Am 10. Januar diesen Jahres wurde der 48-jährige Kabarettist Dieudonné M’bala M’Bala von der französischen Polizei in seiner Wohnung abgeführt. Die Pariser Staatsanwaltschaft warf ihm Verherrlichung des Terrorismus vor.

Grund für dir Verhaftung war ein Eintrag Dieudonnés auf seiner Facebook und Twitter Seite, die er nach der Teilnahme am Solidaritätsmarsch für Charlie Hebdo postete, er fühle sich heute Abend wie „Charlie Coulibaly“. Der Nachname stammt vom Attentäter, der sich beim Anschlag auf Charlie Hebdo in einem jüdischen Supermarkt mit Geiseln verschanzt hatte.

Einen Monat später lautete das Urteil dann nur noch „Relativierung des Anschlags“ und wurde mit einer Geldstrafe von 30.000 Euro vollstreckt.

Dieudonnés Facebook und Twitter Post mag für manche zwar geschmacklos erscheinen, aber woraus genau sich eine ‚Relativierung‘ des Verbrechens ergeben soll, bleibt fragwürdig. Was soll mit dem Terminus „Relativierung“ gemeint sein? Eine Relativierung liegt vor, wen man zwei Dinge ins Verhältnis setzt um eine Sache abzumildern und daraus eventuell etwas Neues zu machen. Abgesehen davon, dass es der Job von Satirikern ist, Dinge zu relativieren um damit Kritik auszudrücken, kann eine Abschwächung des Anschlags aus „ich fühle mich wie Charlie Coulibaly“ wohl nur mit viel Fantasie abgeleitet werden.

Ebenso klingt es irgendwie skurril, jemanden wegen einer Meinung auf seinem Facebook-Profil festzunehmen, nur drei Tage nach dem dieses Land für genau dieses Recht auf die Straßen gegangen war.

Erstaunlicherweise schnappte unsere breite Presse die offizielle Begründung vollkommen kritiklos auf und suggerierte somit eine vermeintliche Rechtmäßigkeit der Vorwürfe. Dass Dieudonné den Ruf eines Antisemiten hat, wurde auch noch schnell in die Berichterstattung eingeschoben. Weder auf der Homepage der Tagesthemen noch der Süddeutschen Zeitung, Zeit oder sogar TAZ bemühte man sich um die Einbettung einer Stellungnahme Dieudonnés zu diesen Vorwürfen.

Dabei wäre doch gerade das interessant gewesen. Unter einer von Dieudonnés Internetseiten (www.quenelplus.com) kann man den offenen Brief dazu an den französischen Innenminister, Bernard Cazeneuve, auch in deutscher Sprache, nachlesen.

Dieudonné habe sich nach der Rückkehr vom Marsch für Charlie Hebdo „sehr alleine gefühlt“, er werde mittels Klagen und Auftrittsverboten daran gehindert seine Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern, er würde von der französischen Regierung nicht als Komödiant wahrgenommen werden, sondern „als der Staatsfeind Nr. 1“, als ein Terrorist. Dieudonnè rechtfertigt die Symbiose der Namen, weil man ihn „als einen Amedy Coulibaly“ betrachtet, obgleich er „nicht anders ist als Charlie“.

Die Stellungnahme Dieudonnés ist ein Zeugnis seiner Erfahrungen, die er als extrem kritischer Kabarettist in Frankreich gemacht hat. Er hat das Attentat weder gutgeheißen, noch dazu animiert es zu wiederholen oder mit den Attentätern sympathisiert. Das Urteil scheint nur einmal mehr die Fortsetzung einer staatlichen Unterdrückungskampagne gegen Dieudonnè zu sein.

Auftrittsverbote und Zensurversuche

Denn gegen diese kämpft Dieudonné schon seit über einer Dekade an. In Großbritannien darf er seine für 2015 geplante Tournee nicht präsentieren, es wurde ein Einreiseverbot wegen der Gefahr antisemitischer Äußerungen verhängt. In Frankreich wurden bislang ca. 80 Klagen eingereicht, von denen er diejenigen, bei der es zu einer Verhandlung kam, meistens gewann. Rechtskräftig verurteilt wurde er davon nur in sechs Fällen. Diese lauten dabei mehrheitlich auf Antisemitismus wozu, wenn es nach der französischen Regierung geht, auch der Quenelle-Gruß zählen sollte.

