Kurz nach Verabschiedung des Sicherheitspakets, das einen Angriff auf den pazifistischen Charakter unserer japanischen Verfassung darstellt, möchte ich nur zwei Dinge dazu sagen, die, wie ich glaube, sehr wichtig sind:

1): Um ehrlich zu sein hatte ich mich bereits seit 14 Monaten auf das Schlimmste vorbereitet (obwohl ich immer noch auf eine Wende hoffte, zum Beispiel auf ein Umdenken des Komeiito – Sokagakkai) und ich stellte mir vor, zu tiefst verzweifelt und enttäuscht zu sein in dieser „Trauer“. Und doch ist seltsamerweise genau das Gegenteil passiert: Heute habe ich mehr Hoffnung und Vertrauen in die Demokratie und die japanische Gesellschaft als noch vor 14 Monaten. Warum? Aus zwei Gründen.

Der erste Grund: die armseligen Methoden (Unwahrheiten, Drohungen und ein schamloser Mangel an Respekt für die Regeln), die von der Regierung angewandt wurden und die in den letzten Monaten im Parlament diskutiert wurden (und bei denen Abe & Co. im Übrigen ihr wahres Gesicht von Falschheit und Ignoranz gezeigt haben), zeigen klar auf welcher Seite die Vernunft steht. Mit anderen Worten, ohne diese Mittel faschistischer und diktatorialen Gedankengänge hätten sie es nicht geschafft. Dies scheint nun vielen Bürgern und auch Parlamentariern viel klarer zu sein, als noch vor einigen Monaten. Es war also für unsere Demokratie sehr hilfreich, um nicht zu sagen heilsam. Außerdem glaube ich, dass diese Dinge, die zutiefst gegen die Natur gehen – wie dieses Attentat auf unsere Verfassung – nicht von langer Lebensdauer sind.

Der zweite Grund: ich habe erst in den letzten Jahren gemerkt, wie tief ich mich der japanischen Verfassung verbunden fühle und ich glaube, nicht zu übertreiben, wenn ich behaupte, dass ich sie mit jeder Faser meines Seins verinnerlicht habe. Und mir scheint auch, dass ich damit nicht allein dastehe. Wie immer, wenn man sich dem Risiko gegenübersieht, eine Sache zu verlieren, merkt man erst dann, wie wichtig sie einem ist.

Ich habe den Eindruck, dass durch die Erfahrungen der letzten Monate nicht nur unsere Liebe zu unserer Verfassung daraus gestärkt hervorgeht, sondern auch unser Bewusstsein und unser Gewissen für die Demokratie. Viele von uns, hauptsächlich auch die Jungen, haben verstanden, dass Demokratie eine nicht ganz leichte Angelegenheit ist, um die man sich bemühen muss und die sehr kostbar ist, und sie haben es wahrscheinlich sogar besser verstanden als die vorhergehenden Generationen. In der Vergangenheit waren Bürgerbewegungen mehr oder weniger gut organisiert und die Mehrheit der Leute folgte einfach den Anweisungen von jemand anderem, wiederholte die Parolen, die von anderen ausgegeben wurden, wohingegen heute die jungen Leute sich mit ihren eigenen Worten äußern und sich bemühen, selbständig zu denken. Ich habe diese Haltung auch in Teilen der Abgeordneten der Opposition erkennen können.

Für mich ist deshalb heute der erste Tag, an dem ein neuer Same der Demokratie erwacht, und diesmal ist es wirklich unsere, nicht mehr reguliert von anderen, sondern mit unseren Händen geformt

Eine weitere persönliche Notiz: bis jetzt hatte ich immer eine Art Minderwertigkeitskomplex gegenüber Südkoreanern und Taiwanesen, die einen harten Weg des Kampfes um die Demokratie hinter sich haben. Ich glaube aber, jetzt befinden sich auch die Japaner endlich auf dem „richtigen“ Weg.

2) Eine andere Sache, die ich erwähnen wollte, bezieht sich speziell auf uns Japaner, die wir im Ausland leben. Es geht um das ernste Risiko, dem die neue Position Japans ausgesetzt ist (wenn es auch abzuwarten bleibt, ob die Justiz diese nicht annulliert), besonders in „instabilen“ Ländern wie Afghanistan, Irak etc., wo meine Mitbürger (mit oder ohne NGOs) seit Jahren für das Wohl der örtlichen Bevölkerung arbeiten. Unsere Staatsbürgerschaft war für uns immer eine Garantie, im Sinne dessen, dass wir als neutrales „unbewaffnetes“ Land das Vertrauen aller genossen.

Ab morgen jedoch werden sich die Dinge ändern, wir riskieren, „alle Amerikaner“ zu werden!

Deshalb glaube ich, und ich bin nicht die einzige, dass wir umso mehr das Recht haben, uns zu empören und die Regierung Abe zurückzuweisen, mal ganz abgesehen von unseren politischen Ansichten.

Yukari Saito, Dokumentationszentrum „Samen unter dem Schnee“
Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter