Der weltweite Angriff auf Journalist:innen ist eine tödliche Bedrohung in Verbindung mit autoritären Regimen, die häufig freie Meinungsäußerung ersticken, und sogar mit einigen „demokratischen“ Regierungen, die absichtlich versuchen, ihre finsteren Aktivitäten zu verbergen.
Von Dr. Alon Ben-Meir
Journalist:in zu sein ist in vielen Teilen der Welt weit mehr als nur ein herausfordernder Beruf geworden – es ist zu einem risikoreichen Beruf geworden, der unter Beschuss steht von staatlicher Seite, bewaffnetem Konflikt, wirtschaftlichem Druck und der Aushöhlung institutioneller Schutzmaßnahmen. Laut dem Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) wurden Ende 2024 weltweit 361 Journalisten inhaftiert und 124 getötet – eine der höchsten Zahlen seit Beginn der Datenerfassung. Unterdessen wies Reporter ohne Grenzen (RSF) im Weltindex der Pressefreiheit 2025 auf 34 Länder hin, in denen Massenschließungen von Medienstellen, das Exil von Journalist:innen und systemische Repression zunehmen.
Die Verfolgung von Journalist:innen ist nicht einfach ein Angriff auf einzelne Personen – sie ist ein Angriff auf Demokratie, Transparenz, Fairness und das Recht der Öffentlichkeit auf Wissen. Freier und unabhängiger Journalismus nimmt Schlüsselrollen ein: Korruption aufdecken, Macht zur Rechenschaft ziehen, über Kriegsverbrechen berichten, und denen ohne Stimme und den Schwachen eine Stimme geben. Ohne dies bleiben Missbräuche durch Regierung sowie private und öffentliche Einrichtungen ungehindert, wuchern Lügen und breitet sich Autoritarismus weiter aus.
Die Misere der Journalist:innen in Autokratien
In Autokratien gehören unabhängige Medien oft zu den ersten Einrichtungen, die kollabieren. In Demokratien stehen sie zunehmend unter Druck durch wirtschaftliche Not, digitale Desinformation und schrumpfenden Raum für Dissens. Die Folgen haben global eine abschreckende Wirkung, bei der Selbstzensur und Angst zur Norm werden. Die Unterdrückungsinstrumente autoritärer Regierungen sind sowohl unverblümt als auch subtil. Die Liste der Pressefreiheits-Prädatoren 2025 der RSF umfasst folgende Länder, in denen Journalist:innen inhaftiert, gefoltert, ausgewiesen oder getötet wurden.
In Belarus hat man unabhängige Medien als „extremistisch“ bezeichnet, und Journalist:innen wurden verhaftet, gefoltert oder zur Flucht gezwungen. Berichten zufolge sind seit 2020 zwischen 500 und 600 aus dem Land geflohen. Die Medien in Belarus müssen entweder der Linie der Regierung folgen oder mit Bestrafung und Schließung rechnen.
In Aserbaidschan wurde der letzte unabhängige Medienstandort im Februar 2025 geschlossen, nachdem kritische Medien Stück für Stück eliminiert wurden. Aserbaidschan ist dafür bekannt, über Journalist:innen außergewöhnlich harte Haftstrafen zu verhängen auf Basis von Anschuldigungen, die völlig aus der Luft gegriffen oder politisch motiviert sind.
In der Türkei, einer vermeintlichen Demokratie, sollten Journalist:innen, die die Regierungspolitik in ihrer Berichterstattung nicht unterstützen, damit rechnen, inhaftiert zu werden. Seit dem angeblichen Versuch eines Militärputsches im Jahr 2016 gab es hartes Durchgreifen. Mehr als 100 Journalist:innen wurden inhaftiert, mehrere sogar getötet, und Dutzende Medienhäuser wurden geschlossen.
Im Iran ist es grundsätzlich verboten, etwas zu berichten, das gegen die Regierungspolitik verstößt, und denjenigen, die die Grenze überschreiten, drohen schwerwiegende Konsequenzen. In den letzten fünf Jahren hat Iran über 100 Journalist:innen verhaftet, viele davon sind nach wie vor im Gefängnis.