Dabei war Dieudonnés Aufstieg in den 90ger Jahren sehr vielversprechend. Als Kind einer Mutter aus der Bretagne und einem kamerunischen Vater befasst sich Dieudonné in seinen Shows viel mit politischen und gesellschaftlichen Schieflagen. Zu Beginn seiner Karriere ging der geborene Katholik und bekennende Atheist noch mit seinem Bühnenpartner jüdischer Abstammung, Elie Semoun, auf Tour und machte nach der Trennung als Einmannshow weiter. Sein Sinn für eine feine Pointierung von Gesellschaftskritik wird nach der Ansicht einiger frei im Internet verfügbaren Videos rasch deutlich. Das Stück „Palestine“ verdient an dieser Stelle besonderes Lob als feinfühlige und bewegende Ode auf die Siedlungsproblematik in den besetzten Gebieten Palästinas.1

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Dieudonné M’bala M’Bala (Lizenz: CC0 1.0 – Public Domain)

Dieudonnés riesige Fangemeinde und die ausgebuchten Theater sprechen für sich. Dieudonné ist ein intelligenter und talentierter Komödiant. Jemand, der mit großem schauspielerischem Talent und spitzer Zunge geschickt den Bogen spannt zwischen den Problemen der Neuzeit und ihren wahren Ursachen. Er macht sich lustig über Minderheiten und entlarvt dabei die Doppelbödigkeit unserer Gesellschaft wenn er auf eine neoliberale und rassistische Elite verweist, die diesen Minderheiten nicht die gleichen Rechte einräumen will.

„Shoah Nanas“ und „La Quenelle“

Ins Fadenkreuz der Medien und der Justiz geriet Dieudonné im Dezember 2003 als er sich in einer Fernsehersendung einen folgeschweren Auftritt leistete: er wollte die Siedlungspolitik Israels kritisieren und trat als jüdischer Siedler mit Sturmmaske auf, machte dabei den Nazigruß und rief ‚Shoah-Heil‘ (Shoah ist der jüdische Begriff für den Holocaust). Die Medien und der Staat reagierten sofort. Dieudonné wurde als Antisemit gebrandmarkt, Fernseherauftritte wurden verweigert, Auftrittsverbote in Städten verhängt. Wenig später formte er, aus derart negativen Erfahrungen mit der Obrigkeit, die Shoah Nanas (Shoah und Ananas), die als Art Veräppelungssymbol gegen die staatlich auferlegten Denkverbote gelten sollte.

Wenig später erfand Dieudonné eine Ableitung des britischen Stinkefingers – la Quenelle. Diese „Knödel“ sollte in erster Linie für die Emanzipation der Nachfahren ehemaliger Kolonien, so wie er einer ist, von ihren Kolonialherren, so wie Frankreich es einst war, stehen. Gleichzeitig entwickelte sich die „Knödel“ als Geste des Widerstands gegenüber der herrschenden Elite und symbolisiert dabei „wie tief wir von Bankern, Politikern und Konzernen gefistet werden“, beschreibt es sein Erfinder.

Auf welch hohe Resonanz diese Geste in der Bevölkerung stößt, kann man sehen, wenn man die offizielle Seite Dieudonnés, www.dieudosphere.com, besucht. Unter den geschätzten 1.500 hochgeladenen Quenelle-Grüßen der Fans werden die Besten nominiert für den Quenelle-Oskar. Man sieht den Gruß beim Fallschirmspringen, auf Hochzeitsphotos, im Sportverein, in Thailand, in Palästina, in Deutschland, von Soldaten, von Polizisten, von Demonstranten, von Schwarzen, von Weißen. Darunter befinden sich zwar auch eine Handvoll Bilder vor jüdischen Symbolen, wobei die Frage offen bleibt, ob daraus der immer wieder aufgeführte Vorwand eines verkappten Nazigrußes hergeleitet werden kann.

Bild von: Meostil (Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Bild von: Meostil (Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Ausser Frankreich scheint es nur noch die FIFA besser zu wissen. Der englische Profi Fußballspieler- Nicolas Anelka, der wie Dieudonné afrikanische Wurzeln hat, machte den Quenelle-Gruß nach einem erfolgreichen Tor und wurde daraufhin wegen antisemitischer Äußerungen von seinem Arbeitgeber gesperrt.

Antizionist, nicht Antisemit

Dieudonné weist die Antisemitismus-Vorwürfe immer wieder zurück. Er bezeichnet sich eher als Antizionisten, womit er Kritik an einer einflussreichen jüdischen Elite meint, die die Demokratie in Frankreich aushöhle und die Ungleichverteilung und Ungerechtigkeit fördere.

