Wusstest du, dass die Morde, Vergewaltigungen und das allgemeine gewalttätige Chaos in New Orleans während des Hurrikans Katrina nicht wirklich stattgefunden haben, und dass es bei größeren Katastrophen ein festes Muster bei den Menschen gibt, keine Mühe zu scheuen, um sich gegenseitig zu helfen, dass die Nachrichtenmedien fälschlicherweise über Mord und Chaos berichten, und dass die Behörden, die annehmen, dass die meisten Menschen so sind wie sie selbst, bewaffnete Truppen schicken, um eine zweite Katastrophe zu  verursachen?

Wusstest du, dass der „Herr der Fliegen“ eine von einem gestörten Nazi-Anhänger erfundene Geschichte ist und das Gegenteil von verschiedenen realen Fällen beschreibt, in denen sich Kinder gegenseitig mit großer Freundlichkeit behandelt haben?

Wusstest du, dass das Stanford Gefängnis-Experiment ein totaler Schwindel war, der als umsichtig gesteuerter Test begann, bei dem Studenten als „Häftlinge“ auf sadistische Handlungen von „Wärtern“, ebenfalls Studenten, reagierten, und dass über die Sache später fälschlicherweise berichtet wurde, in der Form, dass bei diesem Test die Studenten, die die Wärter spielten, dargestellt wurden, als ob sie von sich aus spontane Grausamkeiten begangen hätten, wenn sie sich selbst überlassen waren?

Wusstest du, dass das schon davor durchgeführte Robbers-Cave-Experiment in gleicher Weise verfälscht war und es auf einen noch früheren Versuch folgte, bei dem Probanden unzureichend manipuliert und dazu gebracht wurden, unbedingt nett zueinander zu sein – so wie es die guten Menschen in einem späteren Versuch taten, um das Stanford – Experiment ohne die schriftlich vorgegebenen und gesteuerten Misshandlungen nachzustellen?

Wusstest du, dass das Milgram-Experiment auch nichts von dem aufzeigte, was behauptet wird, dass nur 56% der Teilnehmenden glaubten, die Elektroschocks wären echt, dass die Mehrheit von ihnen aufgab und sich weigerte, die Schocks zu verabreichen, dass diejenigen, die tatsächlich glaubten, dass sie Menschen Elektroschocks verabreichten und dies fortsetzten, sagten, dass sie dies deshalb taten, um der Wissenschaft zu helfen und hofften, dadurch dazu beizutragen, dass Krankheiten geheilt werden könnten – dass nur diese beiden Argumentationslinien bei ihnen zum Erfolg führte, während die bloße Anweisung, die Elektroschocks zu verabreichen, zu allgemeinem Ungehorsam führte?

Wusstest du, dass die Menschen auf der Osterinsel sich nicht selbst aus ihrem Lebensraum verdrängten, sie nicht gewalttätig wurden, sich gegenseitig töteten oder fraßen, dass sie in der Tat in guter Verfassung waren, als die Europäer ankamen, sie jedoch die Verschleppung in die Sklaverei und das Auftreten von neuen Krankheiten nicht überlebten?

Wusstest du, dass die große Weisheit der „Tragik der Allmende“ eine Lüge ist, dass die 38 befragten Personen gar keine Augenzeugen davon waren, wie Kitty Genovese angegriffen wurde, und also nicht dabei standen und nichts taten, um ihr zu helfen, und dass die ach so geschickte Strategie basierend auf der Broken-Windows-Theorie  nicht funktioniert und von demselben Betrüger angestoßen wurde, der hinter der Farce mit dem Stanford-Gefängnisexperiment steckt?

Wusstest du, dass Steven Pinkers in „The Better Angels of our Nature“ (Gewalt: Eine andere Geschichte der Menschheit) – genauso wie fast alles andere in dem Buch auch – den mörderischen Charakter indigener Jäger- und Sammlergruppen absolut falsch darstellt, dass die Yanomami nicht die Mörder waren, von denen man uns erzählte, dass Kriege in der langen Zeit der menschlichen Existenz eine Seltenheit waren und kein gemeinsamer und wesentlicher Bestandteil, und dass eine Reihe von Gesellschaften erforscht wurden, für deren Mitglieder die bloße Vorstellung von Mord nahezu unverständlich war?

