutliche Spuren bei den beiden darauffolgenden Aufgaben. Die Gruppe, die dabei ausschließlich geschlechtsneutrale Pronomen verwendet hatte, benutzte in der Kurzgeschichte eher nichtmännliche Namen, außerdem äußerten sie sich positiver über LGTB-Personen. In diesem Ergebnis sehen Tavris und Perez einen klaren Beleg, dass das Pronomen hen dazu beiträgt, Vorurteile gegenüber bestimmten Geschlechtern und Geschlechtsidentitäten abzubauen.
Im Übrigen widerlegte die Studie das beliebte Gegenargument, eine geschlechtergereche Sprache sei zwangsläufig umständlich und schwer lesbar. Für die Aufgaben mit dem geschlechtsneutralen Pronomen benötigten die Freiwilligen nicht mehr Zeit als die anderen Gruppen.
Schlussfolgerungen für die Gestaltung einer geschlechtergerechten Sprache im Deutschen bleiben abzuwarten. Auch im Schwedischen hat sich die Neuerung nicht über Nacht durchgesetzt. Obgleich die Geschichte des Wortes hen bis in die 1960er zurückreicht – die Verallgemeinerung durch das männliche Pronomen wurde zunehmend als unpassend und die Doppelnennung „er/sie“ als zu umständlich abgelehnt – setzte es sich erst um die letzte Jahrhundertwende durch, zunächst in der kleinen Transgender-Community des Landes. Seither hat sich hen zunehmend im Sprachgebrauch eingebürgert. Diese Entwicklung schlägt sich auch in den Empfehlungen der Schwedischen Akademie nieder, die für Pflege von Sprache und Literatur des Landes zuständig ist. 2014 nahm sie hen in ihre Wortliste und ein Jahr später offiziell ins Schwedische Wörterbuch auf.