Die CPJ beschrieb die Lage in Gaza als die tödlichste der Welt. Im Jahr 2024 wurden von den weltweit 124 Todesfällen unter Journalist:innen 85 von israelischen Streitkräften im Gazastreifen getötet. Palästinensische Journalist:innen berichten nicht mehr nur über den Krieg – sie sind zu dessen Opfern geworden. Ihre Pressewesten garantieren nicht ihre Sicherheit. Tatsächlich markieren sie sie in vielen Fällen als Ziele.
Saudi-Arabien hat etwa 20 Journalist:innen hinter Gittern, Russland hält fast 60 fest, und China, das für seine Härte gegenüber der Presse bekannt ist, hat seit 2019 fast 200 Journalist:innen inhaftiert.
Nicht-Tödliche Repression von Journalist:innen
Neben Festnahmen und Tötungen gibt es eine weit verbreitete nicht-tödliche Verfolgung von Journalist:innen, die dennoch zutiefst destruktiv ist. Laut dem Center for News, Technology & Innovation (CNTI) gaben knapp die Hälfte der 2025 befragten Journalist:innen an, dass ihre Regierungen „zu viel Kontrolle“ über ihre Berichterstattung ausüben wollen. Auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit des unabhängigen Journalismus steht unter Druck: RSF stellt fest, dass wirtschaftliche Fragilität mittlerweile ebenso eine erhebliche Bedrohung für die freie Presse darstellt wie direkte politische Repression.
Digitale Schikane ist eine weitere Dimension. Weibliche Journalisten, farbige Journalist:innen, LGBTQ+-Reporter:innen und Vertreter:innen von Minderheiten sind unverhältnismäßig häufig Online-Missbrauch, Überwachung und koordinierten Hasskampagnen ausgesetzt. Das Abschalten des Internets und die Instrumentalisierung von KI-generierter Desinformation untergraben sicheren Raum für Journalisten weiter. Die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) berichtet, dass die Belästigung von Journalist:innen einen signifikanten globalen Trend darstellt, was in Verbindung steht mit dem umfassenderen Thema der Behinderung der Meinungsfreiheit.
Die USA sind davon nicht ausgenommen. Mitte Oktober veröffentlichte Trumps Verteidigungsministerium neue Regeln, die besagen, dass das Pentagon-Pressekorps Gefahr läuft, Zugang zum Ministerium zu verlieren, wenn es Material veröffentlicht, das nicht direkt vom Verteidigungsminister genehmigt wurde, s selbst wenn es sich nicht um geheime Informationen handelt. Sie verurteilten die Position, in die sie gezwungen wurden – sich der Zensur zu unterwerfen oder den Zugang zu verlieren, der es ihnen ermöglicht, über Militäraktionen zu berichten. Sie verdienen Applaus dafür, dass sie sich fast einstimmig entschieden haben, ihre Presseausweise abzugeben, anstatt diesen autoritären Regeln zuzustimmen.
Ein zentrales Problem ist Straffreiheit
In Ländern, in denen Journalist:innen getötet oder inhaftiert werden, werden nur wenige Täter zur Rechenschaft gezogen. Aufgrund mangelnder wirksamer juristischer oder internationaler Mechanismen führen Angriffe auf die Pressefreiheit selten zu Gerechtigkeit. Das Begehen des Internationalen Tages zur Beendigung der Straffreiheit für Verbrechen gegen Journalist:innen durch die UN zeigt, wie weltweit ein Umfeld des Schweigens weiteren Missbrauch ermöglicht. Wenn Journalist:innen in Kriegsgebieten getötet werden, ist der Preis nicht nur ein persönlicher, sondern auch ein kollektiver. Redaktionen schrumpfen, Ermittlungen stoppen, und lokale Gruppen bleiben im Dunkeln in dem Maße wie sie ihre Wachhunde verlieren.
Es besteht ein dringender Bedarf, die Verfolgung von Journalist:innen wirksam anzugehen, was eine multilaterale, wirksame und umfassende Antwort erfordert.
