Jede Art der zerstörerischen Handlung wird global registriert und in Rechnung gestellt.

Im Spätsommer wurde der Kadaver eines Wales in der Nähe der Schleswig-holsteinischen Stadt Husum angeschwemmt. Vor wenigen Tagen kam so etwas wieder in der indonesischen Java-See vor. Nicht, dass es etwas Neues wäre, dass verendete Wale an irgendwelchen Küsten angeschwemmt würden. Das kommt immer einmal wieder vor.[1]

Neu ist, was diese Kadaver, die 12.000 Kilometer voneinander entfernt strandeten, als Fracht in sich bargen.

Im Falle eines Husumer Wales waren es Autoteile[2], in dem aus der Java-See große Mengen Plastik.[3] Wenn man so will, handelte es sich in beiden Fällen um eine neue Version von Müllcontainern. Oder, ins Literarische übersetzt: Der Wal beginnt, den Menschen eine Botschaft zu senden, die biblisch-katastrophales Ausmaß in sich birgt. Sie lautet: Alles kommt zurück!

So dramatisch die Bilder sind, die mit diesen beiden Walen, die nicht die einzigen sind, von denen wir noch hören werden, verbunden sind, so schlicht ist die tatsächliche Botschaft. Sie informiert darüber, dass es vorbei ist mit der lokalen Kaschierung eines global wirksamen Handelns. Jede Art der zerstörerischen Handlung wird global registriert und in Rechnung gestellt. Wer sich mit dieser Tatsache nur schlecht wird zurecht finden können, sind diejenigen unter uns, die mit dem gehobenen Bewusstsein leben, dass sie die ökologischen Probleme der Welt bereits frühzeitig erkannt haben und sich im Segment des mittelständisch-elitären Biokonsumismus bewegen.

Vieles von dem, was unter dem Einsatz von Hochtechnologie für den berühmten globalen Markt vom selbst ernannten Exportweltmeister produziert wird und was nicht mit den in der Bundesrepublik nicht ausreichenden, aber dennoch durchgesetzten Standards zu vereinen ist, wurde von den hier ansässigen Firmen kurzerhand ins Ausland ausgelagert.

Es ist eine Industrie der Mogelpackungen, mit denen der hochmütige Ökologismus hierzulande zur Schau getragen wird, der allerdings von anderen Staaten und Völkern längst seinem Charakter nach durchschaut worden ist.

Die einzigen Exemplare, die tatsächlich noch glauben, die von Deutschland ausgehende Produktivität sei ökologisch verantwortlicher als zum Beispiel die amerikanische, leben hier und lassen sich auf den Sänften des Werte bezogenen Hochmuts durch die engen Gassen der Republik schleppen.

Entscheidend ist nicht, wie geostrategisch diversifiziert die Produktion von Marktgütern vonstatten geht, ob zum Beispiel unbedenkliche Steuerungseinheiten eines Automobils im Stuttgarter Raum, die säurehaltigen Batterien hingegen aus Slowenien angeliefert werden. Es kommt darauf an, welche Produkte mit welchen Zutaten auf dem Weltmarkt in welcher Quantität angeboten werden.

Die unheilbringenden Priester vom unbegrenzt freien Markt predigen seit je die heilsamen Kräfte des Marktes, die letztendlich alles wie von selbst regulierten. Der Todesfeldzug gegen den globalen Stoffwechsel der Natur spricht eine andere Sprache.

Es ist höchste Zeit für eine Strategie, die die Ursachen der Vernichtung deutlich benennt.

Es kann nicht mehr angehen, dass chemisch gereinigte Ideologen des Ökologismus ihren Sermon von der vorbildhaften deutschen Vorgehensweise verbreiten, ohne darauf hinzuweisen, dass das nur unter dem Export bestimmter Produktionsabschnitte möglich war und dass es dem Wesen der kapitalistischen Produktion entspricht, alles zu produzieren, was sich verkaufen lässt. Aber nicht alles, was sich verkaufen lässt, hat bezogen auf den Planeten wie die Gattung einen Nutzen.

Auch wenn sich viele Zeitgenossen, die aus den Brainwash-Anlagen des Wirtschaftsliberalismus entfleucht sind, winden werden wie die Aale: Es ist Zeit für eine groß angelegte Regulierung.

Quellen und Anmerkungen

[1] Studie über das Walsterben in der Nordsee (in Englisch): Beached bachelors: An extensive study on the largest recorded sperm whale Physeter macrocephalus mortality event in the North Sea. Auf: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0201221 (abgerufen am 25.11.2018).
[2] Hannoversche Allgemeine (vom 23.03.2016): Wale starben an Herzversagen. Auf http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/Obduktionsergebnis-Plastikmuell-im-Magen-der-in-der-Nordsee-gestrandeten-Pottwale (abgerufen am 25.11.2018).
[3] Welt (vom 20.11.2018): Wal verendet mit fast sechs Kilo Plastikmüll im Magen. Auf https://www.welt.de/vermischtes/article184175016/Indonesien-Wal-verendet-mit-fast-sechs-Kilo-Plastikmuell-im-Magen.html (abgerufen am 25.11.2018).


Über den Autor: Gerhard Mersmann studierte Politologie und Literaturwissenschaften, war als Personalentwickler tätig und als Leiter von Changeprozessen in der Kommunalverwaltung. Außerdem als Regierungsberater in Indonesien nach dem Sturz von Haji Mohamed Suharto. Gerhard Mersmann ist Geschäftsführer eines Studieninstituts und Blogger. Auf Form7 schreibt er pointiert über das politische und gesellschaftliche Geschehen und wirft einen kritischen Blick auf das Handeln der Akteure. Sein Beitrag erschien erstmals auf seinem Blog.

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