Ja, Dieudonné macht sich lustig über den Holocaust. In dem umstrittenen Sketch „The deported Jew“2 geht er auf eine Direktive von Präsident Francois Hollande ein, wonach in den Schulbüchern ab der fünften Klasse das Leiden der Juden im Holocaust besonderes Gewicht haben soll. In diesem Bühnenstück lässt Dieudonné den Juden so darstellen, wie er sich in der öffentlichen Wahrnehmung etabliert hat: in einem Pyjama, mit einem Stern auf der Brust, als Inbegriff der höchsten menschlichen Leidensstufe. Dieudonné möchte damit der Kritik an der Hierarchisierung von Leiden Ausdruck verschaffen. In einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BBC3 stellt sich Dieudonné auf den Standpunkt, dass keinerlei Qualifikationsstufen für menschliche Leiden existieren sollen. Jedes Volk leide in gleicher Art und Weise. Ein Genozid an der afrikanischen oder amerikanischen (Ur-) Bevölkerung sei nicht weniger Schlimm als der Genozid an Juden. Das jüdische Volk hätte nicht mehr gelitten als andere Völker an denen man Verbrechen begangen hat. Hingegen arbeite Frankreich kaum das eigene dunkle Kapitel der Sklaverei und Kolonialisierung auf, die sich durch großflächige Massaker an der Zivilbevölkerung durch das französische Militär auszeichnen.

Weiter fragt Dieudonné, warum man, wenn es um das Thema Juden geht, beim Holocaust anfängt und dort stehengeblieben ist und nicht über die Juden im Hier und Jetzt sprechen darf.4 Er stößt immer wieder auf Grenzen der Meinungsfreiheit wenn er die Politik Israels und den vermeintlichen Einfluss jüdischer Lobbyisten in der französischen Elite unter verbalen Beschuss nimmt.

Es hat sich kaum etwas verändert an der Kultur des Kritikverbotes Israels. Noch immer wird das einzigartige Leid, das den Juden im zweiten Weltkrieg widerfahren ist, als Grund für die Unterlassung moralisch-ethischer Beurteilungen nach gängigen Maßstäben missbraucht und somit jeglicher Kritik an Israels Politik mit dem Vorwurf des Antisemitismus der Wind aus den Segeln genommen.

Dabei sollte das politische Kabarett per Definition ein Ventil bieten um den Finger auf die gesellschaftlichen Wunden der krisengeschüttelten Region des Nahen Ostens legen zu dürfen und befähigt sein, deren Opfern genauso einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Menschheit zu verschaffen wie den Opfern des Holocaust.

Mit seiner antizionistischen und antielitären Haltung hat sich Dieudonné viele Fans in den Vororten Frankreichs und unter den „Beurs“5 gemacht, aber auch einen mächtigen Feind – die einflussreiche, jüdische Dachorganisation CRIF (Conseil Représentatif des Institutions Juives de France), die seit Jahren nichts unversucht läßt, Dieudonné als Antisemit darzustellen und somit seine Karriere zu vernichten. Nur hat die CRIF damit das Gegenteil bewirkt: Je öfter ihm der Mund verboten wird, je mehr Klagen gegen ihn eingereicht werden, desto mehr fühlen sich die aufmerksamen Beobachter der staatlich organisierten Schmierenkomödie bestärkt in ihrem Glauben an die Scheinheiligkeit ihrer Bürgerrechte und den schlummernden Rassismus in ihrer Regierung.

Kritikverbot Israels

Es ist schwierig, Dieudonnés Meinung zu der Doppelbödigkeit der Meinungsfreiheit zu widerlegen. Man verfolge nur Art und Weise der westlichen Berichterstattung. Anders als mit dem Einfluss jüdischer Organisationen ist zum Beispiel nicht zu erklären warum vor allem die USA, Deutschland und Frankreich stets hinter Israel stehen, egal wieviel Palästinenser gerade den Tod im israelischen Raketenhagel finden. Harsche Kritik aus den Reihen der führenden Medienhäuser kommt, wenn überhaupt, nur dann, wenn sich das Ausmaß der Zerstörung unleugbar über soziale Netzwerke verbreitet hat. Die vorhin genannte Dachorganisation CRIF steht dabei „ohne Wenn und Aber“ gemeinsam mit dem französischen Premier Francois Hollande hinter den Entscheidungen Tel Avivs und trägt selbst dazu bei, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung der Verdacht etabliert, es gebe eine pro-israelische Lobby, die in der französischen Politik ihren Einfluss unverhältnismäßig stark zu ihrem Vorteil ausspielt. 6

