Mit der Teilnahme von Aktivist:innen und Mitgliedern von Organisationen aus 55 Ländern fand am Samstag, dem 19. Juli, die dritte Vollversammlung des Humanistischen Weltforums statt.
Nach einer Einführung von Rose Neema aus Kenia und Remigio Chilaule aus Mosambik übernahm Julius Valdimarsson aus Island die Eröffnungszeremonie. Er forderte die Teilnehmer dazu auf, sich eine zukünftige menschenwürdige Gesellschaft und sich die dafür notwendigen Maßnahmen vorzustellen, um diesen radikalen Wandel in der Welt zu erreichen.
Zu den bedeutendsten Passagen der Zeremonie gehörte der Vorschlag dieses isländischen Humanisten, sich „Menschen aus aller Welt vorzustellen, die zusammenkommen, um ihre Gefühle, ihren Kummer, ihre Enttäuschungen, ihre Hoffnungen und ihre Wünsche auszutauschen, weil sie sich einfach ein glückliches Leben ohne Angst, Missverständnisse oder Leiden für sich und ihre Nächsten wünschen“.
An anderer Stelle schlug er den Teilnehmern vor, sich vorzustellen, „wie mit dieser menschlichen Organisation, mit diesem menschlichen Netzwerk gegenseitiger Absichten, die Menschen leicht die Kontrolle über ihr Schicksal, ihre Situation übernehmen könnten“.
„Ich stelle mir vor, wie die Menschen einfach die Macht übernehmen, ohne Gewalt oder Katastrophen … Ich stelle mir vor, wie die Menschen einen neuen Weg, ein neues Kapitel der Geschichte beschreiten, das sich erheblich von der bisherigen Geschichte der Menschheit unterscheidet … Ich stelle mir die Geburt eines wahrhaft menschlichen Wesens vor …“, fügte er hinzu.
Bevor er die Teilnehmer zu einer gemeinsamen Schweigeminute aufforderte, schloss er die gefühlvolle Zeremonie mit folgenden Worten: „Ich stelle mir eine wachsende Zahl von Gesellschaften in Städten, Dörfern, Nachbarschaften und Straßen vor, in denen es den Menschen gelungen ist, die Machtstrukturen zu verändern und die Zukunft zu öffnen … Ich stelle mir eine Universelle Menschliche Nation vor … Ich stelle mir eine neue Zukunft vor … Ich stelle mir die Menschen vor … Ich stelle mir eine strahlende, veränderte, menschliche Welt vor … Diese Botschaft gebe ich an alle Menschen weiter, die mir wichtig sind, an alle Menschen, die ich kenne, und an alle Menschen, die ich noch nicht kenne, aber irgendwann kennenlernen werde, und an alle anderen …“.
Anschließend begannen die Sitzungen der 16 thematischen Arbeitsgruppen, darunter zwei, die ihre Tätigkeit während der Vollversammlung aufnahmen.
Im Rahmen der Vorstellung der Arbeitsgruppe „Persönliche Entwicklung“ wies deren Initiator, Antonio Carvallo, darauf hin, dass „der Mensch zwar mittlerweile gut darin ist, die Geheimnisse und Komplexität der äußeren Welt zu verstehen und sich an sie anzupassen, das Paradoxe aber darin besteht, dass die Welt der Seele, des Geistes, des Leidens und der Freude – die innere oder psychische Welt – der menschlichen Wahrnehmung in vielerlei Hinsicht nach wie vor verborgen bleibt. Infolgedessen wissen wir gar nicht oder nur beschränkt, wie wir mit diesem Lebensbereich umgehen sollen. Der Großteil unseres Leidens und somit auch unserer eigenen Gewalt hat dort seinen Ursprung, lange bevor sie nach außen dringt.“
Der chilenische Aktivist, der seit den 1960er Jahren an der Seite des Gründers Silo das Wachstum der Humanistischen Bewegung begleitete, erklärte: „Die geplanten Arbeiten ermöglichen es uns, eine neue Perspektive und ein neues Verständnis von uns selbst zu gewinnen. Damit haben wir auch die Möglichkeit, wesentliche Schwierigkeiten in unserem Alltagsleben zu ‚entdecken‘ und zu überwinden. An unserer eigenen Entwicklung zu arbeiten und gleichzeitig anderen dabei zu helfen, das Gleiche zu tun, gibt unserem Leben neuen Sinn, neue Energie und neue Kraft.“
Unterdessen griff der indische Anwalt Meyyappan Easwaramoorthi bei der Vorstellung der Arbeitsgruppe zum Thema „Völkermord“ ein zentrales Anliegen auf.
