Die blutige Schlacht Mossul dauert bereits Monate. Betroffen sind insbesondere Kinder: Eine ganze Generation droht durch Erlebnisse extremer Gewalt traumatisiert zu werden, wie Amnesty International bei Recherchen in Flüchtlingslagern und Spitälern der Region feststellen musste.

Während die humanitäre Tragödie in Aleppo in den letzten Wochen im Fokus der Medienberichterstattung stand, ist die vor zwei Monaten lancierte Grossoffensive der von einer US-geführten Koalition unterstützten irakischen Regierungskräfte auf die vom so genannten Islamischen Staat gehaltene Grossstadt Mossul weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden. Die Krisenbeauftragte von Amnesty International reiste diesen Monat für 17 Tage in den Nordirak und interviewte in Lagern für intern Vertriebene und in Spitälern aus Mossul geflohene Kinder und deren Verwandte.Sie erlitten entweder selber schwere Verletzungen oder wurden Zeugen extremer Gewalterlebnisse.

«Die Kinder im Kreuzfeuer der brutalen Schlacht um Mossul haben Dinge gesehen, die kein Kind je sehen sollte», sagt Donatella Rovera. «Ich sprach mit Kindern, die nicht nur selbst schwer verwundet worden sind, sondern die auch gesehen haben, wie ihre Verwandten oder Nachbarn durch Raketeneinschläge enthauptet, durch Autobomben in Stücke gerissen oder unter den Trümmern ihrer Häuser begraben worden sind. Die Konfliktparteien müssen alle Massnahmen treffen, um dem völkerrechtlich geforderten Schutz der Zivilbevölkerung Nachachtung zu verschaffen. Dazu gehört der Verzicht auf den Beschuss dicht bevölkerter Gebiete durch Artillerie oder die Luftwaffe.»

Erschwerter Zugang zu medizinischer Versorgung

Die kriegsversehrten Kinder finden sich in überfüllten Spitälern oder in Lagern für intern Vertriebene wieder, in denen die schwierigen humanitären Bedingungen die physische und psychische Erholung massiv erschweren. Die wenigen Spitäler in der von den Kämpfen betroffenen Region sind zumeist nicht mehr funktionsfähig oder infolge der Kämpfe nicht zugänglich.

Die beste medizinische Versorgung gibt es im rund 80 km entfernten Erbil, der Hauptstadt der halbautonomen kurdischen Region. Nur die wenigsten Verletzten erhalten jedoch die notwendige Bewilligung der kurdischen Regionalregierung, um dort versorgt zu werden. «Wenn Ressourcen für die Kriegsführung da sind, müssen auch Ressourcen für die Bewältigung der Kriegsfolgen bereit gestellt werden», fordert Donatella Rovera. «Die Kampagne zur Rückeroberung Mossuls war von langer Hand vorbereitet. Die irakische Behörden und ihre internationalen Partner hätten unbedingt bessere Vorkehrungen für die medizinische Versorgung der zivilen Opfer treffen müssen, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern».

Keine Ressourcen für die Behandlung traumatisierter Kinder

In den Vertriebenenlagern traf Donatella Rovera auf viele Kinder, die Symptome schwerster Traumatisierung zeigen. Betroffen davon sind auch jesidische Kinder, die in IS-Gefangenschaft grausamen Menschenrechtsverletzungen wie Vergewaltigungen ausgesetzt waren oder Knaben, die zwangsrekrutiert wurden und darin trainiert wurden, Leute zu enthaupten. Nur die allerwenigsten der Tausenden von betroffenen Kinder haben Zugang zu einer dringend notwendigen psychologischen Behandlung zur Linderung und Bewältigung der Traumata, derer sie dringend bedürften. «Die irakischen Behörden haben diesen Aspekt bisher völlig vernachlässigt», sagt Donatella Rovera. «Sie und die internationale Gemeinschaft müssen dringend die Ressourcen für eine umfassende psychische Betreuung der durch die Gewalterfahrungen schwer traumatisierten Kinder bereit stellen. Ansonsten droht aus den Kindern eine verlorene Generation zu werden», so Donatella Rovera.

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