In den USA zum Beispiel gehört die (American Israel Public Affairs Committee, früher AZPAC, American Zionistic Public Affairs Committee) zu den einflussreichsten und finanziell stärksten Lobbygruppen. Ihr Wirkungsgrad reicht vom Einfluss auf das Stimmverhalten zahlreicher Senatoren und Politiker bis hin zur Mitbestimmung an Gesetzesvorlagen und Strategiepapieren. Zu ihren Mitgliedern gehören ranghohe Regierungsvertreter einschließlich des Präsidenten.7

Wie die westliche Meinungsfreiheit von vielen Muslimen wahrgenommen wird

Wie die westliche Meinungsfreiheit von vielen Muslimen wahrgenommen wird – Karikaturist Latuff, Brasilien

In Deutschland bildet der Mediengigant Bertelsmann8 das Rückgrat proisraelischer Standpunkte in den Medien. Wie dann das Ergebnis von diesen Redaktionsleitlinien aussieht, kann man in Bild, Stern, Focus und Co. nachlesen. Es macht in der Berichterstattung sehr wohl einen Unterschied, ob z.B. Matthias Döpfner, Vorsitzender des Springer Verlags, als oberstes Credo die Sicherheit und das Existenzrecht Israels konstatiert. Wenig verwunderlich, dass dann gerechtfertigte Kritik an politischen und militärischen Entscheidungen Israels in der Berichterstattung oft nicht mehr als den Rang einer Fußnote zugewiesen bekommt.

Im August 2014, als innerhalb von vier Wochen ca. über 2.500 palästinensische Zivilisten im Bombenhagel der israelischen Armee den Tod fanden und mehr als zehntausend verletzt wurden, protestierten tausende von Menschen aller Nationen, Hautfarben und Religionen in Europa und USA gegen diesen unverhältnismäßig brutalen Vergeltungsschlag Israels. Statt sich um Gehör für die Demonstranten zu bemühen, versuchten viele Zeitungen und Fernsehsender diese einheitlich als Antisemiten darzustellen. In Frankreich wurde eine angekündigte Demonstration von propalästinensischen Gruppen verboten und in Deutschland ging die Angst, als Antisemit beschimpft zu werden, sogar so weit, dass Protestkundgebungen gegen Israels Kriegspolitik regelmäßig mit dem Warnhinweis „nicht antisemitisch“ versehen waren.

Künstlerische Freiheit nur dann, wenn sie einen Propheten beleidigt

Wie empfindlich die Reaktionen von jüdischen Organisationen auf negativ konnotierte Karikaturen Israels sind, mussten hierzulande beispielsweise die Süddeutsche Zeitung und die Stuttgarter Zeitung erfahren. Die Süddeutsche Zeitung hatte mit dem Eingangstitel „Deutschland serviert“ eine Karikatur abgebildet, die Israel als „gefräßigen Moloch“ deutscher Waffenlieferungen darstellte, die Stuttgarter Zeitung Netanjahu als „Friedensvergifter“. Die Redaktionen der Blätter mussten sich daraufhin entschuldigen.9

Im Lichte dessen, was Charlie Hebdo produziert hat, mit seinen überwiegend islamfeindlichen, beleidigenden und nicht selten geschmacklosen Zeichnungen, wird deutlich, wie wenig Einfluss dagegen andere Gruppierungen haben. Es gibt in Frankreich, anders wie in Deutschland, keinen Paragraphen, der Blasphemie verbietet. Frankreich ist ein strikt säkularer Staat. Jeder darf dort die Religionen verunglimpfen, solange dies nicht den Straftatbestand von Volksverhetzung erfüllt.

Charlie Hebdo hat sich von seiner provokativen Linie nicht abbringen lassen, war deswegen Bedrohungen aus Reihen der Bevölkerung ausgesetzt, musste mehrmals die Redaktionsräume wechseln und hatte zeitweise Polizeischutz. Es gab nichtsdestotrotz, keine muslimische Lobby, die mächtig genug gewesen wäre Charlie Hebdos Zeichnungen mit der Gunst der französischen Politik verhindern zu können.

