Gustavo Capdevila interviewte MUKHISA KITUYI, Generalsekretär der UNCTAD.

In ihrem 50. Jahr befindet sich die Konferenz der Vereinten Nationen zu Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development = UNCTAD) in einem fortwährenden Kampf, ökonomische und soziale Ungleichheit in der Welt zu reduzieren.

“Verglichen mit vor 50 Jahren, ist die Ungleichheit innerhalb von Staaten zu einer erstaunlichen Anzahl Länder angestiegen, die sowohl reich als auch arm sind.“ sagte UNCTAD Generalsekretär Mukisha Kituyi.

„In der Tat sind heutzutage manche Indivduen so reich wie ganze Nationen,“ erklärte der Kenianische Ökonom IPS in diesem Interview im Hauptquartier der Agentur in Genf.

UNCTAD ist entstanden auf Initiative von Ländern des sich entwickelnden Südens und aus diesem Grund ist sie innerhalb der UN bekannt als die Agentur, die die armen Länder vertritt.

Als UNCTAD gegründet wurde, am 16. Juni 1964, waren sich die Mitgliedsstaaten einig, dass “Ökonomische Entwicklung und sozialer Fortschritt die gemeinsamen Interessen der gesamten internationalen Gemeinschaft sein sollten,” sagte Kituyi.

Gemäß der Resolution der UNO Generalversammlung, welche UNCTAD gründete, ist eine ihrer grundlegenden Funktionen: Prinzipien und Regeln zum internationalen Handel und damit zusammenhängender Probleme der ökonomischen Entwicklung zu formulieren.“

Kituyi sagte, dass die Resolution „einen Schritt über die Prinzipien, welche vorher zu der Etablierung der Bretton Woods Institutionen [Weltbank und IWF] und die allgemeine Tarif und Handel Vereinbarung [GATT = der Vorgänger der Welthandelsorganisation] hinaus“ signalisierte.

Ihre einzigartige Charakteristik und ihre starken Bande zum Entwicklungssüden rückten UNCTAD ins Blickfeld der Länder des industrialisierten Nordens und der Institutionen, die sich um diese herum entwickelten. In den 50 Jahren ihres Bestehens schaffte es die Konferenz, eine Anzahl von Offensiven abzuwehren, die darauf abzielten, ihre pro-Süden Regularien zu modifizieren und ihr Budget zu kürzen.

Kituyi, der den Vorsitz der UNCTAD im September 2013 übernahm, diskutierte mit IPS seine Sichtweise des sozialen und ökonomischen Kontextes, in welchem sich UNCTAD bewegt.

IPS: Was würden Sie sagen, ist die gesellschaftliche Reaktion auf Ungleichheit heutzutage?

Kituyi: Die ungleiche Verteilung des Einkommens und des Besitzes hat Leidenschaften entfacht und die öffentliche Debatte aufgewühlt wie seit über einer Generation nicht mehr. In der ganzen Welt sind sich Menschen verschiedener kultureller, religiöser und politischer Überzeugungen einig, dass eine ungleiche Gesellschaft nicht nur unrecht, sondern auch unproduktiv ist.

IPS: Könnten Sie ein Beispiel geben?

Kituyi: Ungleichheit hat unsere Vorstellungskraft in den Bann gezogen, wie sich bei dem kürzlichen Überraschungserfolg des Buches des Französischen Wirtschaftsexperten Thomas Piketty, “Kapital im 21. Jahrhundert“, zeigte. Inequality has captured our imaginations, as evidenced by the recent surprise success of French economist Thomas Piketty’s book, “Capital in the Twenty-first Century”. Gerede über globale Steuern [wie von Piketty vorgeschlagen], um die Ungleichheit zu bekämpfen, undenkbar noch vor einem Jahrzehnt, ist kürzlich über die Titelseiten gegangen und selbst über die größten “laisser-faire” konservativen Nachrichtenkanäle.

IPS: Welche Schlussfolgerung nimmst Du mit aus diesem Bestseller, der breite Diskussion und Debatte entzündet hat?

Kituyi:Die Popularität von Professor Piketty’s Buch ist mehr eine Wiederspiegelung der breiteren Wahrnehmung der Gesellschaft insgesamt, dass nicht-nachhaltige ökonomische Praktiken zu einer Über-Akkumulation von Besitz führen, welche nicht nur ungerecht ist, sondern auch Krise und Stagnation mit sich bringen kann, oder sogar Konflikte.

IPS: Wie hat die internationale Gemeinschaft reagiert?

