Auch wenn es schwerfällt, sollte nicht unterlassen werden, kühlen Blickes genau hinzusehen und zu beobachten, was derzeit geschieht. Der Jahrestag der russischen Invasion wurde bereits auf dieser Seite des Konfliktes genügend aufbereitet.

Von Gerhard Mersmann

Auch wenn es schwerfällt, sollte nicht unterlassen werden, kühlen Blickes genau hinzusehen und zu beobachten, was derzeit geschieht. Der Jahrestag der russischen Invasion wurde bereits auf dieser Seite des Konfliktes genügend aufbereitet.

Das Schwarz-Weiß-Malen ist etabliert. Hier die russischen Gräuel, dort die Guten und Wahren, die für Demokratie und Freiheit kämpfen.

Wer den Konflikt seit Beginn dieses Jahrtausends verfolgt, weiß, dass es zwei Seiten gab, die sich in der Ukraine unversöhnlich gegenüberstanden. Und das waren nicht die Ukrainer und die Russen.

John McCain, Joe Biden, Barack Obama

Das US-amerikanische Interesse, daraus einen heißen Konflikt entstehen zu lassen, war spätestens zu dem Zeitpunkt dokumentiert, als ein Herr McCain, seinerseits US-Senator, mit einer Waffe auf dem Kiewer Maidan am Rednerpult stand (1) und ein gewisser Herr Biden, seinerseits Sonderbeauftragter des Präsidenten Barack Obama für die Ukraine, dort begann, die Vorbereitungen für den Showdown mit Entschlossenheit zu treffen. Seine rechte Hand dabei hieß übrigens Antony Blinken. (2)

Das alles, um nur kurz daran zu erinnern, spielte sich bereits 2013/14 ab. Danach war ein Regime Change vollzogen und ab diesem Zeitpunkt wurden pausenlos Waffen in das Nicht-NATO-Land geliefert.

An dieser Stelle sei es mir erlaubt, zu erwähnen, dass ich in den Jahren 2015 bis 2017 insgesamt dreimal die Ukraine besuchen konnte. Zweimal davon war ich in Kiew, einmal in Czernowitz an der rumänischen Grenze. In Kiew traf ich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus der gesamten Ukraine und konnte mich ausführlich mit ihnen über den Zustand des Landes und ihre Entwicklungsperspektiven unterhalten.

Mir liegt nicht daran, die negativen Erscheinungen in Sachen Korruption, Wirtschaftskriminalität und Oligarchentum auszutreten. Interessant für mich war eines: Alle, mit denen ich sprach, waren der Meinung, dass man den Donbass wie die Krim Russland geben solle, damit Ruhe sei.

Die Menschen aus den genannten Gebieten fühlten sich nicht nur als Russen, sondern es waren auch welche. Und die anderen wollten mit dem Abtreten dieser Gebiete ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Es herrschte die Meinung vor, jeder solle seiner Wege gehen und versuchen, sein Glück zu finden. Der Konflikt, der bereits immer wieder Tote auf beiden Seiten forderte, war aus der Sicht beider Lager eine Tragödie, die möglichst schnell beendet werden sollte.

Geschäftsmodell Ukraine-Krieg

Es ist nachvollziehbar, dass eine Eskalation, wie sie die Invasion dargestellt hat, die ihrerseits auf Beschlüsse aus Kiew erfolgte, sich die zwischenzeitlich nach Russland zurückgeholte Insel Krim zurückholen zu wollen, vieles verändert. Die relativ entspannten Standpunkte, wie ich sie bei meinen Besuchen erlebt hatte, waren nicht mehr vorhanden, und jeder Verlust, den ein Krieg mit sich bringt, führt zu Anfang zu Rachegedanken. Dennoch sollte man die Wünsche, wie sie damals formuliert wurden, nicht aus den Augen verlieren.

Die Einzigen, die diese Sicht der Ukrainer auf ihr eigenes Land nicht interessiert, scheinen all jene zu sein, die an dem Krieg gewinnen. Dabei geht es weder um Demokratie noch Menschenrechte. Es geht um Geld und Ressourcen. Übrigens wie immer bei Kriegen.

Und weder ein Präsident Joe Biden, der zu den Konstrukteuren des Krieges gehört, noch die gesamte NATO-Entourage, noch die als Appendix derselben geschrumpfte EU weichen von dem ab, was am besten als Geschäftsmodell Ukraine-Krieg bezeichnet werden muss.

Der höchste Preis

Während Präsident Biden und sein Adjutant Blinken mit dem Ölkännchen auf Reisen sind, um das Feuer am Lodern zu halten und damit an einem Flächenbrand zu arbeiten, der in Europa und Asien aber nicht bei ihnen zu Hause brennen soll, hat China nun die Initiative ergriffen, um die Optionen einer Beendigung der Kampfhandlungen auszutarieren.

Dass diejenigen, die am Geschäftsmodell des Krieges verdienen, und jene, die auf der Payroll der Kriegsgewinnler stehen, sich gegenseitig überbieten, um China böse Absichten zu unterstellen, versteht sich fast von selbst.

Dass China mit seinem Versuch, den Krieg zu beenden, nicht alleine steht, hatte bereits der brasilianische Präsident Lula da Silva (3) zu erkennen zu geben. Das politische Personal des freien Westens hingegen befindet sich im Rausch einer florierenden Kriegswirtschaft. Den höchsten Preis zahlt die Ukraine. Als Staat und als Volk.

Quellen und Anmerkungen

(1) John Sidney McCain (1936 bis 2018) war ein US-amerikanischer Berufssoldat und Politiker der Republikanischen Partei. Von 1987 bis zu seinem Tod war er Senator für den Bundesstaat Arizona. 2008 kandidierte er für die Republikaner bei der Präsidentschaftswahl. Schon 2000 hatte er sich um das Amt des US-Präsidenten beworben.

McCain nahm als Jagdbomberpilot am Vietnamkrieg teil. 1967 wurde sein Flugzeug abgeschossen und McCain gefangenen genommen. Fünfeinhalb Jahre war er Kriegsgefangener in Nordvietnam. Nach seiner Rückkehr in die USA blieb er bis 1979 als Soldat bei der United States Navy.

Als Politiker war McCain ein Kriegstreiber und Befürworter militärischer Interventionen. Unter anderem organisierte er im Jugoslawienkrieg (1991 bis 2001) für die Regierung von US-Präsident Bill Clinton bei den Republikanern Unterstützung für den militärischen Einsatz. 1998 unterstützte er eine Resolution, die einen Regimewechsel im Irak und einen Sturz des Diktators Saddam Hussein forderte. McCain, der die russische Staatsführung mehrfach scharf kritisierte, unterstützte während der Euromaidan-Proteste 2013 in der Ukraine die EU-freundliche Opposition.

(2) Antony John Blinken (Jahrgang 1962) ist ein US-amerikanischer Politiker (Demokratische Partei) und seit Januar 2021 Außenminister der USA im Kabinett von US-Präsident Joe Biden.

(3) Luiz Inácio Lula da Silva (Jahrgang 1945) ist seit dem 1. Januar 2023 Präsident Brasiliens. Das Amt hatte er bereits vom 1. Januar 2003 bis zum 1. Januar 2011 inne.

Der Originalartikel kann hier besucht werden