Sammelabschiebung nach Idomeni in Griechenland 2016 war laut EGMR legal.

Nach der Abriegelung der europäischen Grenzen im Jahr 2016 strandeten tausende Geflüchtete in informellen Flüchtlingslagern in Griechenland. Im März brach eine Gruppe von mehr als 1.500 Geflüchteten von Idomeni nach Nordmazedonien auf, um Sicherheit zu finden. Wenige Kilometer hinter der Grenze wurden sie abgefangen, eingekesselt, auf Lieferwagen verladen, zum Grenzzaun gefahren und von bewaffneten Beamten durch Löcher im Zaun nach Griechenland zurückgezwungen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute entschieden: Dieser Massen-Pushback verstößt nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Die acht Beschwerdeführer*innen in dem Fall „A.A. und andere gegen Nordmazedonien“, unterstützt vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und PRO ASYL, prüfen nun Rechtsmittel einzulegen.

„Der Gerichtshof ignoriert die damaligen tatsächlichen Verhältnisse an der Grenze ebenso wie die Tatsache, dass es monatelang gänzlich unmöglich war, irgendwo in Nordmazedonien Asyl zu beantragen“, kommentiert Hanaa Hakiki, Senior Legal Advisor beim ECCHR. „Die Schlussfolgerung, dass eine derartige Massenausweisung menschenrechtskonform ist, höhlt den Menschenrechtsschutz an der Grenze weiter aus.“

Die Beschwerdeführer*innen, eine Gruppe von syrischen, irakischen und afghanischen Geflüchteten, unter ihnen eine vierköpfige Familie und ein Rollstuhlfahrer, machten geltend, dass die mazedonischen Beamten und Soldaten vor Ort die menschenverachtenden Umstände, vor denen sie aus Griechenland geflohen waren, ignorierten hatten. Ihnen war auch keine Möglichkeit eingeräumt worden, die Zurückschiebung rechtlich überprüfen zu lassen. Sie mussten in das informelle Flüchtlingslager von Idomeni zurückkehren, obwohl dort zur damaligen Zeit weit über 10.000 Menschen ohne staatliche Unterstützung unter erbärmlichen humanitären Bedingungen ausharrten. Die EMRK verbietet Kollektivausweisungen von Individuen ohne die Bewertung der Umstände jedes Einzelfalls (Art. 4 4. Zusatzprotokoll).

„Für die acht Kläger*innen und die weiteren 1.500 namenlosen Opfer der illegalen und gewaltsamen Zurückschiebungen gibt es keine Gerechtigkeit. Die Gewalt, die Entwürdigung, die Verweigerung von individuellen Rechten bleiben ungesühnt. Ein bitterer Tag für Schutzsuchende und den Schutz der Menschenrechte in Europa“, fügt Karl Kopp Leiter der Europa-Abteilung von PRO ASYL, hinzu.

Am 7. März 2016 hatte der Europäische Rat das Ende des sog. Humanitären Korridors auf dem Balkan verkündet. In unmittelbarer Umsetzung dieses Beschlusses registrierte Nordmazedonien ausweislich eigener Angaben zwischen dem 8. März und dem 21. September 2016 keine Asylanträge von Schutzsuchenden mehr – weder im Landesinneren, noch an den Grenzübergängen. Dieses Datum markierte zugleich den Beginn für die systematischen Ausweitung von Pushback-Praktiken in ganz Europa und die Blockade des Zugangs zu Recht und Schutz für Geflüchtete. Für das Jahr 2021 hat die Macedonian Young Lawyers Association (MYLA) allein für die nordmazedonisch-griechische Grenze über 16.000 irreguläre Zurückschiebungen dokumentiert.

Lesen Sie hier die Zusammenfassung der Entscheidung des Gerichts und hier das vollständige Urteil – und erfahren Sie mehr über die Beschwerdeführer*innen auf der Website vom ECCHR.

Der Originalartikel kann hier besucht werden