An dem alljährlichen und inzwischen 13. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der fünf BRICS-Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben am 9. September 2021 wie erwartet der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, sein russischer Amtskollege Wladimir Putin, Indiens Premierminister Narendra Modi, der chinesische Präsident Xi Jinping und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa teilgenommen. Coronabedingt wurde diese Konferenz, die übrigens auch das 15-jährige Bestehen der BRICS-Gruppe markiert, per Videolink abgehalten.

von Alexander Männer

Premier Narendra Modi, dessen Land nach 2012 und 2016 bereits zum dritten Mal den Vorsitz in der Vereinigung innehat, leitete die Jahresabschlusskonferenz, die unter dem Motto „BRICS@15: Intra-BRICS-Kooperation für Kontinuität, Konsolidierung und Konsens“ stand. Nicht außer Acht gelassen wurde selbstverständlich die Tatsache, dass die BRICS-Länder mit den Folgen der Pandemie, einer zunehmend schwierigen Weltwirtschaftslage und globalen Sicherheitsherausforderungen konfrontiert sind.

Modi hat zu Beginn der Gespräche allen Partnern für die Teilnahme an dem Gipfel gedankt und erklärte, dass die Staatengruppe in den 15 Jahren ihres Bestehens viele Erfolge in den letzten eineinhalb Jahrzehnten erzielt habe und dass man heute eine „einflussreiche Stimme für die Schwellenländer der Welt“ sei. Er betonte, dass die Schlagwörter „Kooperation, Kontinuität, Konsolidierung und Konsens“ zugleich Grundprinzipien der BRICS-Partnerschaft seien und fügte hinzu: „Wir müssen sicherstellen, dass BRICS in den nächsten 15 Jahren noch produktiver sein wird.“

In diesem Jahr waren im Rahmen der drei Proiritäten der  BRICS-Kooperation 2021 – Politik und Sicherheit, Wirtschaft und Finanzwesen, kulturelle und zwischenmenschliche Beziehungen – mehr als 50 Treffen durchgeführt worden. Dazu gehören unter anderem das Treffen der Außenminister, der nationalen Sicherheitsberater, der Leiter der Weltraumagenturen sowie das Treffen der Landwirtschafts- und Umweltminister. Auch eine Online-Konferenz mit Experten aus dem Gesundheitswesen sowie der BRICS-Jugendgipfel hatten stattgefunden.

Die Konferenzteilnehmer erörterten die Aussichten ihrer strategischen Partnerschaft, einschließlich der Wirtschaftspolitik, Terrorbekämpfung, Förderung von Multilateralismus sowie den gemeinsamen Kampf gegen das Coronavirus. Außerdem diskutierten sie über aktuelle Themen der internationalen und regionalen Politik, wie etwa die Lage in Afghanistan oder das Atomabkommen mit dem Iran.

Nach Abschluss der Gespräche wurde mit der „New Delhi Declaration“ die Abschlusserklärung des 13. BRICS-Gipfels 2021 verabschiedet, in der das Engagement Brasiliens, Russlands, Indiens, Chinas und Südafrikas für eine verstärkte Zusammenarbeit in den besagten Kernbereichen bekräftigt wird und die als richtweisendes Dokument der künftigen Entwicklung  der BRICS-Kooperation gilt.

Globale Politik und Sicherheit

Bei Politik und Sicherheit richten BRICS den Augenmerk auf die Verbesserung ihrer Kooperation bei globalen und regionalen Fragen, Entwicklungen in der globalen Politik. Hinsichtlich des Multilateralismus und dem Anti-Terrorkampf wurden laut einem Bericht der Zeitung „Times of India“ Fortschritte erzielt: Die nationalen Sicherheitsberater der BRICS einigten auf einen internen Aktionsplan zur Terrorismusbekämpfung, und zum ersten Mal wurde auch eine gemeinsame Position zur Stärkung und Reform der multilateralen Organisationen erreicht.

BRICS beklagen seit Jahren, dass Reformen bei multilateralen Organisationen, etwa bei der Organisation der Vereinten Nationen samt ihre wichtigsten Organen – der Generalversammlung, dem Wirtschafts- und Sozialrat sowie dem UN-Sicherheitsrat – notwendig sind. China und Russland unterstützen zudem das Bestreben Brasiliens, Indiens und Südafrikas, eine stärkere Rolle bei der UNO zu spielen.

Der chinesische Präsident Xi erklärte in diesem Zusammenhang: „Wir müssen die BRICS-Mechanismen wie das Treffen der Außenminister und das Treffen der hohen Vertreter für Sicherheit gut nutzen, unsere Positionen zu wichtigen internationalen und regionalen Fragen besser koordinieren und eine noch stärkere, kollektive Stimme der BRICS-Länder aussenden“.

Die die Staats-und Regierungschefs verpflichten sich laut der Abschlusserklärung des 13. BRICS-Gipfels, ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern und plädieren für einen Vertrags über das Verbot der Stationierung von Waffen im Weltraum, den Einsatz von Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Weltraumobjekte.

Die BRICS-Länder fordern die Aufrechterhaltung des Atomabkommens mit dem Iran und bekräftigen, dass dieser Vertrag die globale und regionale Stabilität sowie den Frieden stärke und dass der Nuklearstreit mit Teheran in erster Linie mit friedlichen und diplomatischen Mitteln im Einklang mit dem Völkerrecht zu lösen sei.

Auch im Hinblick auf die Krise in Afghanistan fordert man eine friedliche Lösung und die „Förderung eines inklusiven innerafghanischen Dialogs aus, um Stabilität, ein friedliches Zusammenleben der Menschen und Rechtsstaatlichkeit in diesem Land zu gewährleisten“. Man verurteilt die Anschläge in der Nähe des Flughafens von Kabul und ruft alle Parteien in dem Krisenland dazu auf, keine Gewalt anzuwenden. Notwendig seien in erster Linie der Kampf gegen den Terrorismus und Drogenhandel sowie die „Lösung der humanitären Situation und der Einhaltung der Menschenrechte, einschließlich in Bezug auf Frauen, Kinder und Minderheiten“.

Angesichts der schwierigen Lage in Afghanistan mahnten die Konferenzteilnehmer an, die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zu achten: „Wir bekräftigen das Bekenntnis zu den Grundsätzen der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten und bekräftigen die Notwendigkeit, alle Konflikte friedlich durch politische und diplomatische Anstrengungen im Einklang mit dem Völkerrecht, insbesondere der UN-Charta, zu lösen“.

Zugleich verweisen sie auf „die Unzulässigkeit der Bedrohung durch Gewalt oder deren Anwendung sowohl gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit eines Staates als auch in irgendeiner anderen Weise, die mit den Zielen und Prinzipien der Vereinten Nationen unvereinbar ist“.

Die Staats- und Regierungschefs äußern Besorgnis über die anhaltenden Konflikte und die Gewalt in verschiedenen Regionen der Welt und bekräftigen die gemeinsame Position der Außenministerien der BRICS-Staaten diesbezüglich, die im Rahmen des letzten Außenminister-Treffens zur Lage in (Nord-)Afrika, dem Nahen Osten, dem palästinensisch-israelischen Konflikt, der Arabischen Republik Syrien, dem Jemen, Afghanistan, Myanmar, der koreanischen Halbinsel sowie dem iranischen Atomprogramm ausgearbeitet wurde.

Wirtschaft und Finanzwesen inmitten der Coronakrise

Im Bereich Wirtschaft und Finanzen setzen BRICS auf die Förderung des Wirtschaftswachstum und die Steigerung des Wohlstands durch den Ausbau ihrer Zusammenarbeit in den Sektoren Handel, Finanzen, Landwirtschaft, Infrastruktur, Energie, Bankenwesen sowie bei kleinen und mittleren Unternehmen. Eine zentrale Rolle nimmt  dabei die Umsetzung der BRICS-Wirtschaftsstrategie für die Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung in den fünf Ländern.

In Hinsicht auf die Umsetzung dieser „Wirtschaftsagenda für nachhaltige Entwicklung bis 2030“ wird in der Abschlusserklärung vor allem auf die Coronakrise als das derzeitige Hauptproblem verwiesen. Demnach habe die Pandemie diese Wirtschaftsstrategie untergraben und die „jahrelangen Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut und Hunger, in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Klimawandel, Zugang zu sauberem Wasser und Umweltschutz“ rückgängig gemacht. Am meisten betroffen davon seien „die ärmsten und gefährdeten Bevölkerungsgruppen der Welt“, wobei niemand die Folgen des Coronavirus hätte vermeiden können, lautet die Erklärung.

Die Politiker betonten die Bedeutung der Zusammenarbeit bei dem Kampf gegen die Pandemie, wie etwa die  Herstellung von Corona-Impfstoffen, und unterstrichen die internationalen Bemühungen um die gegenseitige Anerkennung von Corona-Impfungen. Peking hat der Zeitung „Global Times“ zufolge außerdem zugesagt, in diesem Jahr weltweit zwei Milliarden Impfdosen seiner COVID-19-Vaccine bereitzustellen und der Initiative „COVAX“ 100 Millionen US-Dollar zukommen zu lassen, und rief die Partner auf, zur Förderung einer fairen und gerechten Verteilung von Impfstoffen weltweit beizutragen.

Die Staatengruppe hat die internationale Gemeinschaft daher aufgerufen, „globale Entwicklungspartnerschaften“, etwa durch zusätzliche Hilfe für die Entwicklungsländer,  zu stärken, um die „Auswirkungen der Pandemie zu überwinden und die Umsetzung der Agenda 2030 zu beschleunigen“. In diesem Zusammenhang fordern BRICS die Geberländer dazu auf, den Verpflichtungen im Rahmen der öffentlichen Entwicklungshilfe nachzukommen und den „Kapazitätsaufbau und den Technologietransfer in die Entwicklungsländer“ zu fördern, inklusive der „Bereitstellung zusätzlicher Entwicklungsressourcen im Einklang mit den nationalen Entwicklungszielen der Empfängerstaaten“. BRICS bekräftigten dabei ihre Verpflichtung zur Umsetzung der Agenda für nachhaltige wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung für den Zeitraum 2021-2030.

Dabei hätten Brasilia, Moskau, Neu Delhi, Peking und Praetoria nach Angaben der Nachrichtenagentur Al Jazeera selbst aufgrund der Pandemie mit zusätzlichen ökonomischen Herausforderungen zu kämpfen und nicht alle sollen die Krise bereits überwunden haben. China habe sich nach dem vergangenen Corona-Jahr stark erholt und verzeichne inzwischen besser Wachstumsraten, als erwartet. Das gleiche gelte im Grunde auch für die russische Volkswirtschaft, die bereits das Vorkrisenniveau erreicht haben soll.

Indien, das Anfang dieses Jahres eine verheerende zweite Corona-Welle überstehen musste, könnte demnach zum Jahresende hin sogar das weltweit schnellste Wirtschaftswachstum erzielen.

Die Krise noch nicht überwunden haben dagegen Brasilien und Südafrika, so die Angaben. Die brasilianische Wirtschaft schrumpfte im Jahresverlauf, und politisch gestaltet sich die Lage im Land ebenfalls zunehmend schwieriger. Südafrikas Wirtschaft hatte vor dem Sommer zwar zugelegt, danach folgte offenbar jedoch ein Rückgang, vor allem wegen der gewalttätigen Unruhen, die mehrere südafrikanische Städte erfasst haben.

Vor diesem Hintergrund treten die BRICS konsequent dafür ein, das Weltfinanzsystem zu reformieren. Auf dem Gipfel wurde daher die Idee besprochen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Krisensituationen zu stärken. „Wir erkennen die dringende Notwendigkeit an, die Möglichkeiten des IWF zu erweitern, um die finanziellen Bedürfnisse der Länder in Krisensituationen in der Zukunft auf transparenter und rechenschaftspflichtiger Basis zu erfüllen“, heißt es in der Delhi-Deklaration.

Die BRICS-Gruppe fordert zudem eine dringende Reform der Welthandelsorganisation (WTO), die die zentrale Rolle der Organisation, ihre Werte und Prinzipien stärken und die Interessen aller Mitglieder, einschließlich der Entwicklungsländer und der ärmsten Länder, berücksichtigen soll.

Fazit

Der 13. Gipfel der BRICS-Staatengruppe hat deutlich gemacht, dass Brasiliens, Russlands, Indiens, Chinas und Südafrikas, ungeachtet aller Herausforderungen innerhalb und ausserhalb der Vereinigung, immer wieder zusammenkommen können, um einen neuen Konsens für eine nachhaltige und effektive Partnerschaft zu erzielen.

Seit den Anfängen der Kooperation vor 15 Jahren ist eine strategische Partnerschaft entstanden, in der das gegenseitige Vertrauen weiter gestärkt wird. Insofern haben die Staats- und Regierungschefs ihr Engagement für eine Verbesserung der Zusammenarbeit in den besagten Kernbereichen bei der Videokonferenz einmal mehr bekräftigt.

China, dass im kommenden Jahr den BRICS-Vorsitz übernehmen und  Gastgeber des 14. Gipfeltreffens sein wird, hat angekündigt, die Kooperation mit den BRICS-Partnern in verschiedenen Bereichen umfassend zu vertiefen, eine engere und pragmatischere Partnerschaft aufzubauen, gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen und eine bessere Zukunft zu gestalten.

In Anbetracht der Corona-Pandemie, einem stockenden  Wirtschaftsaufschwung und den sich bereits abzeichnenden Problemen bei der globalen und regionalen Politik sollten die fünf Staaten auch weiterhin alles dafür tun, um als eine vereinte Kraft auf der internationalen Bühne zu agieren.

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