“Die Gesellschaft hat begonnen, an einem radikalen Wandel der Politik der EU zu arbeiten. Auf dem Tisch liegen bereits viele Vorschläge, die die Sparpolitik überwinden könnten,“ besagt der Plan.

Hunderte Aktivist_innen, Politiker_innen und Intellektuelle haben den Aufruf „Plan B für Europa. Ein Aufruf, einen Europäischen Arbeitsbereich zu bilden, um die Sparpolitik zu beenden und eine echte Demokratie aufzubauen“ unterschrieben und haben eine Europäische Konferenz organisiert, zu welcher Bürger_innen und Organisationen eingeladen sind und welche in Madrid vom 19. Bis 21. Februar stattfinden wird.

Unter den Unterzeichnenden befinden sich unter anderem die Bürgermeister_innen Ada Colau und José Maria González, der frühere griechische Finanzminister Yannis Varoufakis zusammen mit der früheren griechischen Parlamentssprecherin Zoe Konstantopoulou, der ehemalige deutsche Finanzminister Oskar Lafontaine und einige andere Mitglieder der deutschen Linkspartei, der Linguist Noam Chomsky, die spanischen Europaabgeordneten Lola Sanchez, Miguel Urban, Marina Albiol und Javier Couso, der bekannte Regisseur, Ken Loach, Eric Toussaint vom Komitee zur Aufhebung der Schulden von Drittweltländern, Yayo Herrero von der Ökologischen Aktion und der Ökonomieprofessor Juan Torres und Costas Lapavitsas.

“Momentan wird die EU von einer de facto Technokratie regiert, die den Interessen einer kleinen, aber machtvollen Minderheit aus Wirtschafts- und Finanzmächten dient,“ sagt der Aufruf, der auf der Webseite planbeuropa.es veröffentlicht wurde.

“Daher wollen wir einen Zusammenschluss aller Leute, Bewegungen und Organisationen schaffen, die das aktuelle Modell der EU ablehnen und sich in einer gemeinsamen Agenda über Ziele, Projekte und Aktionen abstimmen, die das Ziel verfolgt, das EU weite System der Austerität zu stoppen und die Europäischen Institutionen radikal zu demokratisieren, damit sie für die Bürger_innen arbeiten,“ schließt der Aufruf ab.

Die sozialen Netzwerke haben sofort angefangen, den Plan B mit dem Hashtag #WeNeedAPlanB und dem Twitter Account @Planb_Europa zu verbreiten, während andere Gruppierungen und Individuen sich dem Plan B angeschlossen haben und ihn weitertragen.

Hier ist der Text des Aufrufes auf deutsch:

Im Juli 2015 wurden wir Zeugen eines Staatsstreiches gegen die griechische Regierung durch die Europäische Union und ihre Institutionen, der die griechische Bevölkerung zu einer Fortsetzung ihrer Leiden durch eine Austeritätspolitik verdammte, welche sie in zwei Wahlen abgelehnt hatten. Diese Entwicklung hat die Debatte über die Macht in der EU und ihre Institutionen, ihre Inkompatibilität mit der Demokratie und ihre Rolle als Garant der grundlegenden Menschenrechte, wie sie die Europäischen Bürger_innen fordern, intensiviert.

Wir wissen, dass es Alternativen zu der Sparpolitik gibt. Manifeste wie die von „Für einen Plan B für Europa“, „Austerexit“ oder DiEM25 (Demokratie in Europa Bewegung 2025) weisen die Erpressung durch das dritte Memorandum zurück, das den Griechen aufgezwungen wurde, die Katastrophe, die es verursachen wird, und die antidemokratische Natur der EU. Kein Geringerer als der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, sagte, „Es kann keine demokratische Entscheidung gegen Europäische Verträge geben.“

Wir sind ebenfalls Zeugen der hilfeverweigernden und manchmal fremdenfeindlichen Antwort der EU Mitglieder und ihrer Institutionen auf die Ankunft der Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten und Afrika und auf das menschliche Drama, welches dies bedeutet. Die Doppelmoral dieser Debatte innerhalb der EU in Bezug auf die humanitäre Katastrophe wird noch betont dadurch, dass die EU durch den Verkauf von Waffen oder durch das Forcieren ihrer Handelspolitik die Schlüsselrolle in den Konflikten einnimmt, welche im Zuge dessen erst zu der aktuellen humanitären Krise geführt haben.