Internationale Solidarität und Rechenschaft: Globale Einrichtungen, Pressefreiheitsorganisationen und Geberstaaten müssen Verstöße überwachen, Sanktionen verhängen, und auf Strafverfolgung drängen. Die Täter gezielter Tötungen, Massenverhaftungen oder digitaler Repression dürfen dies nicht straffrei tun.
Unterstützung von unabhängigem Journalismus: Sichere Kommunikationsmittel, sichere Häuser und Netzwerke zum Zweck von Rechtsbeistand sollten eingerichtet werden. Staaten, die Journalist:innen unterdrücken, sollten sanktioniert und unter Druck gesetzt werden, Gesetze einzuführen und anzuwenden, die Journalist:innen schützen, ihre Arbeitsabläufe sichern und die Täter in Form von Bedrohungen, Gewalt oder Zensur zur Rechenschaft ziehen.
Internationale Organisationen und demokratische Länder sollten Notfall-Visa oder sichere Reiseprogramme speziell für bedrohte Journalist:innen bereitstellen, damit sie unmittelbarer Gefahr entkommen können.
Schutz des Journalismus in Konfliktzonen: Journalist:innen müssen als Zivilisten gemäß internationalem Recht anerkannt werden. Menschenrecht muss in Formen von Betriebsschutz, Transparenz rund um Angriffe und in vollständige Untersuchungen münden, wenn Einrichtungen getroffen werden.
Digitale Sicherheit und Instrumente zur Bekämpfung von Belästigung: Plattformen müssen eine Rolle bei der Verhinderung von koordiniertem Missbrauch spielen, insbesondere im Hinblick auf gefährdete Journalist:innen, und Nachrichtenorganisationen sollten ihr Personal in digitaler Sicherheit schulen.
Gezielte Sanktionen: Sanktionen sollten sich auf Beamte oder Behörden konzentrieren, die für die Verfolgung der Presse verantwortlich sind, anstelle breit angelegter Sanktionen, die der allgemeinen Bevölkerung schaden.
Finanzielle Unterstützung für den Journalismus: Unabhängige Medien benötigen nachhaltige Finanzierung, insbesondere in Regionen, in denen sie marginalisiert oder bedroht sind. Solche finanziellen Mittel können aus einer Kombination von Quellen stammen, einschließlich demokratischer Nationen, die Mittel für Pressefreiheit vorgesehen haben. Private Spender, NGOs und philanthropische Organisationen wie die Open Society Foundations (OSF) können ebenfalls beitragen.
Die Verfolgung von Journalist:innen auf der ganzen Welt ist ein Barometer unserer weitreichenderen Freiheiten. Tatsächlich bewegt sich die Gesellschaft, wenn es sicher ist, Autoritäten zu hinterfragen, Ungerechtigkeiten zu melden und die Wahrheit offenzulegen, in Richtung von mehr Offenheit und Gerechtigkeit. Wenn Journalist:innen zum Schweigen gebracht werden – sei es durch Kugeln, Gitter oder Bigotterie – ist die Freiheit zu wissen, zu widersprechen und zu handeln stark beeinträchtigt.
Zensur und Razzien gegen die Presse schaffen eine Gesellschaft, in der den Menschen die benötigten Informationen fehlen, was Autoritarismus fördert, die Rechenschaftspflicht von Regierung verringert, und verhindert, dass die Öffentlichkeit die von den Behörden getroffenen Richtlinien oder Maßnahmen hinterfragt, und damit die Demokratie im Kern herausfordert.
Die Bedrohung für die freie Presse ist von globaler Tragweite. Wenn ein Journalist oder eine Journalistin zum Schweigen gebracht wird, wird eine ganze Gesellschaft blind. Journalist:innen zu schützen ist kein Luxus; es ist die letzte Verteidigung der Welt gegen Tyrannei. Die freie Presse zu verteidigen bedeutet, die Demokratie selbst zu verteidigen und zu schützen.
Übersetzung aus dem Englischen von Ursula Nollenberger vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!
Dr. Alon Ben-Meir ist pensionierter Professor für internationale Beziehungen, zuletzt am Center for Global Affairs der NYU. Er unterrichtete Kurse über internationale Verhandlungen und Nahoststudien.