„Die Definition des Begriffs Völkermord muss erweitert werden“, sagte er, „um damit auch die Ermordung einer einzelnen Person zu erfassen, die nur deshalb getötet wird, weil sie einer bestimmten Ethnie angehört, eine bestimmte Sprache spricht oder einem bestimmten Weg folgt. Völkermord zielt darauf ab, eine bestimmte Gruppe von Menschen zu vernichten und auszurotten. Er muss daher als ‚Mutter aller Verbrechen‘ behandelt werden, um so im generellen Interesse der Menschheit die Identifizierung, Anzeige und Bestrafung jedes Akts von Völkermord zu erleichtern, der von einer beliebigen Entität begangen wird.“
Um aktuelle Fälle von Völkermord, wie den in Gaza, zu unterbinden und ähnliche Tragödien in der Zukunft zu verhindern, forderte die Humanistische Partei Indiens die Aktivist:innen eindringlich auf, „mit aller Entschlossenheit zu debattieren, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Völkermord zu definieren, zu identifizieren und, was noch wichtiger ist, zu stoppen!“ Dies fand aufrichtige Zustimmung seitens der Vollversammlung.
Im Anschluss an den Austausch innerhalb der Arbeitsgruppen informierten die jeweiligen Sprecher:innen über den neuesten Stand ihrer Recherchen, Produktionen und geplanten zukünftigen Maßnahmen.
Beispiele für die vielen laufenden Initiativen sind der Austausch von Erfahrungen im Bildungsbereich zwischen verschiedenen Ländern oder die Einführung von Warnhinweisen in Bezug auf geschlechtsspezifische Gewalt und die diesbezügliche weltweite Präventionsarbeit mit Gemeinschaften.
Im Bereich „Frieden und Abrüstung“ liegt der Schwerpunkt auf der Konsolidierung einer Friedenskultur. Diese beginnt damit, dass in jedem individuellen und kollektiven Umfeld die persönliche Kohärenz und die universelle Goldene Regel – andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte – im Vordergrund stehen.
Die Arbeitsgruppe „Sozialökologie, Wirtschaft und Klimawandel“ konzentriert sich auf die Erweiterung ihres Netzwerks, knüpft Verbindungen zu verschiedenen Gruppen und organisiert Debatten, um so die Arbeit in diesem Bereich zu verdeutlichen und zu vertiefen.
Die Arbeitsgruppe „Gesundheit“ sieht ihre Hauptaufgabe in der Identifizierung der verschiedenartigen Gesundheitsprobleme in den einzelnen geografischen Regionen und der Formulierung von integralen Lösungsansätzen.
Die Veröffentlichung von Grundlagenmaterial für ein humanistisches Wirtschaftskonzept sowie die Unterstützung und Beobachtung möglicher Demonstrationseffekte bei der Umsetzung des bedingungslosen Grundeinkommens stehen im Mittelpunkt der Zusammenarbeit der entsprechenden thematischen Arbeitsgruppen.
Parallel dazu bemüht sich die Arbeitsgruppe „Menschenrechte“ auch weiterhin um eine Erweiterung des Menschenrechtsbegriffs im humanistischen Sinne. Ihr Ziel ist es, nicht nur notwendige erneuerte Definitionen zu finden, sondern auch eklatante Menschenrechtsverletzungen anzuprangern und sämtliche Bemühungen zu ihrer Verteidigung zu unterstützen.
Die Arbeitsgruppe „Universelle Menschliche Nation/Weltbürgerversammlung“ hat ein Konsultationsforum zu möglichen neuen kollektiven Systemen der Entscheidungsfindung und politischen Neuorganisation ins Leben gerufen. Sie schlägt die schrittweise, basisdemokratische Bildung einer Weltbürgerversammlung vor – ein Vorschlag, der den Vereinten Nationen unterbreitet werden soll.
Die verschiedenen Phänomene, die sich im Bereich der psychosozialen Revolutionen auf der ganzen Welt entfalten, werden von der gleichnamigen Arbeitsgruppe untersucht und verbreitet. Ziel der Gruppe ist es ebenfalls, mögliche spirituelle Verbindungen aufzudecken.
