Die drei Gläser sind schon erhoben, bereit zum Anstoßen; wir halten einen Moment inne, schauen uns in die Augen und beschließen gemeinsam, mit dem Toast fortzufahren, abergläubischer Vorsicht und den üblichen Befürchtungen zum Trotz. Laura mahnt uns: Wenn wir den Wandel wollen, müssen wir daran glauben, Vertrauen haben und unseren Teil beitragen; sollten wir in einer noch unbestimmten Zukunft enttäuscht sein, werden wir protestieren.

Dzafer ergänzt: „Was haben wir denn für eine reale Alternative? Keine!“ Ich stimme ihnen zu: Dem Zynismus nachgeben, in jeder Suppe ein Haar finden und sich schon vorher beschweren – das ist noch keine politische Alternative. Zufrieden und lächelnd lassen wir die Gläser klingen.

Gerade ist die Kundgebung mit dem kultigen Namen „Tax the Rich“ zu Ende gegangen, die von der New Yorker Basis der amerikanischen sozialistischen Bewegung organisiert wurde; es handelt sich um das gleiche Netzwerk, aus dem Zohran Mamdani stammt. Es hat ihn in den Monaten der Wahlkampagne mit der beeindruckenden Zahl von über hunderttausend ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern unterstützt – und hat jetzt nicht vor aufzuhören. Ein Mann allein kann bekanntlich wenig ausrichten vor der Übermacht der Reichen und Mächtigen, deshalb will das Netzwerk ihm weiterhin Stärke verleihen. Die Initiative, die von einem wunderbaren Sonnentag gekrönt wurde, fand am Union Square in Manhattan statt, wo sich eine dichte Menge an Aktivist:innen, Gewerkschafter:innen, Mitgliedern der sozialistischen Bewegung und Sympathisant:innen verschiedener Art um eine improvisierte Bühne herum drängte; die Stufen der Piazza dienten als Podium.

Wie üblich waren die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer jung, voller Enthusiasmus und Kreativität; aber auch ältere Menschen fehlten nicht, wie der Herr neben uns, der auf einem von zuhause mitgebrachten Klappstuhl saß, und wie Dzafer, ebenso friedfertig wie verträumt, gerade weil er seine ersten sechzig Jahre mit sozialen Kämpfen in seinem Viertel und für ein universelles Bürgerrecht verbracht hat, immer in vorderster Linie, immer auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Viele trugen noch die Anstecker und die gelb-blauen Caps mit der Aufschrift Zohran for mayor, man sah auch viele um den Hals gerollte Kufiyas, aber vor allem leuchtete der Platz von den orangefarbenen Schildern mit dem Motto des Tages: „Tax the Rich Fund Child Care“. Eine junge Frau hatte es sogar in Rot mit riesigen Buchstaben auf ihr Kleid geschrieben! In der Mitte des Platzes hielt ein junger Mann eine rote Fahne hoch, auf der eine weiße und eine schwarze Hand sich umfassen – Symbol für eine menschliche Gesellschaft, in der Freundschaft zwischen den Völkern herrscht und wirtschaftlich-kulturelle Ressourcen kein Privileg einer einzelnen Kaste, sondern für alle zugänglich sind.

Eins der Haupthindernisse für den Aufbau einer so strahlenden Gesellschaft scheint der nicht verteilte Reichtum zu sein. Das Problem ist nicht neu. Hat sich je ein Historiker die Mühe gemacht, die Aufstände im Laufe der Jahrhunderte zu zählen, bei denen die Arbeitenden im Mittelpunkt standen, ob als unterbezahlte Bauern oder als ausgebeutete Arbeiterinnen? Dieses so genannte kleine Volk hat es doch ebenso nötig, sich zu ernähren und von einem besseren Leben für sich und seine Kinder zu träumen!

