Am 18. März befand ich mich gerade auf Reisen, als die ersten Nachrichten über das Attentat in Tunesien eintrafen. So verfolgte ich, teils aus Neugierde, teils aus gewohnter „beruflicher Konditionierung“, wie sich die Nachricht in den großen italienischen Radiosendern und auch auf Twitter entwickelte.

Wenn eine Nachricht „passiert“, ist es „normal“, dass sich die Ereignisse im Verlauf ordnen (man beachte die Gänsefüßchen!). In einer Welt der vielfältigen Informationen kommt es nicht selten vor, dass sich eine Nachricht verändert. Zum Beispiel ist die Anzahl der Toten zu Beginn immer kleiner, sie erhöht sich im Allgemeinen dann im Verlauf der genaueren Beschreibung einer solchen Tragödie. Das Wort „vereinzelt“ hat in den Medien und in Polizeiberichten fast immer eine negative Bedeutung.

Nun, was mit der Nachricht des 18. März „passierte“, ist absolut spektakulär.

Aber der Reihe nach: einige Stunden lang lautete die Nachricht mehr oder weniger wie folgt: „eine Gruppe von Personen in militärischer Kleidung hat versucht, in das tunesische Parlament einzudringen. Vom Sicherheitsdienst des Parlaments entdeckt, flüchtete sie in das nahegelegene Museum, wo sie Touristen zur Geisel nahm. Vielleicht gibt es Tote, mit Sicherheit Verletzte.“ Diese Formulierung der Nachricht lässt vermuten, es handele sich um jemand, der eine demonstrative Aktion anstrebt, einen Putschversuch gegen das Parlament, das gerade über ein Gesetz zur Terrorismusbekämpfung abstimmte.

Und hier kommt das magische Wort „Terrorismus“ ins Spiel: ein Thema, das zur Zeit in Mode ist.

So „schlittert“ die Nachricht in eine andere Richtung als die der Realität. Die allseits präsenten Terroristen des IS haben ein terroristisches Attentat verübt und wehrlose westliche Touristen als Geiseln genommen.

In diesem Sinne lesen sich die Nachrichten im Großteil der italienischen Tageszeitungen des 19. März. Wenn man den einzigen Artikel aufmerksam liest, der wirklich von den Tatsachen spricht, findet man wahrscheinlich noch die Spuren der fundamental wichtigen Vorgeschichte (Stichwort Parlament), aber der allgemeine Eindruck ist der des soundsovielten Angriffs auf den Okzident mit den unweigerlichen Ausführungen, die wir auch bei Charlie Hebdo sahen, als es für mehrere Tage in der Redaktion noch nicht einmal möglich war, die komplette Liste der getöteten Personen zu bekommen, wohl aber alle Einzelheiten zum Lebenslauf der „Terroristen“.

Wenn die Nachricht mit einem Schusswechsel zwischen Tunesiern geendet hätte, hätten wir sie in der großen Mehrheit der allgemeinen europäischen Medien wohl nie zu Gesicht bekommen und niemand hätte sich solidarisch mit der tunesischen Demokratie erklärt, laizistisch und moderat und Wiege der Demokratie überhaupt.

Was ich versuche klar zu machen ist, dass die Nachricht nur dann existiert, wenn sie den Themen, die gerade in Mode sind, entspricht. In dieser Mode spielt der IS die Rolle des diensthabenden Feindes. Er beansprucht ein Attentat via Twitter für sich und alle glauben es. Ich möchte nicht nostalgisch erscheinen, aber es gab eine Zeit, in der Beanspruchungen dieser Art der Beweise bedurften und in der die Terroristen, die sie lieferten, weniger virtuell waren.

Wir können uns fragen, wer Interesse daran hat, die Welt in diesem fürchterlichen Zustand der Angst zu belassen. Es interessiert genau den, der die Waffen verkauft, die im Umlauf sind: Waffen zur Verteidigung, Waffen, um für die „gerechte Sache“ zu kämpfen, Waffen, um im Namen der fanatischen Interpretation irgendeines heiligen Textes zu töten (und hier sprechen wir nicht vom heiligen Koran, inzwischen gibt es ohnehin Fanatiker in fast allen Religionen).

Bekämpft irgendjemand ernsthaft den Waffenhandel in der Welt? Hat es Obama geschafft, ein Gesetz zur Einschränkung des Waffenverkaufs in den USA durchzubringen? Natürlich nicht. Und was hat Putin kürzlich bei seinem Besuch in Ägypten dem sympathischen Al Sisi geschenkt (der von seinem Volk demokratisch gewählt wurde, oder?)? Eine Kalaschnikow! Ein typisches Produkt russischer Handwerkskunst.

Hört man Neuigkeiten zu bedeutenden Fortschritten zum Abschluss und zur Umsetzung des Internationalen Vertrags über den Waffenhandel? Ich fürchte nein.

Die Lobbyisten der Waffenindustrie (italienische mit inbegriffen) machen gute Geschäfte mit dem Verkauf von Waffen auf der ganzen Welt; dazu brauchen sie sowohl den legalen Markt (Staaten, Polizei, private Unternehmen), als auch den illegalen (Terroristen, Söldner, Kriminelle). Das Schlimmste ist der Bürgerkrieg, bei dem diese Produkte verbraucht werden und dadurch der Bedarf entsteht, wiederum neue anzuschaffen.

In diesem Szenario hat der „virtuelle Terrorist“ der Marke IS eine Schlüsselrolle: als „Kunde“, aber auch und vor allem als Schreckensbild, das Staaten und Einzelpersonen dazu verleitet, zu glauben, die einzige Lösung, Gewalt zu bekämpfen, sei die Gewalt.

Die einzige Lösung, um die Gewalt zu besiegen, ist die Gewaltfreiheit. Diese Behauptung manifestiert sich in zahlreichen Aspekten des persönlichen, sozialen und internationalen Lebens: angefangen bei der Art, wie wir uns anderen gegenüber verhalten, über konkrete Möglichkeiten, die wir haben, um ein anständiges Leben zu führen, um unsere Kinder zu Respekt und Anteilnahme zu erziehen, bis hin zum Aufbau von beidseitigen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten und zum Abschluss sowie der ernsthaften Umsetzung aller Verträge zur radikalen Reduzierung von Waffen in der Welt. Und die Liste geht noch unbegrenzt weiter.

Wenn man das nicht tut, wenn nicht eine persönliche und soziale Sensibilität in diesem Sinne erwächst, wenn man nicht die größtmöglichen Anstrengungen dazu aufbringt, besteht das konkrete Risiko, in einer Schlacht zu enden, in der jeder jeden bekämpft und in der alle nur verlieren können.

Die Rolle, die die Medien dabei einnehmen, ist entscheidend. Eine Nachricht wird immer aus einem bestimmten Standpunkt heraus berichtet, aber wenn sie sich in Propaganda der Gewalt verwandelt, sind es Barbarei oder feige Interessen, die durch sie sprechen.

Wir machen da nicht mit. Und wir sind hier, um von einer neuen Welt zu erzählen, die heranwächst, wohl gesäumt mit Unsicherheiten und Widersprüchen, aber sie wächst und sie wird erblühen.

Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter