Was sind die Geißeln der Menschheit im beginnenden 21. Jahrhundert? Da ist der in einer nie zuvor existierenden Weise ausgetragene Kampf von Reich gegen Arm.

Die Besitzverhältnisse und die ihnen innewohnenden Triebkräfte, die Maximierung von Gewinn durch Marktwachstum, haben nicht nur zunehmend Milliarden von Menschen in die Verelendung getrieben, sondern auch durch die Absurdität von Lieferketten auf der anderen Seite eine Ressourcenverschwendung sondergleichen hervorgebracht.

Da ist die Zuspitzung des Konkurrenzkampfes durch Kriege um Einflussgebiete und Rohstoffe, die zunehmend das Zeug haben, aus lokalen globale kriegerische Auseinandersetzungen zu provozieren.

Da ist der in diesem Zusammenhang zu erwähnende Versuch, die weitgehend im 20. Jahrhundert dekolonisierte Welt von neuem zu kolonisieren. Und da ist der mit den genannten Faktoren direkt zusammenhängende Trend, die globalen klimatischen Verhältnisse in eine Richtung zu entwickeln, dass die humane Besiedlung des Planeten auf Sicht einem Ende zutreibt (1).

Untrennbare Zusammenhänge

Können die genannten Erscheinungen voneinander getrennt werden? Nein. Denn alles hängt mit allem zusammen. Man kann nicht gegen den Klimawandel sein, ohne sich mit den Produktionsverhältnissen und ihrer Logik, ohne die Verschwendung hier und die mangelnde Möglichkeit zu ökologischem Verhalten dort zu betrachten. Genauso wenig kann die rabiate Bergung von Ressourcen davon getrennt werden, ohne die verheerende Wirkung von Kriegen damit zu verknüpfen.

Der Konnex von Produktion, Rohstoff, Ausbeutung, Zerstörung und Vernichtung ist offensichtlich. Wer die Welt verändern will, kann davor die Augen nicht verschließen.

Umso enttäuschender ist die Erkenntnis, dass die Bewegung gegen den Klimawandel in den Metropolen der sogenannten Ersten Welt genau damit begann und in dieser Position verharrt. Seit den ersten Demonstrationen im letzten Jahr hat sich anscheinend in der Analyse der Verhältnisse aus dieser Bewegung heraus nichts getan (2).

Das saturierte Milieu der Klimabewegung

Der groß angekündigte Klimastreik in der letzten Woche wirkte wie ein Remake der ersten Tage. Nach dem Winter, dem Corona-Lockdown im Frühjahr und einem anscheinend sorgenfrei gestalteten Sommer, kamen die gleiche Parolen wie in den Anfängen zum Vorschein. Die Kritik aus den eigenen Reihen, dass es sich immer noch um einen Protest aus einem saturierten Milieu handelt, scheint sich leider zu bewahrheiten.

Es ist schon ein starkes Stück, dass eine Bewegung, die Dynamik versprach, in der Analyse auf der Stelle tritt. Abgesehen von den unsäglichen Spaltungsparolen, bei denen die älteren Generationen ins Visier genommen werden, ist der Verweis auf die im eigenen Sozialmilieu präferierten Konsumgewohnheiten eine armselige Offerte.

Der Vorwurf an die Gesellschaft, seit dem letzten Sommer hätte sich leider nichts getan, trifft auf die eigene Bewegung ebenso zu. Eine Weiterentwicklung der Analyse hat nicht stattgefunden.

Kürzlich veröffentlichte ein Mitglied der Bewegung seine Kritik, in dem er auf die Milieubezogenheit hinwies, seine eigenen Erfahrungen in anderen sozialen Welten schilderte und daraus genau die Schlussfolgerungen zog, die eigentlich auf der Hand liegen: die Kluft zwischen Arm und Reich, die aus dem Produktionssystem resultierende Wachstumsideologie, die Kluft zwischen Stadt und Land und die Verwüstungen durch Kriege.

Er bewies, dass es durchaus im Bereich des Möglichen liegt, den Horizont zu erweitern. Eher enttäuscht verwies er darauf, dass es wohl den Protagonisten darum geht, die eigenen Karriereaussichten innerhalb des kritisierten Systems zu verbessern.

Karriere durch Stillstand

Eben jenen Aspekt griff der Grünen-Politiker Robert Habeck auf, indem er anbot, aussichtsreiche Listenplätze seiner Partei den Protagonisten der Bewegung bei der nächsten Bundestagswahl zur Verfügung zu stellen (3). Geht doch! Die Karriere winkt, die Bewegung weilt im Stillstand.


Quellen und Anmerkungen

(1) STERN (15.9.2020): Weltrisikobericht 2020 – Klima, Kriege, Katastrophen: Die Zahl der Flüchtlinge wird weltweit weiter ansteigen. Auf https://www.stern.de/politik/ausland/weltrisikobericht-2020–klima–kriege–katastrophen-lassen-zahl-der-fluechtlinge-anschwellen-9416350.html (abgerufen am 29.9.2020).

(2) Fridays for Future ist eine globale soziale Bewegung die sich für Klimaschutz-Maßnahmen einsetzt. Gefordert wird die Einhaltung des auf der Weltklimakonferenz in Paris 2015 im Weltklimaabkommen beschlossene 1,5-Grad-Ziel der Vereinten Nationen. Schülerinnen und Schüler gehen dafür immer freitags während der Unterrichtszeit auf die Straßen und protestieren. Am erste Klimastreik am 15. März 2019 sollen sich rund 1,8 Mio. Menschen beteiligt haben. Mehr Informationen auf https://de.wikipedia.org/wiki/Fridays_for_Future (abgerufen am 29.9.2020).

(3) Redaktionsnetzwerk Deutschland (25.9.2020): Habeck bietet.. Fridays-for-Future-Aktivisten Plätze auf Wahllisten an. Auf https://www.rnd.de/politik/grunen-chef-habeck-bietet-fridays-for-future-aktivisten-platze-auf-wahllisten-an-LUQ4VXGFPP6A5N72KHE6GTP2JE.html (abgerufen am 29.9.2020).

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