Emanuel Hinterbauer ist Leiter der Deutschkurse bei der Flüchtlingsinitiative Ute Bock in Wien. Hier lernen 600 SchülerInnen mit 60 DeutschlehrerInnen die deutsche Sprache. Mit ihm habe ich mich über die Herausforderungen der Flüchtlingslehrer unterhalten und u.a. auch über den Zugang zu traumatisierten Menschen und über die Einbindung „weiblicher“ Themen in den Unterricht. Der Flüchtlingslehrer ist oft der einzige Ansprechpartner, vor allem wenn Menschen alleine aus ihren Ländern geflohen sind und ganz neu in Österreich ankommen.

Für mich persönlich ist der Flüchtlingslehrer eine wichtige Bezugsperson für die Menschen, die neu in ein Land kommen und den Krieg und die Verfolgung hinter sich gelassen haben. Wie siehst du da?

Da stimme ich dir zu. Vor allem ist es so, dass die/der DeutschlehrerIn auch die erste und oft einzige Bezugsperson ist.

Welche Grundkompetenzen  versuchst du den Menschen zu vermitteln?

Vor allem Deutsch (hören, sprechen, lesen, schreiben), aber auch praktische Infos, was das Leben in Österreich betrifft, z.B. wer Respektpersonen sind, wie man sich am Amt verhält, wie man Formulare ausfüllt, wie man eine Wohnung sucht, wie wichtig Pünktlichkeit ist, etc.

Wie wichtig ist es, das Thema „Frau“ aufzuarbeiten?

„Aufarbeiten“ ist vielleicht nicht das passende Wort. Ist die unterrichtende Person eine Frau findet automatisch eine Auseinandersetzung mit der Thematik Geschlechterverhältnisse statt. Zudem wird das Verhältnis von Männern und Frauen mittlerweile auch in einigen Lehrwerken thematisiert und viele unserer Unterrichtenden bauen dieses Thema in ihren Unterricht ein. Prinzipiell gilt aber, dass wir die Gestaltung des Unterrichts unseren Lehrenden überlassen und keine Vorgaben machen. In erster Linie soll es doch darum gehen, Deutsch zu lernen.

Wie stärken wir das Selbstbewusstsein der Lernenden, um aufnahmefähiger für die neue Kultur und Sprache zu sein?

Indem wir ihnen Respekt und Interesse entgegenbringen. Denn nur durch einen Austausch kommt man sich näher, das Interesse sollte auf keinen Fall einseitig sein. Viele unserer LehrerInnen interessieren sich für den arabischen/persischen Lebensraum, die Kultur und Sprache, nicht wenige lernen auch Arabisch oder Farsi/Dari.

Wie gehen wir mit traumatisierten Jugendlichen um?

Dafür bieten wir unseren LehrerInnen keine Unterstützung. Sie sollen einfach mit allen gleich umgehen. Wenn sie Probleme bei KursteilnehmerInnen feststellen, dann empfehlen wir die/den KursteilnehmerIn in unsere Sozialberatung zu schicken, wo sie professionell beraten und ggf. an zuständige Stellen (z.B. Traumaberatung) weitergeschickt werden.

Welche Tipps würdest du aus deiner Erfahrung heraus anderen Lehrerinnen und Lehrern geben?

Bindet die KursteilnehmerInnen stark in den Unterricht ein, ihre Interessen, ihren Hintergrund etc. Seid aktiv, macht Exkursionen, lehrt anhand des praktischen Lebens, aber auch mit Theater, Malerei, Literatur etc. (sowohl der eigenen Kultur, als auch der der Teilnehmer). Versteift euch nicht auf trockene Grammatik-Progression, sondern versucht diese in die Interaktion einzubauen und eher indirekt zu vermitteln. Learning by doing… Trotz der Nähe, die dabei entsteht, passt aber auch darauf auf, eine gewisse Distanz zu wahren, denn die oft sehr tragischen Geschichten können auch die eigene Psyche beinträchtigen. Vergesst nicht, in erster Linie seid ihr DeutschtrainerInnen, für z.B. psychologische Probleme gibt es professionelle Beratungsstellen, ihr helft oft mehr, wenn ihr die betroffenen Personen an diese Stellen weitervermittelt.

chtling

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