226 Jahre sind vergangen, seit Immanuel Kant 1795 seine Protestschrift „Zum ewigen Frieden“ wider den Interventionskrieg der Monarchien Österreich und Preußen gegen Frankreichs neue bürgerliche Ordnung nach der Revolution veröffentlicht hat. Kant begründet in dem Traktat, dass der Frieden eine machbare Aufgabe für die Politik ist. (Reclam Nr. 1501, Leipzig). Unzählige Kolonial- und Eroberungskriege brachten nach der Veröffentlichung von Kants Schrift Leid und Zerstörung in die Länder der Welt.

Politiker haben Kants Alternativen mehrheitlich ignoriert.

Nach dem katastrophalen 2. Weltkrieg schuf die Weltgemeinschaft im Rahmen der UNO einen Weltsicherheitsrat mit ständigen Mitgliedern, ausgestattet mit Vetorechten, und weiteren wechselnden Mitgliedern. Er verhinderte bisher einen 3. Weltkrieg, ohne Einzelkriege vermeiden zu können. Als Zielstellung des 3. Weltkrieges gilt seit der Verkündung der Truman-Doktrin gleichfalls die Zurückdrängung einer neuen Gesellschaftsordnung. Diesmal des Sozialismus, der unvermindert die Gleichheit und Brüderlichkeit auf seine Fahnen schreibt. Bürgerkriege, die sich aus Widersprüchen des Landes entwickeln, gehören in eine andere Kategorie. Russland und die Volksrepublik China sind ständige Mitglieder des Sicherheitsrats. Beide treten für diplomatische Lösungen von internationalen Konflikten ein und verfolgen eine Politik der friedlichen Koexistenz.

2019 beklagte der Verhaltensforscher und Kognitologe Dietrich Dörner das anhaltende törichte Verhalten der Machtpolitiker (Jahrestagung des Zentrums für empirische Evaluationsforschung e.V am 10.5.2019 in Berlin): Torheiten, meint der Forscher, sind vermeidbare Dummheiten, die von der Politik ständig wiederholt werden. „Es gibt – und das verwundert auf den ersten Blick sehr – nur etwa einen Dutzend Fehler, die ständig wiederholt werden“. Und diese Fehler lassen sich allesamt auf Grundreaktionen zurückführen. Es sind „Notfallreaktionen“ auf scheinbare Angreifer, oder „Mutmacher“, um mögliche Gefahren abwehren zu können. „Selbstüberschätzungen/Drohgebärden“ gehören dazu, wie auch das „Aussitzen“, das „Wunschdenken“, sowie die „Untätigkeit“. Es sind Verhaltensweisen, die auf die Biologie zurückgehen, mutmaßt Barbara Tuchmann („Die Torheit der Regierenden. Von Troja bis Vietnam“, Rowohlt-Verlag).
Am 10.12.2021 betitelte die Berliner Zeitung einen Beitrag mit der Überschrift: “Die doppelte Gefahr der Selbstvernichtung“. Der Text beginnt mit einer wesentlichen Aussage: „Kriege fallen nicht vom Himmel. Ihre Ursachen liegen in internationalen Machtverhältnissen, wirtschaftlichen Interessen und expansiven Ideologien, in sozialen Ungleichheiten und anderen Faktoren“.

Die Koalitionsvereinbarung von SPD, Bündnis 90/Grünen und FDP bietet Anlass zu prüfen, ob sich Torheiten eingeschlichen haben.
Wie geht es zusammen, dass die SPD mit den Erfahrungen zweier Weltkriege sowie mit ihrem Wissen über Konterrevolutionen gegen neue Ordnungen nicht erkennt, wo der Kern der Kriegstreiberei liegt, worin der Sinn der Rüstungsindustrie besteht oder wie das „Haltet den Dieb“-Spiel funktioniert? Es kann ja nicht ihr Glaube an Transformationen sein.
Wie passt es zusammen, dass die Natur liebenden Grünen Menschen in China und Russland nicht gleichberechtigt für schützenswert achten. Die Aussagen der neuen Außenministerin der Grünen bei ihrem ersten offiziellen Besuch in Brüssel „Russland würde einen hohen politischen und wirtschaftlichen Preis für eine Verletzung der ukrainischen Staatlichkeit zahlen“ ist eine Drohgebärde und ist sicherlich nicht klug.
Wie sollte es bewertet werden, dass die FDP als selbsternannte Schutzpartei des Mittelstandes abhängige Handwerker, Kleinbetriebe, Dienstleister einer Kriegsgefahr aussetzt und der NATO Beifall klatscht? Ihr Glaube an die großartige Freiheit ist richtig, nur vergessen sie, dass das Grundgesetz die Freiheit begrenzt, dort wo Dritte durch allzu freie Handlungen zu Schaden kommen. Die Freiheit des weißen Mannes hat in den Entwicklungsländern und in den USA für die Ureinwohner überwiegend Nachteile gebracht. Die Freiheit der Wissenschaft lässt die Entwicklung und den Einsatz ambivalenter Produkte zu. Etwa Massenvernichtungswaffen, Glyphosat, Schleppnetze.

Die Koalitionsvereinbarung der drei Parteien setzt Schwerpunkte, die eher auf ein weiter so gerichtet sind. Das beschreibt die Stellungnahme des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Sie schätzt den Programmtext der Ampelregierung ernüchternd ein: Die alte Politik der Einkreisung Russlands und Chinas wird im Wesentlichen weitergeführt. Atomwaffen werden in Deutschland weiterhin einsatzbereit gelagert. Die atomare Teilhabe auf Seiten der NATO bleibt als Strategie. Dem Rüstungsexport wird nicht wirksam Einhalt geboten, wie auch nicht der Anschaffung bewaffneter Drohnen. Klimaschutz macht an den Toren der Kasernen und der Militärflugplätze halt. Der Staatshaushalt des Finanzministers Olaf Scholz hat Unwuchten zwischen den Bereichen Verteidigung und Soziales und Kultur. Die Bilanzierung im Staatshaushalt enthält Widersprüche in der Zuteilung der Mittel, gemessen an der realen Lage Deutschlands.

Der Ampelvertrag vertreibt weder die realen Schatten aus dem Land, beispielsweise der gleichberechtigten Pflicht zur Auffüllung der Rentenkasse (Abgeordnete, Erben ab einer Grenze, Beamte, Börsianer), noch für Sozialempfänger. Die um Frieden besorgten Bürger sehen keine Alternativen.
„Mehr Fortschritt wagen“ ist ein gutes Motto für die Regierung des gespaltenen Landes, obwohl Fortschritt und Wachstum ambivalent für das Klima, für die Weltmeere, für den Frieden seien könnten. „Mehr Frieden wagen“ wäre ein besseres Motto. Fortschritt kommt nur Wenigen zu Gute, Frieden allen. Thomas Mann stellte einst fest, dass es zu den Grundtorheiten der Zeit gehört, die Linken, die Humanisten und Friedensfreunde in die Ecke des Bösen zu stellen.

Einfacher ist es, Kritik an Regierungsprogrammen zu üben, zumal die Zeit von einer gefahrvollen Epidemie geprägt ist. Das Coronavirus reißt unvorhersehbare Löcher in die Staatskasse. Die Tilgung der über Kredite beschafften Mittel wird die vorhandene Spaltung der Gemeinschaft vorantreiben. In der heutigen geld-/gewinngetriebenen Gesellschaft, genauer in ihrem „Surplus“-Teil nach Marx, hängt alles mit Geld zusammen. Gewinn ist stark im Egoismus verankert und nicht vernetzt mit der sozialen Gerechtigkeit, dem Frieden oder den Naturgesetzen.


Der Autor Günter Buhlke, ehem. Mitarbeiter der Staatlichen Plankommission und ehem. Leiter des Schweizer Instituts für Betriebsökonomie, beschreibt in seinem neuen Buch „Hat die Welt eine Zukunft?“ Verlag am Park, ISBN 978-3-947094-79-0 Alternativen der Planung in einer humanen Welt.

Es wird im Schwerpunkt digital von Amazon, Thalia u.a. als E-Buch angeboten und kann zum Erwerb in jeder Buchhandlung unter dem Titel oder ISBN 978-3-947094-79-0 bestellt werden.

Hat die Welt eine Zukunft?