Kituyi: Bei den Vereinten Nationen in New York arbeiten Diplomaten aus allen Ecken der Welt daran, Vereinbarungen zu treffen zu nachhaltigen Entwicklungszielen, die dort ansetzen, wo die Milleniumsziele 2015 aufhören. Über offensichtliche Umweltthemen wie dem Klimawandel hinaus, sind ökonomische und soziale Nachhaltigkeit zentral in diesen Diskussionen.

IPS: Was wird im Hinblick auf die Frage der Ungleichheit in Betracht gezogen?

Kituyi: Ein Ziel, die Ungleichheit innerhalb von Staaten und zwischen Staaten bis 2030 zu reduzieren, ist auf der Vorschlagsliste, welche momentan von den Mitgliedsstaaten geprüft wird. Dies ist eine direkte Konsequenz aus dem wachsenden Konsens über die zerstörerischen Effekte der Ungleichheit auf bleibenden Wohlstand.

IPS: Welche Präzedenzfälle gibt es in dieser Hinsicht?

Kituyi: Unsere neu gefundene, erhöhte Sorge, Ungleichheit zu reduzieren und Wohlstand für alle zu ermöglichen, muss auf der starken Ablehnung der Ungleichheit aufbauen, welche das Herz eines halben Jahrhunderts Arbeit in den Vereinten Nationen ist.

IPS: Und im Falle Ihrer Organisation?

Kituyi: Als UNCTAD genau vor 50 Jahren gegründet wurde, forderten unsere Mitgliedsstaaten im besonderen “die Teilung der Welt in Gebiete von Armut und von Reichtum abzulehnen und Wohlstand für alle zu erreichn.”

IPS: Was passierte in diesen fünf Jahrzehnten?

Kituyi: Der grundlegende Unterschied zwischen heute und vo fünfzig Jahren ist die Art der Ungleichheit, mit der wir konfrontiert sind. Die neue globale Wirtschaft hat beides, immense Hoffnungen, aber auch immense Ungerechtigkeit mit sich gebracht.

Ein halbes Jahrhundert nach UNCTAD’s Gründung haben wir viel versprechenden Rückgang von Ungleichheit zwischen einigen Ländern gesehen, wie zum Beispiel die BRICS Länder [Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika]. Aber andere haben auch signifikante Wachstumsprozesse und moderate Erfolge darin erzielt, ihre Wirtschaftsstrukturen zu transformieren, von der Landwirtschaft zu Industrie und Dienstleistung.

IPS: Welche Strategien wurden verfolgt?

Kituyi: Selbst vor 15 Jahren als wir die Milleniumsziele formulierten, war der Fokus auf der Reduktion der Ungleichheit zwischen Ländern, durch die Reduktion extremer Armut durch Wachstum. Die Globalisierung, die ermöglichte, dass die Armut weltweit innerhalb der letzten 20 Jahre halbiert wurde, hat sich als ein zweischneidiges Messer herausgestellt. Sie hat die weniger gut Aufgestellten, sowohl in den armen Ländern als auch in den fortgeschrittenen Wirtschaftsräumen, abgehängt.

IPS: Welche Regeln werden jetzt gebraucht?

Kituyi: Die Rolle des multilateralen Systemes, öffentliche Güter bereit zu stellen, um denen zu helfen, die durch die Globalisierung verloren haben, war niemals so notwendig wie jetzt.

Das ist der Grund, warum wir den 50. Geburtstag von UNCTAD hervorheben. Wir wissen, dass sich die Welt verändert haben mag seit der Gründung der Organisation, aber die Notwendigkeit eines inklusiven Raumes für Dialog, welchen unsere Konferenz bereit stellt, ist größer den je.

IPS: Und hinsichtlich aller spezifischer Gebiete der Wirtschaft?

Kituyi: Um Ungleichheit zu helfen in unseren Mitgliedsstaaten zu reduzieren, muss Handel als Ermöglicher nicht als Verhinderer dienen. Finanzen müssen konstruktiv nicht destruktiv sein und technologischer Fortschritt muss den Interessen aller gesellschaftlichen Schichten dienen.

IPS: Wie kann all dies umgesetzt werden?

Kituyi: Gut durchdachte nationale Entwicklungsstrategien werden gebraucht, um dies zu ermöglichen, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern und in Afrika. Dies sind alles Gebiete, wo UNCTAD’s Expertise vergleichslos ist. Und während wir uns weiter auf das nächste halbe Jahrhundert zubewegen, werden wir unsere Arbeit verstärken, um beiden, den sich entwickelnden und den entwickelten Ländern zu dienen, indem wir diese kritischen Bereiche unterstützen.

Übersetzung aus dem Englischen Johanna Heuveling