Die Lösung, die die EU aus der Krise vorschlug, begann vor acht Jahren und basierte auf Sparpolitik, Privatisierung von allgemeinen Gütern und der Zerstörung der sozialen und Arbeiterrechte, statt die Wurzeln der Krise anzugehen: Deregulierung des Finanzsystemes und der Übernahme der EU Institutionen durch Konzerninteressen durch das Engagement mächtiger Lobbies und Drehtürpolitik. Die EU setzt sich für falsche Lösungen ein, indem sie Handels- und Investitionsverträge verhandelt, so wie TTIP, CETA oder TISA, fast völlig ohne Transparenz oder demokratische Aufsicht, die das eliminieren sollen, was als Barrieren des Handels gesehen wird: Die Rechte und Regelungen zum Schutze der Bürger_innen, Arbeiter_innen oder der Umwelt. Es ist der finale Schlag gegen unsere Demokratie und unsere Rechtsordnung, vor allem in Bezug auf die Verfahren, die als sogenannter Investorenschutz in Kraft treten sollen.

Momentan wird die EU regiert von einer de facto Technokratie, die den Interessen einer kleinen aber mächtigen Minderheit aus Wirtschafts- und Finanzmächten dient. Dies hat zu einem Wiederaufflammen der extremen Rechten sowie der fremdenfeindlichen und nationalistischen Teile vieler Europäischer Länder geführt. Wir haben die Verpflichtung, auf diese Bedrohung zu reagieren und die Faschisten daran zu hindern, aus dem Schmerz und dem Unglück der Bürger_innen, welche trotz all dem ihre Solidarität mit den Hunderttausenden Flüchtlingen, die in dieser humanitären Tragödie leiden, gezeigt haben, Kapital zu schlagen.

Die Gesellschaft hat begonnen, an einem radikalen Wandel der Politik der EU zu arbeiten. Soziale Bewegungen wie Blockupy, die aktuelle Kampagne gegen TTIP (Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA), der alternative Gipfel, der Europäische Generalstreik 2012, der Euromarsch und die riesige Arbeit, die durch die zahllosen Bürgergruppen und NGOs geleistet wurde, ist ein unschätzbar wertvolles menschliches und intellektuelles und ideologisches Kapital zur Verteidigung der Menschenrechte, dem Respekt gegenüber der Erde und der Würde der Menschen, die höher zu stellen sind als politische und wirtschaftliche Interessen. Trotzdem glauben wir, dass eine bessere Koordination und Kooperation vonnöten ist, um auf Europäischer Ebene zu mobilisieren. Es gibt viele Vorschläge auf dem Tisch, die die Austerität ersetzen könnten: ein gerechtes Steuersystem und das Schliessen der Steueroasen, komplementäre Währungssysteme, die Re-Kommunalisierung der öffentlichen Dienste, die gleiche Verteilung von Arbeit und die dazugehörigen gerechten Bedingungen, die Verpflichtung zu einem Produktionsmodell, das auf erneuerbaren Energien beruht, und eine Reform oder Abschaffung der EU Steuerverträge – formal bekannt als Abkommen zur Stabilität, Koordination und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion. Das Beispiel von Griechenland hat uns gezeigt, dass, um den momentanen Umständen entgegenzutreten, wir alle Kräfte bündeln müssen, alle Mitgliedsstaaten und in allen Bereichen: politisch, intellektuell und die Zivilgesellschaft. Unsere Vision ist alle miteinbeziehend und international.

Daher wollen wir einen Zusammenschluss aller Menschen, Bewegungen und Organisationen schaffen, die das aktuelle Modell der EU ablehnen und sich in einer gemeinsamen Agenda über Ziele, Projekte und Aktionen abstimmen wollen, die das Ziel verfolgt, das EU weite System der Austerität zu stoppen und die Europäischen Institutionen radikal zu demokratisieren, damit sie für die Bürger_innen arbeiten.

Mit dieser Idee schlagen wir eine Europäische Konferenz vom 19. bis 21. Februar in Madrid vor und laden Euch dazu ein, an den Debatten, Workshops und Diskussionen dort teilzunehmen.