Wenn es in Ganvié, in Benin, einen medizinischen Notfall gibt, kommt die Ambulanz im Boot. Will eine*r der Einwohner beten, so nutzt sie oder er das Boot an den Tagen des Gottesdienstes. Das ganze Leben dieses Städtchens mit seinen etwa dreissigtausend Einwohnern in den 21 Stadtvierteln spielt sich auf dem Nokoué-See nördlich der Hauptstadt Cotonou ab.

Es handelt sich um eine der ungewöhnlichsten afrikanischen Kulturen mit einer faszinierenden Geschichte.

Die Anfänge

Die örtlichen Historiker sprechen von einer dunklen Periode zu Beginn des 17. Jahrhunderts, geplagt von Sklavenjagden und inneren Kriegen. In einem Gebiet, das dem heutigen Togo entspricht, lebte ein König mit Namen Agbogdobe, der sich entschloss, um dieser dramatischen Situation zu entkommen sein Land zu verlassen und nach einem sichereren Zufluchtsort zu suchen.

Nach der Legende nutzte er seine magischen Kräfte, um sich in einen Vogel zu verwandeln und einen Ort in der Mitte eines Sees ausfindig zu machen. Bei seiner Rückkehr forderte e seine Eingeweihten auf, sich wie auch er in Krokodile zu verwandeln, um das Volk und das nötige Baumaterial für das Dorf hinzubringen. So kam es, dass das Volk Tofinou seine neue Kultur entwickelte.

Die Ganvié-Kultur

Die Häuser wurden auf Pfählen mit Bambus, Teakholz, das unter Wasser nicht fault, und mit Stroh und anderen Naturmaterialien gebaut. Dazu kamen die traditionellen Gerichtshäuser, Amtsgebäude, Märkte, Schulen und religiösen Stätten. Bis heute gibt es keine Straßen, sondern nur Kanäle, und die Leute verkehren auf Pirogen. Es gibt auch kleine künstliche Inseln, um den Kindern zu helfen, auf dem Festland zu laufen, wo religiöse Zeremonien stattfinden.

Markt in Ganvié. Foto Christoph Wolf, Wikimedia Commons

Die Einwohner leben seit Jahrhunderten friedlich zusammen und haben verschiedene Religionen, unter denen das Voodoo die vorherrschende ist. So bedeutet auch der Name Ganvié „Die Eintracht bewahren“.

Fischen ist die Hauptbeschäftigung; außer den Netzen, die von den Pirogen und Kanus ausgeworfen werden, grenzt sich jeder Fischer mit Holzstecken und Büschen einen Bereich ab, in den die Fische sich verfangen. Dieses Verfahren wird durch die geringe Tiefe des Sees ermöglicht, die an manchen Stellen nur einen Meter beträgt.

Netze für den Fischfang. Foto Jbdodane, Flickr

Der Nokoué-See ist mit dem Meer verbunden, somit ist sein Wasser brackig; mit Unterstützung des Staates wurde ein System von Quellöchern angelegt, zu denen die Bewohner mit ihren Pirogen gelangen, um ihre Kanister mit Trinkwasser zu füllen.

Angesichts seiner Faszination und seiner Originalität ist Ganvié zu einer Touristenattraktion geworden und steht seit 1996 auf der Vormerkliste der UNESCO in Erwartung einer Klassifizierung als Weltkulturerbe.

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Die Übersetzung aus dem Italienischen wurde von Bruno Sandkühler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!