In ähnlicher Weise unterstützt die Arbeitsgruppe „Entkolonialisierung“ die starke Dynamik, die heute ganze Völker dazu bewegt, zu Recht ein Ende aller Formen der Ausplünderung zu fordern, auf Wiedergutmachung, echte Selbstbestimmung und mehr Chancengleichheit im Bereich der Entwicklung zu bestehen und sich gleichzeitig von der Denkweise zu verabschieden, die die Fortdauer des Kolonialismus innerhalb der jeweiligen Gesellschaften begünstigt.
Die Teilnehmer:innen der Vollversammlung waren Zeugen der Vorstellung der umfangreichen Arbeit, die von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe „Sport & Kunst für Frieden und Entwicklung“ mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Kenia geleistet wird. Die aus Kolumbien und Mexiko stammenden Sprecher:innen der Arbeitsgruppe „Frieden in der Geschichte und die Geschichte des Friedens“ berichteten über ihre Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen und gaben den Start eines dauerhaften Online-Radios zum Thema ihrer Arbeitsgruppe bekannt.
Darüber hinaus werden die Recherchen, Seminare und die Verbreitungsarbeit der Arbeitsgruppe „Humanistische Haltungen und Ausdrucksformen in verschiedenen Kulturen“ fortgesetzt. Die Arbeitsgruppe hat bereits ein sehr intensives Verbreitungsprogramm entwickelt.
Unter den verschiedenen Vorschlägen, die auf der Vollversammlung zur Sprache kamen, sticht einer besonders hervor: die weltweite Einführung einer täglichen Schweigeminute, um so auf die dringende Aufgabe der Humanisierung der Erde hinzuweisen.
Die Gruppe „Völkermord“ schlug vor, vielfältige solidarische Aktivitäten für die bedrohte palästinensische Bevölkerung zu organisieren und sich mit gleichgesinnten Bewegungen zu koordinieren, um gemeinsam Druck auszuüben und den Massenmord sowie die ethnische Säuberung ein für alle Mal zu beenden.
Abschließend möchten wir in diesem Zusammenhang die Überlegungen von Mahadia Dalal Elfranji zitieren. Sie ist eine palästinensische Künstlerin, die sich derzeit als Flüchtling auf den Philippinen aufhält und an der Vollversammlung teilgenommen hat.
„Als palästinensisch-philippinische Pädagogin, Künstlerin und Friedensaktivistin war diese Diskussion für mich keineswegs abstrakt. Sie berührte den Kern meiner Identität und meiner Arbeit. Ich trage die Last des Verlusts, aber auch die Verpflichtung zu Hoffnung und Gerechtigkeit. In meiner pädagogischen, künstlerischen und organisatorischen Arbeit habe ich stets daran geglaubt, dass Heilung und Widerstand eng miteinander verbunden sind. Die Arbeitsgruppe hat diese Überzeugung bekräftigt. Sie hat mich daran erinnert, dass kollektives Nachdenken kein Luxus ist, sondern ein Akt des Widerstands an sich.
Ich habe bei den Mitgliedern meiner Gruppe ein allgemeines Einvernehmen festgestellt: Solidarität muss auf Prinzipien beruhen und darf nicht nur eine Frage der Performance sein. Wir können es uns nicht leisten, abzuwarten. Das Forum hat die Möglichkeit, globale Narrative zu gestalten und Maßnahmen zu beeinflussen. Wir müssen mutig in unseren Verpflichtungen und klar in unseren Forderungen sein.
Ich möchte auch den Organisatoren aus Indien meinen tiefen Dank aussprechen. Sie haben unerschütterliche Solidarität, Mitgefühl und moralische Klarheit gezeigt. Durch ihre Anwesenheit und ihre kontinuierliche Unterstützung haben sie uns daran erinnert, dass Palästina nicht allein ist und dass Menschen mit Gewissen aus dem globalen Süden in diesem Kampf vereint sind. Das Mitgefühl und der Mut, die sie in die Versammlung eingebracht haben, spiegeln das Wesen dessen wider, was es bedeutet, Friedensstifter:innen zu sein, die sich für Gerechtigkeit einsetzen.
Die einfachste und dringendste Forderung lautet nach wie vor: Stoppt den Völkermord! Alles andere ist nur ein Mittel zum Zweck. Unsere Debatte endete nicht mit Worten, sondern hinterließ in jedem von uns ein Mandat. Mögen wir es mit Integrität, Mut und unerschütterlicher Liebe für diejenigen erfüllen, die unter Einsatz ihres Lebens Widerstand leisten, und für diejenigen, die ihren Ruf nach Gerechtigkeit lautstark verbreiten.“
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Conny Henrichmann vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!









