Die große Relevanz des Workshops „Arms industry and Ethics: How to enforce ethics in highly profitable business“ von Pressenza beim Global Media Forum der Deutschen Welle zeigte sich noch an demselben und schon am vorherigen Tag in den Nachrichten: martialische Bilder von NATO Manövern in Osteuropa, von Kindern mit Maschinengewehren bei einer Bundeswehr-Werbeveranstaltung, dann die Neuigkeit von SIPRI: Deutschland ist wieder auf die dritte Position der Waffen-exportierenden Länder aufgerückt. Es ist wie eine Spiegelung dessen, was die Sprecher auf dem Podium uns erzählt haben.

Waffenhandel mit dem Mittleren Osten – „es ist einfach ein großes Geschäft“

Der bedrückende Eindruck der vom Workshop blieb: Wir sind mitten in einer Militarisierung, die die gesamte Welt umfasst. Die Redner aus Deutschland, Ägypten, den USA und der Tschechischen Republik beleuchteten dasselbe Phänomen von verschiedenen Seiten: Die Produktion und die Verschiebung von Waffen nimmt zu, sie wird sichtbarer, überall wird die Bevölkerung in zunehmendem Maß eingestimmt auf die Präsenz des Militärs und die Normalität von Waffen in der Öffentlichkeit. Der wachsende Nationalismus und die Feindbilder, wie sie von Politik und Medien präsentiert werden, sorgen für ein Gefühl der Angst und des zunehmenden Hasses, Gefühle, die diesem Militarismus die gewünschte Legitimation geben. „Als ich die Fakten über das Thema studierte, dachte ich: „Oh mein Gott, was kann man nur tun? Es ist alles einfach ein großes Geschäft, es hat nichts zu tun mit Ethik”, sagte David Andersson, der über das Waffengeschäft der USA referierte. Auch das Publikum reagierte zu einem großen Teil erschüttert. Vielen Zuhörern waren diese Dinge völlig neu.

Jürgen Grässlin, der jahrzehntelange Aktivist gegen die Deutsche Waffenindustrie, zeigte uns als erster Redner, in welchem Ausmaß Deutschland Kriegs- und Bürgerkriegsländer mit Waffen beliefert. Panzer nach Saudi Arabien, U-Boote nach Israel, Fregatten nach Algerien, Maschinengewehre nach Mexiko. Doch dass Deutschland, wenn auch ganz vorne, nicht das einzige Land ist, das bevorzugt den Mittleren Osten beliefert, zeigte sich bereits bei der nächsten Rede von Baher Kamal. „Der Nobelpreisträger Barack Obama entschied, Waffendeals mit Saudi Arabien in Höhe von 5 bis 10 Milliarden US$ abzuschliessen.“ Ägypten gäben die USA Darlehen über 100 bis 250 Milliarden US$, welche wie ein Gutschein zum Einlösen bei amerikanischen Firmen funktionierten. „Ägypten sieht dabei kein Geld. Sie gehen einkaufen in den USA und die US Administration bezahlt.” Die Menschen im Mittleren Osten – 400 Millionen in 22 Diktaturen, „demokratische Diktaturen“, wie Kamal scherzend sagt – seien verängstigt und hilflos: „Wir müssen Waffen kaufen, denn wenn wir es nicht tun, dann kommt einer unserer Nachbarn und tötet uns.“

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Die Medien erreichen

Grässlin kann über positive Entwicklungen berichten. Mit der Kampagne Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel, die von 100 Organisationen getragen wird, und durch den Prozess, der im November gegen Mitarbeiter der Firma Heckler&Koch wegen des Exportes von Maschinengewehren in Unruheprovinzen Mexikos beginnt, interessierte sich die Presse endlich für das bislang vernachlässigte Thema. Und die Bevölkerung reagiert empört: „80% der Deutschen sind nach Umfragen gegen jeglichen Waffenexport.“ Kamal hingegen erzählt, dass die Medien im Mittleren Osten keine eigenständige Rolle spielten und zu 78% die Nachrichten der internationalen Medien wie Reuters, BBC, France Press, etc. reproduzierten. „Wir sind festgefahren in dieser Situation. Es gibt keine Hoffnung. Hier in Deutschland, sagst Du [Jürgen], seid Ihr 100 Organisationen. Aber was ist mit Großbritannien, was ist mit den USA oder Norwegen, die alle den Mittleren Osten mit Waffen beliefern?“

Grässlin plant daher die Internationalisierung der Kampagne. Insbesondere interessiert ihn das Dokumentieren der Opfer Deutscher Waffen. „Was würde passieren, wenn die Opfer ihre Behandlungskosten einklagen würden?“ In diese Richtung zielt auch David Andersson: „Dieses Geschäft muss unprofitabel werden. Anders werden wir es nicht stoppen können.“ Eine wirkliche Herausforderung in Anbetracht der unvorstellbaren Summen, die vom US Militär bewegt werden, wie Andersson in seinem Beitrag zeigte.

Militarisierung von Tschechien – „es fühlt sich an, als seien wir im Krieg“

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Bild: Marin Vorac

Wie vorübergehend ein Erfolg der Bevölkerung gegen das Militär sein kann, berichtet uns Dana Feminová aus der Tschechischen Republik. Die USA betrieben den Aufbau einer Radar- und Raketenabschussbasis in Osteuropa, angeblich zum Schutz Europas vor Langstreckenraketen aus dem Mittleren Osten. Die Tschechen hatten sich 2009 erfolgreich durch einen Massenprotest gegen eine solche Basis gewehrt. Doch die Freude war kurz. Inzwischen wird die Basis in Rumänien gebaut. Und Feminová zeigt uns aktuelle Bilder von US-Panzern, die durch Tschechien fahren, US-Flaggen schwingend – eine Werbekampagne für die Tschechen und Stärke-Demonstration gegen Russland. Zusätzlich geht die tschechische Armee an Grundschulen und lässt die Kinder mit Waffen hantieren. „Es fühlt sich an, als seien wir im Krieg“, beschreibt Feminová die Stimmung in ihrem Land.

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Die Diskussion beinhaltete zwar wenige Lösungsvorschläge, aber deutlich wurde dennoch, dass die Aktiven sich zunehmend vernetzen. Im Oktober wird eine Weltfriedenskonferenz in Berlin stattfinden, bei welcher wir diesen Workshop reproduzieren werden, und wo wir besser über das sprechen können, was konkret getan werden kann, um diese Aufrüstung und Militarisierung zu stoppen.