Ende 2024 erschien im Spiegel eine Wissenschaftsreportage, die zeigt, dass das Aufkommen individueller Selbstwerdung auf der mittleren Bewusstseinsstufe des Lebens, also im Tierreich, vorzufinden ist: afrikanische Elefanten trauern nicht nur jahrelang noch nach dem Tod von Ahnen, indem sie die Orte, wo die Knochen sich befinden, gemeinschaftlich aufsuchen, sondern sie geben sich nach neuesten Forschungsveröffentlichungen sogar individuelle Namen durch bestimmte differenzierte Laute, welche in der Herde auf jedes Individuum gezielt und wiederholt angewendet werden.

Zäsur der Spätmoderne

Daraus folgt, dass die Menschheit als höchste potentielle Bewusstseinseinheit des Lebens in dem Maße zu sich selbst findet, als sie das bornierte Ego transzendiert, indem das Selbstsein einerseits als lebenslange Reise der Selbsterkenntnis verstanden und andererseits die fragmentierende Tendenz des spätmodernen Ego im Sinne der Wellen der Zivilisation nach Giambattista Vico und Norbert Elias gemeistert wird, indem eine relative Nivellierung der Vorstellungskraft einsetzt:

Ich heiße das Nicht-Dies-oder-das-Sein willkommen“ (taoistischer Sinnspruch).

Der Pariser Psychologe Lacan fasste diese transepochale Wirklichkeit in folgenden Worten zusammen: „Le réel n’est pas le monde des mots“ („Das Reale ist nicht die Welt der Worte„), laut Jacques-Marie Émile Lacan ist vielmehr das „Dasein die Art und Weise, auf welche sich das Wirkliche verkleidet„. Das heißt, ebenso wie in der fernöstlichen Tradition und der altgriechischen sowie ptolemäischen Weltanschauung ist die universale Verschränkung zentraler Referenzpunkt menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns.

Um also die spätmoderne, von Leitmedien forcierte und von der westlichen Politik potenzierte Fokussierung auf das Ego im Hegelschen Sinn überwinden zu können, bedarf es zunächst der kollektiven Aufarbeitung und dann der gesellschaftlichen Anknüpfung an die besten Traditionen der nun zu Ende gehenden Moderne, etwa durch einen neu konstruierten, konkreten Humanismus.

Der aktuelle Pfad des Transhumanismus fördert hingegen eine unbewusste Verstetigung obsoleter, digital untermauerter Trennungsillusionen: Illusion der Trennung von der inneren sowie äußeren Natur und Trennungsillusion innerhalb der Menschheit.

Die moderne Kultur des Entweder-Oder und der extremen Standardisierung mit industriekapitalistisch eingehegter Konzentration auf körperliche Befriedigung sollte stattdessen durch das Sowohl-als-Auch der antiken Zivilisationen graduell sowie interkulturell mittels Wiederaufnahme strukturell-ganzheitlicher Befriedigung (das Ausatmen als Hingabe an das Leben, die Gemeinschaft, die Menschheitsseele im Sinn der vedischen Schriften begreifend) überwunden werden, was auch die Harmonie in der Gesellschaft erhöhen und so Konflikte verringern würde.

Ausblick neue Ära

Die Vorgeschichte der Menschheit scheint allmählich zu Ende zu gehen nach einem Jahrhundert der Weltkriege und des Krisensystems Faschismus (welche die soziale Herrschaft der Bourgeoisie unter Modifizierung ihrer politischen Herrschaftsdynamik abzusichern hatte), denn die Neue Seidenstraße mit ihren nördlichen Endpunkten in Hamburg und Duisburg öffnet eine auf Frieden und win-win-Beziehungen ausgerichtete, neue Entwicklungslogik, welche über die koloniale Logik der vergangenen 500 Jahre hinausweist.

Freilich erleben wir seit einigen Jahren den Kampf um die Interpretation der Moderne, aber auch einen noch stillen, kaum sichtbaren Neuordnungsprozess von unten bzw. aus dem Osten; seit 35 Jahren pazifistisch ausgerichtete Garantiemacht Beijing. Seit 2023 ist Beijing in Westasien in Folge des Vertrags zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Teheran und Riad neue Garantiemacht. Überdies veröffentlichte schon vor einem Jahrhundert ein Wissenschaftler im damals sowjetischen Mittelasien ein vielbeachtetes Werk zum planetaren Bewusstsein.

Neue Ära, neue Aufgaben

Ebenso wie die antiken Ägypter pflegten auch die Maya das äußere Leben gemäß innerer Ordnungsprinzipien zu gestalten; beispielsweise orientierten sich beide Hochkulturen an den zehn Fingern, was zur 10 Tage-Woche führte (welche in Frankreich 1792 im Revolutionskalender für eine Dekade gleichsam als interepochales Zeitfenster manifestiert wurde). Auch bei südamerikanischen Indigenen findet man stets Schlussfolgerungen, welche die entscheidende Entsprechung von innerem und äußerem Kosmos verdeutlichen.

Die Illusion der Trennung war auch ein wichtiges Thema des altchinesischen Lao Tse, der als Hauptwerk das Daodejing verfasste, dass den Tao/Weg (aus dem Chinesischen transkribiert auch: Dao) als holistische Lebensphilosophie im Einklang mit der Natur und ihrer femininen Tao-Lebensenergie beschreibt.

Im Folgenden einige Aphorismen in Anlehnung an das „richtige Denken“ nach Epikur sowie gemäß Lao Tse und der daraus in zweieinhalb Jahrtausenden erwachsenen taoistischen Tradition.

  1. „Gewiss gibt es dornige Diesteln, die auf Schlachtfeldern gedeihen; doch das handelt Tao zuwider.“
  2. „Wer Freude an der Idee des Tötens findet, kann im Universum nicht aufleben“ (taoistische Weisheit).
  3. „Tiefes Selbstsein ist ohne Streben, nicht aber ohne Handlung“ (Axiom des Taoismus).
  4. „Leere findet ihren Weg durch jeden Widerstand“ (taoistische Maxime).
  5. „Jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat, die den Frieden ☮️ willentlich und wissentlich stört, ist unrecht.“

Albert Einsteins Raum-Zeit-Kontinuum sowie, mehr noch, die Quantenphilosophie bestätigen vollständig die antike chinesische Weisheit hinsichtlich des einen, unteilbaren Bewusstseins (Tao), das auf dem Prinzip der gegenseitigen Ergänzung von Yin, durch den reflektierenden Mond verkörpert, und Yang, versinnbildlicht durch die strahlende Sonne, beruht:

Die Gegenwart bedeutet Erleuchtung, das Leben ist das Heiligste, raus aus dem inneren Kriegszustand: Frieden fließt von den Körpern mit Licht nach außen und durchleuchtet den Schatten „.

Hierfür ist auf individueller Ebene von zentraler Bedeutung: den Atem zu lieben.

Denn der bewusste Atem lässt uns der universalen Verbundenheit allen lebendigen Seins unmittelbar gewahr werden und er reguliert den gleichmäßigen Austausch zwischen innen und außen.

Dann strahlt das Leben gleichsam bewusst aus: man wird strahlend statt blendend.