„Krieg. Und. Alles ist falsch.“ So beginnt das Handbuch gegen den Krieg von Marlene Streeruwitz.

Wie ein großes Poem dekliniert die Autorin den Krieg als solchen, das, was in jedem Krieg gleich ist:Krieg als das Gegenteil von Zivilisation, von Ethos, des Demokratischen.Krieg als ständige Information, Lektionen werden erteilt. Über Frieden hingegen erfährt man nichts.Krieg als die Zuordnung der Menschen zu einer Nation, einer Minderheit, einem Geschlecht, einer Religion, einer Weltanschauung oder einer Herkunft.

Krieg als Rassismus.

Krieg als Erpressung, Angsterzeugung, als immer erneuerte Fortsetzung der Kriegerkultur. Krieg als Geiselnahme der Personen durch die Mächtigen, als Entwertung der einzelnen Menschen und ihrer Bedürfnisse. Der Krieg garantiert den Erhalt der direkten patriarchalen Hegemonie.

Natürlich ist der Krieg ein Produktionsmittel, er erzeugt Profit. Er ist Ausbeutung, er ist Industrie und Handel. Er erhält Eliten.

Er ist reine Verachtung des Lebens.

Krieg ist Rechtlosigkeit.

Auf der Bühne des Krieges übt man sich in Wahrsagerei, in Überwältigung. Mithilfe immer stärkerer Bilder des Schreckens, mithilfe der Beutezahlen von Toten, Verwundeten und Vertriebenen. Und mithilfe der Erzählung von einer Anordnung der Welt, die als einzig mögliche behauptet wird. Krieg ist der Rückfall in archaische Vorstellungen von Macht.

Der Krieg ist immer eine Fortschreibung der Vertreibung aus dem Paradies. Aus einem Zustand der Freude, aus der Lust am Leben. Der Krieg verwandelt unsere Leben in auktoriale, patriarchale, autoritäre Anordnungen.

Die Scherben des Krieges haben wir aufzusammeln und zu sortieren, damit werden wir beschäftigt: „die Drecksarbeit des Patriarchats in der Archivierung der Gewalttätigkeit“. So herrscht immer Krieg und immer Angst.

Und die Propaganda: psychotische Berichte aus der künstlich erzeugten Psychose Krieg. Jede rationale Erwiderung wird zum Verbrechen gegen die aufgezwungene Realität erklärt. Krieg erfordert Zensur.

Der Krieg drängt sich ins Leben aller und verlängert das Trauma unserer Kulturen. Er ist die Grammatik der Mächtigen. Er verhindert, dass wir uns dem Leben, unseren Vorstellungen und Wünschen, subjektiven und gesellschaftlich-demokratischen Prozessen hingeben.

Krieg ist die Verschärfung der Gewalt ins Tödliche.

Frieden hingegen wäre Leben, wäre die Suche nach einer Kultur, die sich vor einem Zustand ohne Krieg nicht fürchtet. Die versucht, Vorstellungen von Konfliktlösungen ohne Gewalt zu praktizieren. Eine Konsenskultur ohne Ausgrenzung. Die Suche nach einer anderen Gesellschaftlichkeit, nach Heilung von der Entfremdung. Demokratie wäre das Ende des „allwissenden auktorialen Entwurfs“, das auf Frieden bestehen muss. Demokratie und Krieg sind unvereinbar. Und Frieden beruht auf der Gleichberechtigung aller und deren rechtlicher Sicherung.

Frieden ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Und Waffenstillstand ist die Voraussetzung, um den Möglichkeitsraum zu betreten und sich Frieden vorzustellen. Demokratisch und gerecht.

Von daher ist Marlene Streeruwitz‘ Buch ein Appell, der das Wesentliche berührt. Ich würde mir wünschen, dass jeden Tag eine Seite, eine These dieses schmalen Buches diskutiert wird, überall, in der Schule, in den Bezugsgruppen, in den Nachbarschaften, in den Medien, in den Freundschaften. Damit wir uns in einen demokratischen, einschließenden, umfassenden, vielschichtigen Prozess der Erkenntnis begeben, was Krieg ist und mit uns macht. Und wie Frieden zu gestalten wäre.

Marlene Streeruwitz: Handbuch gegen den Krieg. bahoe books, Wien 2022. 104 Seiten. ca. 24.00 SFr., ISBN 978-3-903290-76-1

Der Originalartikel kann hier besucht werden