Eine Fairtrade-Firma zeigt, wie Handel wirklich gerecht läuft: Sie beteiligt die Bauernfamilien am Umsatz – und zwar direkt.

Urs P. Gasche für die Onlinezeitung Infosperber

Zum Beispiel 13 Kilo Bio-Orangen aus Griechenland: Wer sie kaufen will, muss sie vorbestellen. «Wir verschicken sie sofort nach der Ernte. Wann dies sein wird, können wir nicht genau vorhersagen. Sie bestellen also im Voraus und warten die Ernte ab.» So funktioniert Gebana – eine Art weltweiter Hofladen. Weltweit deshalb, weil man bei Gebana nicht einfach Bio-Früchte oder Bio-Gemüse bestellt, sondern Dörrkirschen aus dem Karakorum-Gebirge in Pakistan, Ananas aus Togo oder Kichererbsen, die auf Ländereien wachsen, die einst der Mafia gehörten und vom italienischen Staat konfisziert worden sind.

Warum ausgerechnet Austern?

Speziell sind auch die holländischen Austern. Unwillkürlich fragt man sich, warum ein sozial bestimmtes Bio-Unternehmen ausgerechnet Austern anbietet. Die Lösung des Rätsels: Es handelt sich um wilde Austern aus dem Wattenmeer, die von Hand gesammelt werden, weil sie dort als invasive Art das Ökosystem bedrohen.

Gebana betreibt fairen Handel. Doch «Fairtrade» steht mittlerweile auf vielen Produkten, auch auf jenen der Grossverteiler und Discounter. Das Fairtrade-Label Max-­Havelaar verspricht faire Löhne und legt einen Mindestpreis sowie eine Prämie für die gehandelten Produkte fest. Erstaunlich ist, dass die bessere Entlöhnung der Bauern keinen grossen Einfluss auf den Preis dieser Produkte zu haben scheint.

Denn Fairtrade-Milchschokolade gibt es zum Beispiel bei Coop schon ab 50 Rappen pro 100-Gramm-Tafel. Die Fairtrade-Bio-Datteln der Migros kosten rund 14 Franken pro Kilo – das ist gleich viel, wie konventionelle Datteln ohne Fairtrade-Label kosten.

Deshalb stellt sich die Frage: Erhalten die Bauern tatsächlich mehr Geld, wenn ihre Produkte mit diesem Fairtrade-Label zertifiziert sind? Das weiss niemand. Denn die Fairtrade-Prämien werden an Kooperativen ausbezahlt, die selbst entscheiden, wie sie es einsetzen und es nach ihrem Gutdünken investieren können. Die Bauern bekommen vom Geld, das in der Schweiz mit ihren Produkten verdient wird, sehr wenig zu sehen.

Dies hat nichts mit bösem Willen zu tun, sondern ist eine Folge des Handelssystems. «Die Bauern sind in diesem System lediglich die Lieferanten der Rohwaren, der Rest läuft ohne sie ab», erklärt Adrian Wiedmer, Präsident des Gebana-Verwaltungsrats. Auch Gebana betreibt Fairtrade – aber etwas anders.

Mehr als eine kleine Fairtrade-Prämie

Der Verwaltungsrat des Handelsunternehmens fragte sich vor fünf Jahren ernsthaft: «Was heisst eigentlich gerechter Handel?» Die Aktionäre und Aktionärinnen kamen zum Schluss: Den Gewinn und den Umsatz zu teilen, ist gerechter, als eine kleine Fairtrade-Prämie zu verteilen.

Bei Gebana funktioniert es seit 2019 deshalb anders: Das Unternehmen zahlt zusätzlich zum Kaufpreis der Produkte zehn Prozent des Umsatzes an die Bauernfamilien aus. Ein völlig unübliches Vorgehen. So direkt erhielten bisher weder die griechischen Orangen-Produzenten noch die Cashewnuss- und Mango-Lieferanten in Burkina Faso eine Umsatzbeteiligung für ihre Arbeit.

Und auch für Gebana waren die ersten Direktzahlungen ungewohnt. In Griechenland konnten sie den Orangen-Bauernfamilien ihren Anteil aufs Konto überweisen. Doch in Burkina Faso haben die meisten Produzenten kein Bankkonto. Mit Bargeld durch Burkina Faso zu fahren und es Tausenden von Familien zu übergeben, das schien den Gebana-Mitarbeitern allerdings zu gefährlich So haben sie beschlossen, das Geld, wenn immer möglich, per Handy zu überweisen. Adrian Wiedmer schildert, wie solche Auszahlungen ablaufen: «Die Bauernfamilien versammeln sich auf dem Dorfplatz. Nach ein paar Reden werden alle Handy-Nummern aufgeschrieben und dann das Geld übermittelt. Die Empfänger sehen noch auf dem Dorfplatz, dass es angekommen ist», erklärt Adrian Wiedmer.

 Die Prämie kommt aufs Handy

Auf dem Dorfplatz werden die Handy-Nummern der Bauernfamilien aufgeschrieben und dann das Geld übermittelt. (Bild: © Gebana)

In Dörfern, die wenig Waren liefern, erhält jede Familie vielleicht nur gerade 4 Franken, in anderen Dörfern können es auch weit über 200 Franken sein. Im Durchschnitt sind es 80 Franken pro Bauernfamilie. Zumindest sollte es aber keinen Unfrieden geben. Denn innerhalb eines Dorfes erhalten alle den gleichen Betrag. Und auch kleine Beträge werden geschätzt. Landwirtschaftliche Tagelöhner verdienen etwa 1.55 Franken pro Tag, der Mindestlohn für Arbeiter liegt bei rund 54 Franken pro Monat.

«Gebt das Geld bitte nicht für Bier aus»

Für Gebana ist es wichtig, dass der Gewinn am richtigen Ort ankommt. «Wir möchten auch, dass die Bauernfamilien mit dem Geld machen können, was sie für richtig halten», sagt Adrian Wiedmer. Trotzdem mahnte der Gebana-Mitarbeiter bei der ersten Gewinnverteilung im Dorf Tapogodéni im Südwesten Burkina Fasos: «Gebt das Geld aber bitte nicht für Bier aus oder um eine weitere Frau zu heiraten.» Nach dem Gelächter der Anwesenden fuhr er ernsthafter fort: «Wir empfehlen euch, das Geld in eure Arbeit zu investieren. Bezahlt damit Helfer während der Ernte, kauft neue Werkzeuge, denkt an die Zukunft.»

Gebana teilt derzeit erst auf etwa die Hälfte des Online-Umsatzes jeweils zehn Prozent mit den Produzenten. «Wir sind einfach noch nicht bei allen Produzenten so nah dran, dass wir sie direkt auszahlen können», erklärt Adrian Wiedmer. «Nah dran» ist Gebana vor allem dort, wo sie Tochterfirmen hat, das heisst vor allem bei Cashewnuss-, Kakao-, Dörrfrucht- und Zitrusfrucht-Lieferanten. Neu beteiligt das Unternehmen auch 200 Bauernfamilien in Brasilien, welche für ihr Paranuss-Lieferungen rund 15’000 Franken erhalten. Als nächstes könnten die Produzenten der Datteln aus Tunesien, der Haselnüsse aus Georgien, der getrockneten Ananas aus Togo und der Bergfeigen aus der Türkei ihren Gewinnanteil erhalten – und zwar auf Gebana-Art direkt aufs Handy, wenn sie keine Kontonummer haben.

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