Wusstest du, dass in der allermeisten Zeit der Existenz unserer Spezies unsere Vorfahren ein gleichberechtigtes, gesundes, geruhsames, verspieltes, und von Freundschaft und Mitarbeit geprägtes Leben geführt haben?

Die oben genannten Punkte sind einige Richtigstellungen von weitverbreiteten Auffassungen, die in Rutger Bregmans Buch Humankind: A Hopeful History („Im Grunde gut“) diskutiert und dokumentiert werden. Ob es sinnvoll oder gerechtfertigt ist, hoffnungsvoll zu sein, ob wir also eine gute Chance haben, mit den Gefahren von Atomkraft, Klima oder Krankheiten fertig zu werden, wird in diesem Buch nicht wirklich nachgewiesen. Ich bestehe weiterhin mit Sartre darauf, dass Menschen sich aussuchen können, zu tun, was immer sie wollen, völlig unabhängig davon, ob es das ist, was andere Menschen zu tun pflegten oder nicht. Aber was dieses Buch so gut macht wie kein anderes, das ich je gesehen habe, ist, dass es für diejenigen, die sich auf frühere Verhaltensweisen berufen, die weit verbreitete Behauptung widerlegt, dass Menschen generell böse sind und dies unter einem Anstrich von Zivilisation verbergen.

Bregman bezeichnet unsere Spezies als „Homo Puppy“, weil wir uns im Vergleich zu den Neandertalern anscheinend selbst in Richtung des Überlebens der Freundlichsten domestiziert haben, so wie die Auswahl der freundlichsten Wölfe zu freundlichen Hunden führen kann. Seit der Agrarrevolution ist unsere Spezies vom Weg abgekommen, behauptet Bregman. Unsere Entwicklung zielte nicht auf Oligarchien, schwere Arbeit, Privateigentum und stehende Heere. Wie wir mit dem Chaos, das wir angerichtet haben, umgehen, bleibt abzuwarten. Doch ob wir den Menschen erzählen, dass sie sich offenbar selbst entscheiden können, wie sie sich verhalten, also ob wir uns Bregman anschließen und ihnen sagen, dass Menschen im Grunde genommen gut und anständig sind, oder ob wir uns den Abendnachrichten anschließen und den Menschen sagen, dass das Böse und der Zynismus der Maßstab sind, das spielt auf alle Fälle eine Rolle.

Es ist wegen der Placebo-, Nocebo-, Pygmalion– und Golem– Effekte von Bedeutung, wie Bregman behauptet. Wenn man jemandem erzählt, dass er geheilt wird, dann wird er wahrscheinlich auch geheilt. Wenn man jemandem sagt, dass er krank wird, dann wird er wahrscheinlich auch krank. Dasselbe trifft zu, wenn man ihnen sagt, dass sie liebenswürdig und großzügig sind und dass dies bewundernswerte und  vorteilhafte Wesenszüge sind, oder wenn man ihnen das Gegenteil sagt. Wenn man Wirtschaftswissenschaften studiert und dabei lernt, dass die Menschen abartig egoistisch sind, neigt man dazu, noch egoistischer zu werden. Gleichermaßen verhält es sich mit den Pygmalion- und Golem- Effekten: Wenn man den Menschen sagt, dass sie erwarten können, dass die anderen zuverlässig oder aber schändlich sind, werden sie sich so verhalten, als wären diese es auch. Und dies wiederum wird in entsprechender Weise Einfluss auf eben jene anderen Menschen haben.

Wenn wir also darauf bestehen, dass Menschen mehr oder weniger immer so sein werden, wie sie bislang gewesen waren, und wir die Option haben, entweder zu glauben, dass sie freundlich und großzügig waren, wie es die Tatsachen nahelegen, (dass unser Überleben nicht nur von der Zusammenarbeit abhing, sondern auch davon, dass wir ganz fürchterliche Lügner und uns ganz selbstverständlich aufopfernde Freunde für andere waren,) oder den Lügen der üblen Geschichten und den Scheinexperimenten zu glauben, dann sollten wir uns an die Fakten halten. Bregman weist darauf hin, wie man diesen Ansatz auf Unternehmen, Schulen, Gemeindeverwaltung, Strafjustiz, Fanatismus und Krieg anwenden kann. Die Anwendung auf den gesamten Bereich des massenhaften Tötens würde meines Erachtens voraussetzen, dass man die Idee eines von Natur aus bösen Feindes fallen lässt und das Militär abschafft.

 

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Der Originalartikel kann hier besucht werden