Charlie Hebdo scheint allerdings selbst etwas zurückhaltend gewesen zu sein, wenn es um Witze über jüdische Mitmenschen ging. Die Redaktion von Charlie Hebdo feuerte seinen Autor Siné (Maurice Sinet) in 2009, nachdem er sich den Scherz erlaubt hatte, dass nun der Sohn des damaligen Staatsoberhauptes Sarkozy zum Judentum konvertieren würde, damit er eine Ehe mit einer reichen jüdischen Erbin eines Elektronikkonzerns eingehen könne. Als Siné seine Entschuldigung verweigerte, wurde er von Charlie Hebdos Chefredakteur Phillipe Val wegen antisemitischer Äußerungen gefeuert. Der Philipe Val, der noch zwei Jahre zuvor die umstrittenen Mohammed-Karikaturen hatte nachdrucken lassen – im Namen der Pressefreiheit.10

Und der französische Staat, der das Märtyrertum Charlie Hebdos mit Millionen Bürgern zelebrierte, hat den Vorgänger Charlie Hebdos selbst schon mal umgelegt. Das Magazin Hara-Kiri Hebdo wurde in den 70er-Jahren von Staats wegen eingestampft, weil es sich einen Witz über den Tod von Charles de Gaulle auf dem Titelblatt leistete „Ballunglück in Colombey11 – ein Todesopfer“.12 Daraufhin machte das Blatt als Charlie Hebdo weiter.

Die höchst bedenkliche Reaktion der französischen Justiz auf die Äußerungen Dieudonnés und weiterer Personen, die zeitgleich wegen ihrer Sympathiebekundungen für die Attentäter festgenommen wurden, spiegelt die Hypokrisie der Meinungsfreiheit in Frankreich wieder. Der islamische, zumeist aus ehemaligen Kolonialländern eingewanderte Teil der französischen Bürger erlebt eine Meinungsfreiheit, die sie von rassistischer Hetze nicht mehr zu unterscheiden vermag. Hierzu zählen die Anti-Islam Proteste der Front National genauso wie die Karikaturen Charlie Hebdos, die in einem extrem islam- bzw. ausländerfeindlichen, gesellschaftlichen Umfeld stets die bestehenden Ressentiments bedienen und aufblähen können. Und wiederum für andere, gilt Meinungsfreiheit unter Vorbehalt. Gegen Minderheiten wie Moslems auf die Barrikaden zu gehen, fällt somit also unter Meinungsfreiheit. Kritik an Israel dagegen riecht nach Antisemitismus und Verständnis für Islamisten oder die ‚Relativierung‘ ihrer Untaten ist – nach der momentanen Logik der französischen Regierung – eine Art Gedankenverbrechen und wird strafrechtlich verfolgt. George Orwell lässt grüßen.

Den Wert der Meinungsfreiheit eines Staates erkennt man auch immer daran wie es mit denjenigen umgeht, mit denen es nicht einer Meinung ist. Wenn Frankreich von Meinungsfreiheit spricht, dann muss diese für alle gleichermaßen gelten – alles andere ist liberté, égalité, tätärätä.

Einzelnachweise:

1 Bühnenstück „Palestine“: https://www.youtube.com/watch?v=_ypIqpclCXE

2 Bühnenstück „The deported Jew“: https://www.youtube.com/watch?v=BSkUq-3JF3M

3 Interview mit BBC vom Februar 2014: https://www.youtube.com/watch?v=xmkrVNYfYwk

5 Umgangssprachliche Bezeichnung für in Frankreich geborene Kinder nordafrikanischer Einwanderer

8 Zum Bertelsmann-Konzern gehören fünf Unternehmensbereiche: Gruner und Jahr, die RTL Group, die Verlagsgruppe Penguin Random House, Arvato und Be Printers Group, Quelle: www.bertelsmann.de

9 Die Süddeutsche Zeitung (SZ) druckte im Juni 2013 eine Karikatur von Ernst Kahl mit dem Untertitel: „Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch […].“ und löste damit eine Welle der Entrüstung aus. Die Redakteurin musste sich entschuldigen. Die gleiche Reaktion von jüdischer Seite wurde der SZ auch mit der Karikatur von Mark Zuckerberg zuteil, als sie den Gründer von Facebook mit einer Hakennase als Datenkrake darstellte (SZ, 21.02.2014). Die Stuttgarter Zeitung kritisierte in ihrer Ausgabe am 05.08.2013 die israelische Politik und veröffentlichte eine Karikatur, die Netanjahu als „Friedensvergifter“ zeigt. Der Chefredakteur musste sich entschuldigen nachdem sich u.a. die Israelische Botschaft in Berlin und das American Jewish Commitee (AJC) eingeschaltet hatten.

10 Vgl. http://www.theguardian.com/world/2008/aug/03/france.pressandpublishing

11 Damaliger Wohnsitz von Charles de Gaulle

12 Vgl. http://gawker.com/what-is-charlie-hebdo-and-why-a-mostly-complete-histo-1677959168