Milliardäre zu besteuern (ab einer Million Dollar Einkommen pro Jahr aufwärts) könnte eine Umkehr des Prozesses ermöglichen. Wesentlich ist es, mit einem Plan vorzugehen, der in der Gegenwart wirkt und in die Zukunft reicht, so argumentierte ein junger Redner auf der „Bühne“. Wir haben eine Agenda, um die Lebenshaltungskosten in unserer Stadt wieder in die Grenzen zurückzubringen, die sich Familien der Arbeiterklasse leisten können; unser Projekt ist nicht aus der Luft gegriffen, denn wir haben die Menschen und speziell die Kinder in den Mittelpunkt gestellt. Die Kinder sind unsere Zukunft, die Zukunft der gesamten Gesellschaft. Ein anderer Aktivist erzählt von seiner Frau, die Lehrerin ist: Seit diesem Jahr können einige Kinder sich das Schulessen nicht mehr leisten und nicht mehr mit den anderen zusammen essen, weil die Trump-Regierung ihnen die soziale Unterstützung gestrichen hat, mit der sie das Essen bezahlen konnten. Ein anderer erzählt vom Haustürwahlkampf für Zohran: Eine Familie öffnete die Tür inmitten von Umzugskisten, fast unter Tränen, denn sie muss ausziehen. Das ist kein Einzelfall. Das Phänomen der Familien, die die Stadt verlassen müssen, nimmt zu, und mit ihnen gehen auch die Kinder, die Freude eines jeden Ortes. Die Stadtflucht muss sofort aufgehalten werden, sonst stirbt New York City, und das wird niemandem einen Vorteil bringen, auch nicht den Milliardären, auch wenn es ihnen noch nicht klar ist.

Über dieses und viele andere Themen sprechen Laura, Dzafer und ich: „Ja, halten die uns denn für dumm? Würden wir uns nicht auch lieber eine Wohnung kaufen können, anstatt Miete zu zahlen, was immer ein bisschen so klingt, als schmisse man das Geld zum Fenster hinaus? Wir können es uns im Moment nicht einmal leisten, bei Tisch darüber zu sprechen.“ „Ich musste mich entscheiden, meinen Sohn studieren zu lassen oder eine Wohnung zu kaufen – wir sind in der Mietwohnung geblieben.“ „Warum sind einige Menschen so gierig? Lieber geben sie Millionen Dollar aus, um den Aufstieg eines Politikers mit anderen Ansichten zu verhindern, als Steuern zu zahlen.“ „Ist das nicht auch eine Form von Dummheit?“ „Das ist die Krankheit der Macht, die Hand in Hand mit der Gier geht.“ „Mit Zohran hat das aber nicht geklappt, sie haben Millionen Dollar verspielt.“ „Hast du gehört, dass wir auch in Seattle gewonnen haben?“ „Na klar, mit Katie Wilson. Ist es nicht unglaublich, dass gerade jetzt neue politische Persönlichkeiten auftreten, die einen radikalen Wandel in der Gesellschaft wollen? Zohran ist der erste, aber ihm müssen viele folgen. Nur so schaffen wir es, wenn wir viele sind, entschlossen und einig.”

So verbringen wir eine schöne Stunde zusammen, wie alte Freunde im Café, die vergangene Geschichten und Zukunftshoffnungen austauschen; nur dass wir uns vor weniger als zwei Stunden zum ersten Mal begegnet sind. Oder genauer: Laura und Dzafer leben im gleichen Viertel und haben sich beim Haustürwahlkampf kennen gelernt. Laura ist Sizilianerin mit amerikanischer Staatsangehörigkeit, sie ist Künstlerin, Jazzsängerin und eine dynamische Stadtführerin. In New York hat sie sich verliebt, hat geheiratet und beschlossen, ihre Zukunft hier zu investieren. Dzafer ist Muslim und der typischste New Yorker, den ich je kennen gelernt habe. Er kam mit drei Jahren aus Montenegro in der Bronx an, ist dort aufgewachsen – in einer Straße voller Italiener –, dort lebt er und dort will er, wenn seine Zeit gekommen ist, sterben; lachend erzählt er, dass er erst vor wenigen Jahren zum ersten Mal in Brooklyn gewesen sei, als sein Büro verlegt wurde.

Zum Abschied umarmen wir uns. Auf dem Heimweg denke ich darüber nach, dass das gemeinsame Ideal einer besseren, gerechteren Welt die Menschen einander nahe bringt und ihnen eine neue, tiefere und – vielleicht sogar – endlich menschliche Kommunikation ermöglicht. Es bildet auf natürliche Weise einen Raum, in dem die persönlichen Unterschiede aufgehoben oder wenigstens ausgesetzt sind, im Namen von etwas Größerem, das allen gehört.

In dieser verrückten, magischen Zeit in New York, wo die Karten neu gemischt zu werden scheinen (jemand nannte es das „Momentum“, einen neuen Schwung), fühle ich mich manchmal so leicht, dass ein Windhauch genügen würde, und ich könnte fliegen.

Übersetzung aus dem Italienischen von Annette Seimer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!